Der Bauwagen ist von außen nicht mehr so leicht als solcher zu erkennen. Foto: Mikulcic Foto: Schwarzwälder-Bote

Der Wagen am idyllischen Ortsrand von Rotfelden ist für viele Jugendliche ein zweites Zuhause

Von Sophie Rentschler

Ebhausen-Rotfelden. Wie schön wäre es, wenn man sich seine Familie aussuchen könnte. Die Bauwagenfreunde von Rotfelden haben sich diesen Wunsch fast erfüllt.

Eine eingeschweißte Gruppe von etwa 20 bis 25 Jugendlichen zwischen 16 und 25 Jahren trifft sich nahezu täglich in ihrem Bauwagen. Hier spielen sich große Teile des Freizeitlebens der Jugendlichen ab: Geburtstage und Feste wie Silvester feiert man hier, nach der Spätschicht findet man sich zusammen und grillt im Sommer unter den Sternen. Sogar ein Spanferkel drehte sich schon einmal um den Spieß über dem Grill, berichten die Jugendlichen.

Der Bauwagen steht in sicherer Entfernung zum Ortsrand von Rotfelden. Für Neulinge und Nichteingeweihte ist der Bauwagen nur schwer zu finden. Eine idyllische Hügellandschaft und weite Felder tun sich im Rücken des Bauwagens auf. Abendlicht fällt auf den Grillplatz.

Seit knapp zehn Jahren gibt es die Interessenvertretung der "Bauwagenfreunde". In fast jeder Ortschaft hat sich inzwischen eine kleine "Bauwagenfamilie" gebildet, zu der sich eine Gruppe Jugendlicher zugehörig fühlt. So auch in Rotfelden:

Ohne Strom, im Schein der Kerzen saßen sie noch vor ein paar Jahren im kleinen behaglichen Bauwagen. Die selbe Gruppe von Jugendlichen sitzt nun auf dem eigenen Grillplatz vor ihrem Bauwagen. Inzwischen erkennt man den Bauwagen kaum noch, denn die Erweiterung durch einen großzügigen Holzanbau verdeckt den Bauwagen größtenteils.

Schon nach kurzer Zeit habe der Platz im kleinen Bauwagen nicht mehr ausgereicht, so die Jugendlichen. Denn immer mehr junge Leute haben sich dort im Bauwagen treffen wollen.

So wechselte der Bauwagen mehrere Male seinen Standort und wurde mehrfach umgebaut, bis er nun seinen dritten – hoffentlich endgültigen – Standort gefunden und den letzten Umbau durchlaufen hat. Nun müssen sich die Jugendlichen nicht mehr mit der Autobatterie behelfen, um bei Dunkelheit im Bauwagen noch sehen zu können oder Musik zu hören. Dank eines Stromanschlusses gibt es nun richtiges Licht und ein großer Ofen sorgt im Winter für warme Abende.

Die Jugendlichen erzählen von den Schwierigkeiten, die sich bei der Suche nach einem festen Standort ergaben: Immer wieder gebe es Probleme mit der Genehmigung solcher Bauwägen, da privilegiertes Bauen inmitten der Felder der Landwirtschaft vorbehalten sei, sagt Thomas Baitinger, Vorsitzender der "Bauwagenfreunde". Doch mittlerweile sei der Bauwagen eine Art "geduldete Illegalität" und sowohl Gemeinde als auch Besucher könnten damit leben, sind sich Baitiger und die Jugendlichen einig.

Viele der Probleme, mit denen sich die üblichen Jugendräume und Jugendtreffs konfrontiert sehen, treten bei der Rotfelder "Bauwagenfamilie" gar nicht erst auf: "Wenn man zusammen was aufbaut, macht’s au keiner he", so einer der Gruppe. Ob es nun darum gehe, Getränke zu kaufen oder Feuer zu machen, jeder packe mit an und übernehme Verantwortung. Da sind sich alle einig: Hierarchische Strukturen seien im Bauwagen überflüssig.

Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl sei ein ganz entscheidender Punkt, meint Baitinger. Selbst wenn jemand wegen einer Ausbildung oder eines Studiums für längere Zeit wegziehe, könne er doch immer wieder zum Bauwagen, in die "Heimat", zurückkehren und sei immer herzlich willkommen. Durch diese Anlaufstelle, zu der die Jugendlichen immer wieder zurückkehren könnten, steige auch die Attraktivität der ländlichen Region, so die Ansicht der Gruppe.

Der Bauwagen ist eben mehr als nur ein "Jugendtreff", er ist Rückzugsort, Ersatzwohnzimmer, Fixpunkt und eine Art Basis für viele der jungen Leute, die sich hier tagaus tagein treffen. Fast die Hälfte der jungen Menschen, die sich oft im Bauwagen treffen, ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Auch dieses Engagement ist Ergebnis der langjährigen Freundschaften, die sich im Laufe der Bauwagen-Jahre entwickelt haben.

Rund um den Bauwagen entsteht neues Leben. So ist es auch kein Wunder, dass der Bauwagen in Rotfelden immer mehr Zuwachs bekommt. Junge Leute rücken nach, werden herzlich empfangen und in die Runde mitaufgenommen. Dass die Bauwagenkultur in Rotfelden mit der nun aktiven Generation irgendwann ausstirbt, ist also nicht zu befürchten. Es wird immer Bedarf geben für einen Gemeinschaftsraum, in dem sich Jugendliche treffen können.

Rund um den Wagenentsteht neues Leben

Wer will schon 20 wilde Jugendliche bei sich zu Hause auf dem Sofa beherbergen? Dass der Bauwagen eine gute Anlaufstelle darstellt, um gemütlich und entspannt eine Cola zu trinken, weiß auch die Polizei. Drei Mal sei es schon vorgekommen, dass ein Streifenwagen hielt und sich Cola schlürfend zu den Jugendlichen gesellte, berichten die Jugendlichen stolz.

Der altbekannte und von allen wenig geliebte Treffpunkt für Jugendliche an der Bushaltestelle im Zentrum des Orts hat nun ausgedient. Dank des Ideenreichtums vieler junger Menschen trifft man sich nun im selbstgestalteten Bauwagen. Damit können alle sehr gut leben.