Kokain in rauen Mengen: Die Behörden zeigten im Dezember einen Teil des 130-Kilo-Rauschgiftfunds. Foto: Weißbrod

130 Kilo Kokain im Kreis Reutlingen, 135 Kilo im Kreis Calw: Banden suchen neue Wege nach Europa.

Tübingen/Freiburg - Drogenkartelle aus Südamerika werden auf der Alb und im Schwarzwald immer aktiver. Nun stehen acht Kolumbianer in Tübingen vor Gericht. Sie sollen Kokain im Wert von vier Millionen Euro geschmuggelt haben.

In einem der größten Drogen-Prozesse seit Jahrzehnten in Baden-Württemberg müssen sich acht mutmaßliche Schmuggler verantworten. Sie sollen 130 Kilogramm Kokain nach Engstingen (Kreis Reutlingen) geschmuggelt haben. Laut Landeskriminalamt (LKA) war das bis dahin der größte Kokain-Fund im Südwesten seit mehr als 20 Jahren. Getoppt wurde er im Juli: Damals beschlagnahmte das LKA 135 Kilo Kokain im Kreis Calw. Insgesamt neun Tatverdächtige gingen den Ermittlern ins Netz, zwei davon im Nordschwarzwald.

Auch in Freiburg haben Ermittler von Zoll und Polizei im Juli Drogen entdeckt, wenn auch in geringerem Umfang: Die fünf Kilo des Rauschgifts, das auch unter dem Namen »Speed« bekannt ist, haben einen Marktwert von mindestens 75.000 Euro, wie eine Sprecherin des Zolls in Stuttgart erklärte. Mittlerweile wurden drei Männer verhaftet, die als Dealer im Verdacht stehen. Zwei 39-jährige aus Freiburg und aus Hessen wurden erwischt, als sie das Rauschgift verkaufen wollten. Ein 44-jähriger Mittäter wurde Anfang September in Freiburg verhaftet. Zwei der Männer sitzen in U-Haft, der dritte Verdächtige kam auf Kaution frei.

Auch im Fall vom Dezember 2011 ist die Staatsanwaltschaft davon überzeugt, dass die Bande den Schmuggelweg für einen florierenden Handel etablieren wollte. Kurz vor Weihnachten hatten die Handschellen geklickt. Monatelang hatten Rauschgiftfahnder zuvor in Deutschland, den Niederlanden, in Belgien und Südamerika beobachtet, wie die achtköpfige Bande neue Wege für Rauschgift nach Europa suchte. Doch auf der Suche nach Kontaktleuten in der EU gerieten sie ausgerechnet an einen verdeckten Ermittler des Landeskriminalamts.

Europa ist für Drogenschmuggel seit dem Wegfall der Grenzkontrollen zu einem attraktiven Markt geworden. »Wenn Drogen einmal im EU-Gebiet sind, kann man sie zwischen den Ländern relativ problemlos transportieren«, sagt LKA-Rauschgiftexpertin Marie-Luise Hüser.

Die klassischen Einfalltore nach Europa seien Häfen in Spanien, Belgien, den Niederlanden und in Deutschland. So kamen die Drogen-Päckchen auf einem Containerschiff getarnt zwischen legaler Ware im Hafen der belgischen Stadt Antwerpen an.

Um die Drogen vom Schiff am Zoll vorbeizuschmuggeln, bot die Bande einem Mann 250 000 Euro an – sie ahnte nicht, dass es ein verdeckter Drogenfahnder war. Als einige der Schmuggler ihre Ware im Dezember 2011 in Engstingen in Empfang nehmen wollten, griffen die Beamten zu. Ihre Komplizen wurden kurz darauf in den Niederlanden und in Spanien festgenommen. Zwei weitere mutmaßliche Täter sind auf der Flucht.

Der Prozess mit seinen acht Angeklagten, 14 Verteidigern und sechs Dolmetschern sprengt fast die räumlichen Kapazitäten des Landgerichts Tübingen. Wie lange sich das Verfahren hinzieht, ist kaum absehbar. Gleich nach Beginn legt der Prozess eine längere Pause ein. Die Verteidiger haben Zeit bis zum 9. Oktober gefordert, um Beweismaterial zu sichten, das die Staatsanwaltschaft vorgelegt hatte.