Ein Wolf ist auf der Baar-Hochfläche gesichtet worden – zur Freude der Forscher. Schäfer dagegen sind besorgt. Foto: FVA

Wissenschaftler sind elektrisiert, Schäfer besorgt: Raubtier wandert zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb umher.

Donaueschingen - Forscher sind elektrisiert, Schäfer besorgt – zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb wandert ein Wolf umher. Experten wollen nun mit kriminalistischem Spürsinn mehr über das Tier in Erfahrung bringen.

Der Wolf trottet über ein Feld auf der Baar, er wirkt schwach. Ein Spaziergänger hat ihn gefilmt und damit die Sensation festgehalten: Zum ersten Mal seit 150 Jahren wurde ein lebender Wolf in Baden-Württemberg nachgewiesen. Auch zwei Autofahrer sehen ein wolfsähnliches Tier und fotografieren es. Ob es sich um dasselbe Tier handelt, ist jedoch unklar.

"Es scheint so, dass es ihm nicht ganz so gut geht", sagte Andre Baumann, Wolfsexperte und Staatssekretär im Umweltministerium, gestern. Vermutlich habe das Tier eine Verletzung am Fuß. Über die Sichtung freue man sich im Land – "weil Wölfe zu Deutschland und Baden-Württemberg gehören". Schafzüchtern und manchen Spaziergänger jagt die Nachricht eher Angst ein.

Ersten Vermutungen zufolge handelt es sich um ein eher junges Tier, das wahrscheinlich aus der Schweiz eingewandert ist. Das sagte der Leiter des Arbeitsbereichs Wildtierökologie bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA), Rudi Suchant, gestern. Auch die Vogesen oder gar Siedlungsgebiete im Osten Deutschlands seien als Herkunft nicht ausgeschlossen – ein Wolf lege am Tag 100 Kilometer zurück.

Hinweise aus Bisswunden

Wie man es aus Krimis kennt, könnten Haare oder Speichel in einer genetischen Untersuchung viel über den Unbekannten verraten. Am Ort der Beobachtung danach zu fahnden, gleiche aber der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen, sagte Suchant. Deshalb setze die FVA auf Jäger, die gerissene Tiere melden. "An der Bisswunde können wir Speichelproben nehmen." So könnte bald mehr über den ersten wilden Wolf im Südwesten bekannt werden – den ersten, der lebt. Zwei Wölfe wurden im vergangenen Jahr tot gefunden. Sie waren Brüder aus der Schweiz, wie Analysen ergaben. Und schon mehrfach wollen Autofahrer Wölfe erkannt haben.

Bei den Schäfern wächst derweil die Sorge, die die Verantwortlichen im Zaum zu halten versuchen. "Wir müssen nicht in Hysterie verfallen", sagte der Vorsitzende des Landesschafzuchtverbands, Alfons Gimber. "Vielleicht ist es nur ein Durchreisender." Der Verband habe aber alle Schafzüchter im betroffenen Gebiet bei Donaueschingen über die Sichtung des Wolfs benachrichtigt und ihnen geraten, ihre Netze und Elektrozäune in Ordnung zu halten. "Mehr können wir nicht machen."

Ein Wolfs-Riss-Fonds von Naturschutzverbänden und Landesregierung ist mit 10 000 Euro gefüllt, mit denen Schäfer entschädigt werden können, wenn der Wolf zugeschlagen hat. Auch der Landesjagdverband rät zur Gelassenheit: "Ein Wolf ist nicht das Ende der Wildbestände", sagte Wildbiologe Klaus Lachenmaier.

Kaum Gefahr für Menschen

Dass der Wolf Menschen angreift, sei "extrem unwahrscheinlich", wie Wolfsexperte Suchant sagt. "Der Wolf muss vor uns mehr Angst haben als wir vor ihm", sagte auch Staatssekretär Andre Baumann. Im April ist allerdings in Niedersachsen Wolf "Kurti" mit offizieller Erlaubnis erschossen worden, nachdem er sich mehrfach Menschen genähert und sogar einen Hund angegriffen hatte.

Wo sich der baden-württembergische Wolf jetzt befinde, ist nach Angaben der FVA unklar. Suchant vermutet, dass er sich auf der Suche nach einem ruhigen, geschlossenen Waldgebiet befindet.