Nur noch ein Haufen Schrott ist binnen weniger Stunden von Wilhelm Breitlings Lebenswerk übrig geblieben: Ein Flammen-Inferno verwandelte den Kamelhof in einen Schrotthaufen. Foto: Fritsch

40 Jahre lang lebt Wilhelm Breitling in Rotfelden seine Kamelpassion - und verliert in einer Nacht seinen Hof und 86 Tiere.

Ebhausen - Fassungslos starrt Wilhelm Breitling in die Flammen. Gerade eben noch hat der 73-Jährige fünf Kamele aus dem brennenden Inferno gerettet. Doch jetzt kann er nichts mehr tun, muss - umringt von vielen Helfern - miterleben, wie 86 Kamele, seine Kamele, in den glühend heißen Flammen qualvoll sterben, wie sein Kamelhof trotz des Einsatzes von 100 Feuerwehrleuten binnen Stunden ein Raub der Flammen wird.

Noch gestern Mittag sind die Feuerwehrleute in Aktion, um Glutnester zu löschen, während die Ermittler der Polizei noch immer nach der Brandursache forschen. Hinweise auf die Brandursache gibt es derzeit noch nicht. Die vorläufige Bilanz, die die Polizei gestern zieht, ist dagegen klar: 86 tote Kamele, eine Million Euro Schaden; dafür wenigstens keine verletzten oder toten Menschen.

Das, was da in den frühen Morgenstunden des 31. Januar in Rotfelden, einem Teilort der Gemeinde Ebhausen im Kreis Calw, komplett niedergebrannt ist, ist nicht einfach nur Europas größte Kamelfarm, es ist sein Lebenstraum, vor dessen Trümmern der ehemalige Landwirt Wilhelm Breitling in dieser Januarnacht steht.

Die Faszination Kamel beginnt bei dem Mann aus dem Nordschwarzwald vor fast 40 Jahren. In einem Tunesienurlaub 1975 steigt er erstmals auf eines der Tiere und hat "sofort einen Bezug zum Kamel", wie er später einmal erzählt. Die Tiere lassen ihn nicht mehr los. In ihm reifen Pläne, die Tiere in seine Heimat zu holen, dort artgerecht zu halten und zu erforschen.

1987 kauft er schließlich für 7000 Mark seine ersten beiden Kamele, lässt die Tiere aus einem Zoo in Ost-Berlin über Holland in den Nordschwarzwald transportieren. Ein Tuareg aus der südlichen Sahara reitet die Tiere ein. Drei Jahre später - inzwischen hat er auf Einladung von Scheich Hamdan bin Zayed Al-Nahayan die größten Kamelrennen in den Vereinigten Arabischen Emiraten besucht - gründet Breitling den Verein "Fata Morgana", sucht und findet Mitstreiter. Und die stellen ein Jahr später in Rotfelden ein erstes Kamelfestival auf die Beine, das auf Anhieb 15 000 Besucher in den schmucken kleinen Ort lockt.

Bei der Landesgartenschau waren "Drusilla" und "Blümchen" die Stars

Breitlings Idee zieht immer weitere Kreise. Aus Kasachstan kommen Kamele in den Kreis Calw, aus den Vereinigen Arabischen Emiraten 18 Dromedare. 1997 wird Breitling einem internationalen Publikum bekannt: Zusammen mit dem Scheich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten organisiert er das erste Kamelrennen auf der Berliner Galopprennbahn Hoppegarten. 40 000 Besucher vor Ort und Fernsehzuschauer in 60 Ländern bestaunen das Spektakel. Immer wieder tauchen die Kamele in der Öffentlichkeit auf - ob nun am Brandenburger Tor oder auf der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover, wo sie faszinierte Blicke ernten.

Doch nicht alle sind von dem Mann aus dem Nordschwarzwald und seinen Kamelen fasziniert. Tierschützer demonstrieren gegen die Haltung der Tiere. In Rotfelden selbst bildet sich sogar eine Bürgerinitiative gegen den ehemaligen Ortsvorsteher und seine Kamele.

Doch Breitling lässt sich nicht beirren. Die Zucht der Tiere ist erfolgreich. Die Schar der Dromedare und Trampeltiere wird immer größer. Im Jahr 2002 entsteht der große Kamelhof. Dort will man sich nicht nicht nur auf die Zucht und Haltung der Tiere beschränken.

Die Arbeit mit behinderten Kindern - ähnlich der Delfintherapie - entwickelt sich zu einem weiteren Standbein. Mit viel Energie macht sich Breitling an die Erforschung eines ganz bestimmten Produkts der Tiere: der Kamelmilch. Nach Ansicht von Forschern - unter anderem von Professor Reuven Yagil aus Israel, der den Rotfelder Kamelhof sogar selbst besucht - kann die Milch bei Kindern Autismus heilen. Doch die Gesetze, die den Verzehr von roher Kamelmilch verbieten, legen Breitling und den Forschern Steine in den Weg. Stattdessen konzentriert man sich in Rotfelden auf die Vermarktung von Kosmetika aus Kamelmilch.

Die große Außenwirkung erreicht Breitlings Arbeit nicht durch Zucht, Therapie oder Kosmetik. Der Kamelhof wird zu einer der größten Touristenattraktionen des Kreises Calw. 80 000 Gäste - darunter rund 30 000 Kinder - finden jährlich den Weg ins kleine Rotfelden, um die Tiere zu streicheln, auf ihnen zu reiten oder den Kamelbabys die Flasche zu geben.

Ein Millionenpublikum und die Herzen vieler Besucher erreicht Breitling 2012. Bei der Landesgartenschau in Nagold sind die beiden Kamele "Drusilla" und "Blümchen" die tierischen Stars. Viele der rund eine Million Besucher machen Station am kleinen Kamelhof auf dem Gartenschaugelände, 25 000 Kinder drehen auf den beiden Tieren ihre Runden. Manche statten ihren Lieblingen fast täglich einen Besuch ab.

Zu diesem Zeitpunkt ist längst klar, dass Breitling sich altershalber aus der Arbeit auf dem Kamelhof zurückziehen will. Schon 2009 beginnt der Farm-Besitzer mit der Suche nach einem Nachfolger an der Spitze des Hofs, der mit der gleichen Leidenschaft die Sache betreibt wie er selbst. Doch die Suche gestaltet sich über Jahre schwierig.

Zuletzt bietet der passionierte Kamelfreund seine Farm für 1,3 Millionen Euro zum Verkauf an. Angesichts der erfolglosen Suche alles aufzugeben, ist für Breitling keine Option: "Man kann nicht 40 Jahre jede müde Mark und viele Stunden in ein Projekt stecken - und dann war’s das", sagte er noch vor einem halben Jahr in einem Zeitungsinterview.

40 Jahre lang hat er seine Passion Kamel gelebt, hat sie einer ganzen Region vermittelt, wollte sie an einen Gleichgesinnten weitergeben. Doch von einem Tag auf den anderen ist das alles Schall und Rauch, steht Wilhelm Breitling nur noch vor den Trümmern seines Traums vom Kamel im Nordschwarzwald.