Der Donaueschinger Gerhard Hassler hat auch nach 25 Jahren in Australien die Muttersprache nicht verlernt

Von Walter Nägele Donaueschingen/Blackheath. Stolz und breit grinsend präsentiert Gerhard Hassler seine Schwarzwälder Kirschtorte. "Die müsst ihr probieren", sagt er. "Die mache ich heute noch so, wie ich es von meiner Mutter gelernt habe."

Der Dialekt ist dem gebürtigen Donaueschinger auch nach 25 Jahren in Australien nicht abhanden gekommen. In seinem badisch-schwäbisch-englischen Sprachmix klingt vereinzelt immer wieder ein "woisch" oder "gell" durch.

Über Essen unterhält sich Gerhard Hassler gerne, vor allem über richtiges, gesundes. Der 46-jährige ist Besitzer des einzigen vegan/vegetarischen Cafes in den australischen Blue Mountains. Knapp zwei Autostunden von Sydney entfernt gehört das Gebiet zu den beliebtesten Ausflugszielen in Australien. Auf einer Fläche die in etwa der Größe des Saarlands entspricht, leben rund 75 000 Menschen. "From Black Forrest to Blackheath", witzelt Hassler über seinen Werdegang.

Mit "Cafe Memento" in eine neue Existenz

Blackheath liegt mit seinen 4500 Einwohnern im Herzen des Nationalparks Blue Mountains. Hasslers "Café Memento" ist verkehrsgünstig gelegen, an der Zufahrt zum Park. "Manche Gäste kommen nur wegen meiner Spätzle aber unterm Strich bekommen sie viel mehr. Richtig gutes, gesundes Essen, nicht das ungesunde Industriefutter, das viele Australier essen." Hassler ist Vordenker, Querdenker, Visionär und Pionier – aber kein Phantast.

"Auch hier hat man aus all den Lebensmittelskandalen nichts gelernt. Immer noch werden die Tiere gemästet und mit Antibiotika hochgezüchtet. Die meisten Bio-Produkte werden aus China importiert. Wie soll der Verbraucher dabei nachprüfen, ob das wirklich Bio ist?" Bei diesem Thema läuft Gerhard Hassler auf Hochtouren.

"Bei diesem Spiel mache ich nicht mehr mit, habe ich mir gesagt." Der Exil-Badener suchte sich seine eigenen Bio-Lieferanten und entwarf mit Ernährungsexperten vegan/vegetarische Gerichte.

Im Öschberghof hatte er seine Ausbildung absolviert. Der Wandel vom Koch zum Chef eines veganen Cafés hat auch bei ihm seine Zeit gedauert. Im Hotel Öschberghof in Donaueschingen absolvierte er eine grundsolide Ausbildung zum Koch.

Doch schon bald wurde ihm der Schwarzwald zu eng und klein. "Ich fühlte mich wie ein ganz kleines Rädchen in einem großen Uhrwerk. Darauf hatte ich keine Lust." Er zog nach Schottland, verfeinerte seine Kenntnisse und strandete schließlich in Australien. Sein erstes "Café Memento" eröffnete er 1988 in der Nähe von Bondi Beach, einem der bekanntesten Strände Australiens. Als der Ort immer mehr Touristen anzog und die Mieten in die Höhe schossen, siedelte er mit seinem Café in die Blue Mountains um. Hier macht er nicht nur durch seine ungewöhnliche Speisekarte von sich reden. So bezahlt er beispielsweise seinen Angestellten ordentliche Tariflöhne, Überstunden und Feiertagszuschläge. Eine Ausnahme in Australien, denn der Service wird hier üblicherweise von ungelernten, unterbezahlten Aushilfskräften geleistet. Der Energiebedarf für sein Cafe stammt zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen und die Recyclingquote liegt bei 70%. Tatsächlich eine Seltenheit in einem Land, das in Sachen Nachhaltigkeit noch in den Kinderschuhen steckt. Erst vor 5 Jahren hat Australien das Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1997 unterzeichnet. Eine OECD-Studie bescheinigt dem Land erheblichen Nachholbedarf in Umweltfragen. Bei einer entsprechenden Studie unter allen Industrienationen landete Down Under abgeschlagen auf einem der hinteren Plätze und gilt gleichzeitig als sechstgrößter Verursacher des Treibhausgases Kohlendioxid. Gerhard Hassler zeigt aber in Blackheath, dass jeder einzelne etwas tun kann und geht mit gutem Beispiel voran. Mit einem Teil seines Gewinns unterstützt er Amnesty International, Greenpeace, PETA und die lokale AIDS-Hilfe.

"Die Leute können auch einmal zwei Tage ohne Restaurant auskommen und die Mitarbeiter sollen bei ihren Familien sein, das ist viel sinnvoller. So bleibt der Mensch in der Balance." Anfangs wurde er von anderen Gastronomen noch misstrauisch beäugt. Wer lässt sich schon gerne das lukrative Festtagsgeschäft entgehen? Mittlerweile sind schon acht Restaurants in Blackheath seinem Beispiel gefolgt. Auch jetzt an Ostern wird es wieder so sein. Vielleicht stellt Gerhard Hassler dann in einem ruhigen Moment fest, dass sich zwar das kleinstädtische Leben in Blackheath nicht viel vom Schwarzwald unterscheiden – aber dass er ganz sicher kein kleines Rad im Uhrwerk mehr ist.