Wo der Zug künftig in Dornstetten hält, das könnte sich heute entscheiden. Foto: SB-Archiv

Bürgerinitiative fordert: Stadträte sollen bei Entscheidung über künftigen Haltepunkt Rückgrat zeigen.

Dornstetten - Die einen befürchten »Umfaller«, andere reden von der Entmündigung des Gremiums: Mit der für heute geplanten Abstimmung des Dornstetter Gemeinderats über die strittigen Bahnhaltepunkte sind auch die Krisenherde der Stadt wieder entfacht.

Altes Buch, neues Kapitel: Gut ein Jahr ist es her, dass Reinhard Bickelhaupt, Chefplaner der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG), die Akte Dornstetten in seinem Stapel nach unten geschoben hat. Nun liegt der Streitfall wieder oben auf. An der Haltung der Bahn, so befürchten viele Gemeinderäte, dürfte sich aber wohl nichts geändert haben. Die favorisierte damals den Standort »Heselwiesen neu« als Bahnhaltepunkt in Dornstetten sowie einen Haltepunkt in Aach. Während sich die Räte bei Aach einig waren, konnten sich jedoch viele mit dem Favoriten der Bahn in Dornstetten nicht anfreunden.

Die Mehrheit befürwortete den Standort »Heselwiesen alt«, nicht zuletzt, weil er zentraler liegt. Doch die Bahn winkte ab: Ein Planfeststellungsverfahren werde es für diesen Standort nicht geben, vor allem deshalb nicht, weil der Haltepunkt in einer Kurve liegen würde. Sollten sich die Räte nicht mit »Heselwiesen neu« anfreunden, werde es vorerst beim bisherigen Bahnhof bleiben, und Aach gehe leer aus, da der Abstand zwischen dem dort geplanten Haltepunkt und dem alten Dornstetter Bahnhof zu gering sei, hieß es von der Bahn. Eine Haltung, die schon damals viele Räte auf die Palme brachte. Die Abstimmung über den Bahnfavoriten endete denn auch mit einer Pattsituation: Damit war »Heselwiesen neu« abgelehnt und die Stimmung auf dem Tiefpunkt.
Werner Wennagel will Konsequenzen ziehen

»Erhebliche Kritik« an der Verfahrensweise

Heute soll der zweite Versuch gestartet werden, doch die Stimmung scheint nicht besser: »Die Bahn sollte nicht arbeiten wie eine Behörde zu Kaiserzeiten«, schimpft Erwin Wetzel (Freie Bürger). Er kenne viele Haltepunkte, die in einer Kurve liegen, sagt er, und lässt dieses Argument nicht gelten. Auch im Eisenbahnbaugesetz habe er nichts gefunden, was dem Bau am Standort »Heselwiesen alt« entgegensteht, denn eine Gefahrensituation sei dort nicht gegeben. Wetzel übt zudem »erhebliche Kritik« an der Verfahrensweise: »Wenn Herr Bickelhaupt behauptet, den Haltepunkt gegebenenfalls auch ohne Votum des Gemeinderats umzusetzen zu können, wäre das ein Verstoß gegen das Planfeststellungsrecht«, so Wetzel. Dort seien die Beteiligung der Gemeinde und die Berücksichtigung städtebaulicher Belange ausdrücklich vorgesehen.

Für den Stadtrat ebenfalls ärgerlich: Vergangenes Jahr wurde für den Bahnfavoriten ein Verkehrsgutachten erstellt, der Alternativwunsch des Gemeinderats sei aber nicht geprüft worden. Wetzel wird heute für »Heselwiesen alt« stimmen und unterbricht dafür sogar seine Kur. Er will sich keine »Basta-Politik« gefallen lassen: »Ich sehe die bisherige Vorgehensweise der Bahn als Entmündigung des Gemeinderats an.«

Ärger auch bei Werner Wennagel (Freie Wähler/CDU): »Wir bekommen Druck von allen Seiten, von der Bahn und von der Verwaltung, die zwei Haltepunkte will.« Bei der Abstimmung heute werden einige umfallen und für »Heselwiesen neu« stimmen, schätzt er: »Die halten diesen Druck nicht aus.« Für ihn selbst gilt das nicht: »Ich bleibe beim Standort Heselwiesen alt.« Dort sei der Haltepunkt ideal, das sehe auch die Mehrheit der Dornstetter so: »Ich habe in der Stadt noch keine fünf Fürsprecher für ›Heselwiesen neu‹ gehört«, sagt er und bedauert die »starre Haltung« der Bahn, die die Interessen der Bevölkerung nicht berücksichtige.

»Schließlich müssen wir die nächsten 50 Jahre mit diesem Haltepunkt leben«, so Wennagel. Für ihn hat die Sache ohnehin einen Beigeschmack: »Hier geht es anscheinend nicht um Argumente, sondern um einen Machtkampf zwischen der Bahn und den Befürwortern von ›Heselwiesen alt‹.« Er jedenfalls will aus der Diskussion die Konsequenzen ziehen und sich bei der nächsten Gemeinderatswahl nicht mehr zur Verfügung stellen: »Wenn man so unter Druck gesetzt wird und nicht mehr frei entscheiden kann, geht die Freude am Amt verloren.«

Stadtrat Hermann Friedrich hofft auf eine knappe Mehrheit für den Standort »Heselwiesen neu«. Er hält ihn für gut: »Die Anbindung des Bereichs Brunnenberg und der Schulen ist dort besser.« Sollte diese Entscheidung heute nicht fallen, wird laut Friedrich die Enttäuschung in Aach »riesig« sein.

Joachim Kumms Fraktion (SPD) hat schon vor einem Jahr für »Heselwiesen neu« gestimmt, dabei wird es bleiben, meint er. Zwar hält er den Standort »Heselwiesen alt« für besser, aber nachdem die Bahn diesen ablehnt, sieht er keine Alternative: »Das ist das K.-o.-Kriterium.« Ganz nachvollziehen kann er die Ablehnung allerdings nicht: »Ich kenne viele Haltepunkte, die in einer Kurve liegen und hätte mir gewünscht, dass sich die Bahn da etwas bewegt«, so Kumm.

Die Bürgerinitiative »Bürger für Dornstetten« hofft auf die Standhaftigkeit der Stadträte: »Ich glaube, dass die Mehrheit im Gemeinderat mit dem Standort ›Heselwiesen neu‹ nicht glücklich ist«, sagt Michael Wünsch und hofft, »dass die Gemeinderäte Rückgrat zeigen und sich dem Diktat der Bahn nicht beugen«. Schließlich würden mit der Entscheidung über den Bahnhaltepunkt Teilfakten geschaffen, ohne dass ein städtebauliches Gesamtkonzept vorliege. Ein solches Konzept hatte die Bürgerinitiative bereits vor einem Jahr gefordert.