Arnim Töpel, Jongleur für Sprache und Musik, bereitete in der Zehntscheuer einen heiteren, anregenden Kleinkunstabend. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder-Bote

Arnim Töpel versieht in der Dornstetter Zehntscheuer die Mundart mit höheren linguistischen Weihen

Von Gerhard Keck

Dornstetten. So richtig klappte es nicht mit dem Kanon zum Abschluss. Dabei hatte es der "letzte Kanonfreund" Arnim Töpel mit dem Publikum in der voll besetzten Zehntscheuer in Dornstetten zuvor eingeübt, getrennt nach den Geschlechtern.

Vielleicht wollte den durchaus sangesfreudigen Besuchern auch der Text nicht so glatt über die Lippen – er klingt ja auch nicht gerade schmeichelhaft: "Irgendwie sind wir alle kleine Ä…e, hässlich und gemein…"

"Nur für kurze Zeit", lautete der Arbeitstitel für Töpels Auftritt, aber er währte dann doch gut zwei Stunden. Das war keine Minute zu viel, denn der "Babbler", Entertainer und preisgekrönte Künstler, dessen "Muttersprache zwar Hochdeutsch" ist, der sich aber durch und durch identifiziert mit seiner "Heimatsprache Kurpfälzisch", ist ein Meister seines Fachs. Beide Kommunikationsschienen beherrscht er aus dem Effeff, was er sowohl als ehemaliger Rundfunkmoderator als auch auf der Kleinkunstbühne längst bewiesen hat.

Letztere bedient er seit rund 15 Jahren mit rund neun Programmen, und in Dornstetten, so versprach er nach Einführung durch Kulturamtsleiterin Carolin Baier, "lebt heute der Blues". Arnim Töpels Extremitäten sind unablässig in Bewegung, rasant beackert er die Tasten des Elektroklaviers, bearbeitet souverän mit kalkuliertem Understatement den elektrischen Bass und kann sich der Wirkung seiner sonoren Stimme gewiss sein.

Töpel, nach etlichen Jahren wieder zu Gast in der Zehntscheuer, behauptet, das Publikum habe sich verjüngt, aber verändert hat sich mit Sicherheit er selbst – ein Bart ziert sein ansonsten nicht mit Haarpracht gesegnetes Haupt.

Sein Programm, wie könnte es anders sein, greift mitten hinein ins pralle Leben mit seinen Missverständnissen, Unzulänglichkeiten und Macken. Was in der Hochsprache eher hölzern-bedächtig klingen würde, gewinnt im kurpfälzischen Slang einen eigenen Charme. Der Besucher fühlt sich in die Heidelberger Innenstadt hineinversetzt und den fremdartig gedehnten Lauten ausgesetzt. Töpel zelebriert sie und weiß, wie sie im Schwäbischen ankommen, aber das ist nicht gehässig gemeint, sondern eine ganz eigene Form einer Liebeserklärung. "Bisch dabbich?", fragt man da, sofern man Inkompetenz unterstellt, und "Wem ghörsch’n du?", wenn man den Namen wissen will.

Sprache unterscheide die Menschen, ist sich Arnim Töpel sicher, wobei er bezweifelt, dass jeder Satz zuvor "gedacht" worden ist, bevor er über die Lippen kullert. Auch die Zeichensprache habe sich inzwischen manifestiert, allerdings mit der Einschränkung, dass viele nur die Signifikanz des Mittelfingers beherrschen.

Der Kurpfälzer ist kein Freund vieler Worte, damit dem Schwaben artverwandt, und steht sich dadurch mitunter selbst im Weg. Ach ja, das Leben ist voller Fallstricke: Allergien verhageln die Lebensqualität, Erziehungsmuster verhunzen den Weg in die Selbstständigkeit, Lehrer verschanzen sich hinter Verteidigungslinien ("Wie überstehe ich die Elternversammlung, ohne in den Tisch zu beißen?"), Verästelungen der Patchwork-Konstellationen lösen schiere Verzweiflung aus. Die Alt-68er sind inzwischen 70 und grölen noch immer: "I Can’t Get No Satisfaction!".

Töpel pflegt die Mundart auch in den beiden Krimis, die er geschrieben hat und aus denen er passagenweise zitiert. Ja, dieses Kurpfälzisch ist schon recht sexy, und das Publikum zeigt sich angeturnt. Arnim Töpel ist ein Intellektueller, von dem sich der Zuhörer angesprochen fühlen darf. Dadurch unterscheidet er sich angenehm von so manchem unter den zahllosen Bühnenakrobaten für Comedy, Kabarett, Blödelei und Gedöns.