"Audiatur et Altera pars" steht am Eingang des Heilbronner Landgerichts: "Auch die andere Seite soll angehört werden." Die beiden des gemeinschaftlichen Mordes beschuldigten Angeklagten, die im Februar 2010 in Ebhausen einen 15-Jährigen umgebracht haben sollen, schweigen indes bislang zu den Vorwürfen. Der Jüngere hat zum Prozessauftakt nun eine Erklärung angekündigt. Foto: Buckenmaier

Aus Mordlust gehandelt? 17 und 20 Jahre alte Jugendliche zum zweiten Mal vor Gericht.

Ebhausen/Heilbronn - Der gewaltsame Tod eines 15-Jährigen wird seit gestern in Heilbronn neu verhandelt. Angeklagt sind zwei junge Männer. Sie sollen im Februar 2010 in Ebhausen (Kreis Calw) ihren Freund mit mehr als 30 Messerstichen ermordet haben.

Es kommt nicht oft vor, dass sich ein höchstrichterliches Urteil voll und ganz mit Volkes Meinung deckt. Bei dem Mordprozess, der seit gestern vor dem Heilbronner Landgericht neu aufgerollt wird, ist dies der seltene Fall. Nicht nur der Bundesgerichtshof, sondern auch die Bürger der Gemeinde Ebhausen hegen große Zweifel daran, dass die über zwei Jahre zurückliegende Bluttat in dem beschaulichen Ort im Kreis Calw nur Totschlag war, wie das Landgericht Tübingen in erster Instanz befand.

Was sich an jenem Februarabend 2010 hinter ihrem Feuerwehrhaus zutrug, haben die Ebhauser noch lange nicht verarbeitet. »Eher verdrängt«, sagt Bürgermeister Volker Schuler heute. Mit schier unglaublicher Brutalität war ein 15-Jähriger dort umgebracht worden. Zwei bis drei Minuten war er mit einer Kordel stranguliert worden. Weil dem Täter der Todeskampf seines Opfers zu lange ging, rammte er ihm 30 Mal ein Klappmesser in Genick und Hals. Der Junge verblutete.

Diese Tat begangen haben sollen zwei Jugendliche aus demselben Ort, damals waren sie 14 und 18 Jahre alt. Nun sitzen sie wieder auf der Anklagebank. Der Jüngere eher introvertiert, mit niedergeschlagenen Augen. Der Ältere, heute 20, sitzt seit der Tat in Untersuchungshaft und wurde zum Prozessauftakt von der Vollzugsanstalt Schwäbisch Hall nach Heilbronn gebracht. Er steht hoch erhobenen Hauptes da, keine erkennbare Reue.

Nein, er werde nicht aussagen – weder zur Person noch zum Tatvorwurf, lässt er das Gericht wissen. Der Jüngere, der vor wenigen Monaten nach einer Heimunterbringung auf freien Fuß gesetzt wurde, kündigt eine Erklärung an. Staatsanwältin Edith Zug hat damit gerechnet, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) im Oktober vergangenen Jahres das Urteil der Tübinger Jugendkammer auf Revision der Staatsanwaltschaft kassiert hatte. Die Tübinger Richter hatten den mutmaßlichen Haupttäter und seinen jüngeren Komplizen wegen Totschlags beziehungsweise wegen Totschlags durch Unterlassen zu acht und drei Jahren Haft verurteilt.

Was indes will der heute 17-Jährige erklären? Beide Angeklagten schweigen bislang. Will der Jüngere gestehen oder weiterhin alle Schuld von sich weisen? Die Öffentlichkeit wird es wohl vorerst nicht erfahren. Kaum dass die Staatsanwältin die Anklage verlesen hat, stellt der Verteidiger des 17-Jährigen den Antrag, die restlichen neun Prozesstage hinter verschlossenen Türen zu führen.

Urteil vom BGH verworfen

Mit dem Antrag wird sich die Jugendkammer am nächsten Prozesstag beschäftigen. Auch in erster Instanz in Tübingen war die Öffentlichkeit zum Schutz der jugendlichen Angeklagten ausgeschlossen worden, selbst das Urteil wurde nichtöffentlich verkündet. Zehn Monate später wurde dieses Urteil vom BGH verworfen, weil die Ablehnung des Mordmerkmals »einer tragfähigen Grundlage« entbehre, wie es hieß. Die Bundesrichter hätten den Prozess wieder an dasselbe Landgericht zurückverweisen können, nur an eine andere Kammer, machten aber von ihrer Möglichkeit Gebrauch, ein anderes Landgericht mit dem spektakulären Fall zu betrauen: Heilbronn.

Eine der Fragen, die die dortige 2. Große Jugendkammer zu klären hat, lautet: Hat der damals 14-Jährige nur gebilligt, wie der 18-Jährige sein 15-jähriges Opfer aus Rache – dessen Mutter hatte ihn wegen eines Wurfsterns bei der Polizei angezeigt – brutal erstach, oder war er sogar an der Tat unmittelbar beteiligt?

Der BGH zog in seiner Entscheidung eine Mittäterschaft des jüngeren Angeklagten am »Heimtückemord« durchaus in Betracht. Beim Opfer, das auf dem Bauch lag und sich wehrte, als es stranguliert wurde, fehlten Schürfwunden an Ellenbogen und Knien. Die Bundesrichter halten es für möglich, dass das Opfer von einer zweiten Person festgehalten wurde, als der 18-Jährige die Schlinge zuzog.

Die beiden Angeklagten waren – nach einem Wodka-Eistee-Gelage – zum Tatzeitpunkt schwer alkoholisiert. Der Ältere hatte 1,8, der Jüngere 1,2 Promille im Blut. Das Urteil soll Ende Juli gesprochen werden.