Ortsvorsteher Wolfgang Vielsack hat die Ortschronik in einem Rutsch durchgelesen. Foto: Cools Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Neue Ortschronik von Weiden beschäftigt sich mit Kriegsende / Aufschriebe Römpps

Geschützdonner, Totalausverkauf und Panzerfallen – der bekannte Chemiker Hermann Römpp hat all das in seinen Tagebüchern niedergeschrieben und liefert damit ein klares Bild von Weiden im Jahr 1945. Festgehalten ist dieses in der neuen Ortschronik.

Dornhan-Weiden. Dienstag, 17. April 1945: "In der Nacht vom 16./17. April hörte man in der Ferne Kanonendonner, der die Fensterscheiben und Türen leicht erklirren lässt, sodaß man meinen könnte, es rüttle jemand an einer entfernten Türe".

Die Ausführungen Hermann Römpps sind von zeitlichen Sprüngen und Schachtelsätzen und unterschiedlichen Beschreibungen geprägt, aber gerade das macht sie so authentisch, hat er die Aufschriebe doch seinen Gedanken nach gefertigt. Römpp war während des Kriegsendes und der Besetzung Weidens durch die Franzosen Augenzeuge. Alles, was geschah, schrieb er feinsäuberlich in sein Tagebuch und übertrug es am 5. Juni 1945 in die Ortschronik Weidens.

Dort hat Weidens Ortsvorsteher Wolfgang Vielsack sie entdeckt und sich praktisch daran festgelesen. "Römpp war ein akribischer Chronist", sagt er freudig ob dieser historischen Entdeckung bei der sonst mauen Quellenlage.

Auf Spurensuche i m Archiv

2015 habe man bereits festgestellt, dass Weiden im Dornhaner Chronikbuch ein wenig zu kurz gekommen sei. Seitdem hat ihn das Thema nicht mehr losgelassen. Er war aber nicht der Erste, der die Aufschriebe Römpps entdeckt hat. Vielsacks Vorgänger Hans Römpp habe sie bereits abschreiben lassen, aber im Urzustand belassen.

Die eigens für Weiden erstellte Chronik sei 2015 mithilfe von Aufschrieben des Pfarrers Friedrich August Köhler aus dem Jahr 1815 erschienen. Dieser war in Marschalkenzimmern und Weiden tätig und ein eifriger Schreiberling.

Heimatforscher Karl Kimmich aus Aistaig hatte sich den Notizen angenommen, diese geordnet und in einen Kontext gestellt. Mehr als 90 Exemplare waren von der ersten Chronik verkauft worden. Nun tritt Kimmich wieder auf den Plan – und das völlig ehrenamtlich.

Das nun fertiggestellte Exemplar beschäftigt sich explizit mit dem Kriegsende in Weiden, nämlich mit den Tagen vom 6. bis zum 21. April 1945. Neben Römpps Aufschrieben galt es auch, im Staatsarchiv in Stuttgart und anderen Aufschrieben, wie denen von Pfarrer Köhler oder der Festschrift zum Michaelishaus in den 1960er-Jahren, auf Spurensuche zu gehen. Eine Arbeit, mit der Kimmich vor gut zwei Jahren begonnen hat. Es galt, Schachtelsätze zu entwirren und Bilder aufzutreiben. "Das war gar nicht so einfach, denn die Franzosen haben den Leuten hier die Fotoapparate weggenommen", weiß Vielsack um die Herausforderung. Fündig geworden sei man vor allem in Hans Römpps Privatarchiv.

Wichtig sei, dass die Chronik keine Biographie Römpps darstelle, sondern dass dessen Aufschriebe nur dazu benutzt wurden, um ein möglichst realitätsgetreues Bild von Weiden zum Kriegsende zu zeichnen. "Manche können sich vielleicht daran erinnern, andere bekommen einen Eindruck, wie das Leben zu dieser Zeit in ihrem Ort war", betont Vielsack, wie wichtig ihm die Historie ist.

H ilfreich sei dabei nicht nur die Ordnung, sondern vor allem Kimmichs Kommentare, die heute nicht mehr gebräuliche Begriffe erläutern. Zudem habe er die Ereignisse in Kontext zu anderen Situationen in der Region gesetzt. "Bei den ganzen Vergewaltigungen, die anderorts an der Tagesordnung waren, sieht man, dass Weiden verhältnismäßig glimpflich davongekommen ist", sagt Vielsack, der die Chronik in einem Rutsch durchgelesen hat. Römpp habe mit seinen Französischsprachkenntnissen auch mal dazu beigetragen, Konflikte abzuwenden.

Packende Schilderungen

Römpp zeichnet in seinen Aufschrieben ein recht klares Bild, beispielsweise vom Totalausverkauf in den Geschäften in Dornhan, damit der Feind beim Einzug keine vollen Lager vorfindet. Dann berichtet er packend von der Besetzung am 19. April 1945: "Bald hörte man auch einige Maschinengewehrschüsse, die einen viel höheren, helleren Klang hatten, als unsere MG. Kein Zweifel, die Franzosen sind in unserem Dorf angekommen!".

Von der neuen Chronik existieren bislang 50 Exemplare, die für 9,50 Euro ab sofort in der Geschäftsstelle im Weidener Rathaus und im Bürgerbüro in Dornhan erhältlich sind. Sollte sie Anklang finden, denke man auch über einen zweiten Teil nach.

1901 als einfacher Bauernsohn in Weiden geboren, erlangte Hermann Römpp in Esslingen die Hochschulreife. In Tübingen studierte er von 1922 bis 1926 Naturwissenschaften und machte seinen Doktor. Später schuf er das "Römpp Chemie Lexikon". 1933 brachte er – dem Zeitgeist und seiner unfreiwilligen Mitgliedschaft in der NS-Lehrerschaft geschuldet – auch ein Buch mit dem Titel "Vererbungslehre und Rassenkunde für Jedermann" heraus, distanzierte sich später aber deutlich von der nationalsozialistischen Ideologie. 1945 ging er zurück nach Weiden und widmete sich schriftstellerischen Tätigkeiten.