In der Bildmitte verläuft eine breite Rost-Ader. Auch Spraydose und Schablone hat Sonja Schulz für ihre Collage zur Hand genommen. Foto: Schwarzwälder-Bote

Kunstkreis Oberes Nagoldtal veranstaltet für Mitglieder Malwoche / Im Alten Schulhaus geht es ganz zwanglos zu

Von Marija Mikulcic

Nagold/Ebhausen. Angehörige des Kunstkreises Oberes Nagoldtal (KKON) lassen im Alten Schulhaus Ebhausen die kreativen Kräfte fließen. Noch bis morgen wird dort das sogenannte "Sommermalen" abgehalten. Seit mehr als zwei Jahren wird die interne Veranstaltung angeboten. Bei gleichbleibend gutem Zuspruch.

Eigentlich hatte sie zu ihrer Inspirationsquelle für die offene Malwoche im Alten Ebhauser Schulhaus die Landschaft der Toskana auserkoren. Doch was Irmgard Streib bisher auf Holz und Leinwand gebannt hat, spricht eine ganz andere Sprache.

Auf einem der Werke drängen sich mehrere dunkel gehaltene Gestalten in der Bildmitte dicht aneinander. Perspektivisch vor ihnen verläuft eine dunkle Linie leicht diagonal durch das ganze Bild. Sie habe einfach nicht Toskana malen können, sagt die Nagolder Künstlerin. Thematisch hätten ganz andere Bilder sie umgetrieben. So sei etwas völlig anderes als vorgesehen auf ihre Bilduntergründe geflossen.

"Hier habe ich Steinmehle verwendet", erläutert Irmgard Streib. Gemahlene Gesteinsarten wie Marmor gehören zu den Lieblingsmaterialien des KKON-Mitgliedes. Mit Bindemittel vermengt verhelfen Steinmehle einer Bildoberfläche zu strukturellen Kontrasten. Die Oberflächenschicht in Irmgard Streibs "bevölkertem" Bild ist, der freien Empfindung der Erschafferin entsprechend, farblich in sehr gedeckten Tönen gehalten. Doch rechts oben schimmert es gelblich unter den Gesteinsnuancen in Grau hindurch. Dies ist einem für Irmgard Streib typischen Vorgehen geschuldet: "Ich mache wahnsinnig viele Schichten", beschreibt die Nagolderin eines ihrer künstlerischen Bedürfnisse. Es komme vor, dass ein Bild für einige Wochen bei ihr hänge und sie es von der Wand nehme, um noch einmal etwas zu ändern. "An einem guten Bild muss man immer arbeiten", so Irmgard Streibs Überzeugung.

An der Atmosphäre im Vereinsraum des KKON im Alten Schulhaus Ebhausen gefällt der Nagolderin besonders, dass neben dem Arbeiten her viel gelacht werde. Darüber hinaus gewinne man jede Menge Impulse für die eigene künstlerische Weiterentwicklung. "Jeder weiß irgendetwas, das der andere nicht weiß", das ist toll, so Streib. Sie ergänzt: "Man hilft sich gegenseitig."

Zwar nehmen beim "Sommermalen" in der dritten Ferienwoche allen voran Angehörige des KKON teil, doch ist der Künstler-Zusammenschluss aus dem oberen Nagoldtal auch Mitgliedern befreundeter Kunstvereine gegenüber nicht verschlossen. Auf diese Weise ist zu den diesjährigen "Sommermalerinnen" auch Sonja Schulz gestoßen. Ihre künstlerische Heimat ist an sich der Kunstverein Herrenberg. Seit zwölf Jahren gehört sie diesem an. Das Malen begleitet sie schon seit zwei Jahrzehnten.

Ihre Lieblingsdisziplin, das Malen mit Bienenwachs, hat Sonja Schulz vor einigen Jahren auf der Akademie Schloss Rotenfels in Gaggenau erlernt. Dieser auch im Rahmen des "Sommermalens" nachzugehen sei jedoch viel zu umständlich, sagt die Gast-Künstlerin. "Man braucht einen Ofen, um das Wachs heiß zu machen", erläutert sie eine der Hürden.

Der Kreativität von Sonja Schulz tut diese Einschränkung jedoch keinen Abbruch. Wie alle fünf anderen Künstlerinnen hat auch sie sich am zweiten der insgesamt fünf Tage offenen Malens für Acrylfarben entschieden. Struktur auf zwei der quadratischen Collagen, die sie erstellt hat, stellt sie mithilfe unterschiedlich beschaffener Materialien her. "Das habe ich aus einem Katalog für Stoffmuster ausgeschnitten", sagt sie. Sonja Schulz’ Zeigefinger deutet auf ein mit Farbe überdecktes Stück Stoff. Eines der "Unterhemdchen", die ein zentrales Element der Collage bilden. Auch Rost, Drucktechnik, Lacke und selbst geschöpfte Papiere haben in das Bild Eingang gefunden.

Von der Atmosphäre am Ort ist Sonja Schulz, die das "Sommermalen" zum ersten Mal besucht, ganz angetan. "Privater und familiärer" erlebe sie in Ebhausen das Schaffen. Und das, obwohl im Alten Schulhaus die Besetzung täglich eine andere ist. "Das ist ganz zwanglos hier, da gehen immer welche dazu und andere weg", veranschaulicht Irmgard Streib.

Ein Grund für die täglich andere Personenkonstellation ist das große Echo, auf das das "Sommermalen" bei Vereinsmitgliedern stößt. Im Vorfeld habe man mit Anmeldungen die Belegung an den fünf Mal-Tagen organisiert. "Damit es nicht zu viele an einem Tag werden", so Streib. Trotz intensiven und konzentrierten Arbeitens lässt sich im ersten Stock des Schulhauses das Leben in vollen Zügen genießen. Wenn der Fluss der Inspirationen einmal ins Stocken gerät, genügt nur ein einziger Blick aus dem rückwärtigen Schulhausfenster. Dann ist wieder alles am Sprudeln.