Zum geplanten Prozess vor dem Landgericht Konstanz ist es gestern nicht gekommen. Foto: Seeger

Wird Messerattacke ein Fall fürs Jugendgericht? Staatsanwältin fordert Altersgutachten.

Donaueschingen/Konstanz - Mit einer unangenehmen Überraschung wartete ein aus Algerien stammender Asylbewerber gestern in einem Prozess vor dem Landgericht Konstanz auf. Dort sollte er sich unter anderem wegen eines bewaffneten Raubüberfalls in Donaueschingen verantworten. Bislang war man davon ausgegangen, dass man es mit einem Beschuldigten zu tun hatte, der zu den Tatzeitpunkten zwischen Februar und August vorigen Jahres 22 Jahre alt war.

Bei seiner Registrierung in Deutschland war als Geburtsdatum der 5. Oktober 1993 angegeben. Somit wurde er auch als Erwachsener vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts angeklagt. Seit vier Monaten sitzt er in Untersuchungshaft. Im Prozess übersetzte ein vereidigter Dolmetscher. Als der Angeklagte nach seinen Personalien gefragt wurde, behauptete er plötzlich, er sei am 15. Oktober 1997 geboren und somit erst 19. Wenn das stimmt, fällt er als Heranwachsender unter das Jugendstrafrecht und die Anklage muss vor einer Jugendkammer verhandelt werden.

Erfolglos versuchte das Gericht gestern durch verschiedene Fragen festzustellen, ob ein Irrtum vorliegen könnte. Der junge Mann bestätigte, dass er neun Geschwister habe und selbst mit 19 Jahren der Zweitjüngste sei. Aus den Akten war zu entnehmen, dass er schon anlässlich anderer Befragungen jeweils unterschiedliche Altersangaben gemacht hatte. Dazu meinte er jetzt, er habe immer sein korrektes Geburtsdatum angegeben, die Fehler müssten die Dolmetscher oder Sachbearbeiter gemacht haben. Ausweispapiere konnte er nicht vorlegen. Er behauptete, er habe sein Heimatland bereits als 17-Jähriger verlassen, um auf einem Boot nach Europa zu fliehen.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft glaubte dem jungen Mann nicht. Sie bezeichnete seine Behauptung als "Rettungsversuch", um nach dem deutlich milderen Jugendrecht verurteilt zu werden. Nach eingehender Beratung beschloss das Gericht, das Verfahren an die Große Jugendkammer des Landgerichts weiterzuleiten.

"Es ist nicht auszuschließen, dass er noch Heranwachsender ist", begründete das Gericht seine Entscheidung. Damit war der Prozess geplatzt. Nun müssen alle Beteiligten, denen gegenüber der junge Algerier Altersangaben gemacht hat, noch einmal befragt werden. Außerdem soll ein gerichtsmedizinisches Sachverständigengutachten zur Altersdiagnostik eingeholt werden. Für den Angeklagten könnte dies von großer Bedeutung sein.

Allein für den bewaffneten Raubüberfall müsste er im Fall einer Verurteilung nach Erwachsenenrecht mit einer Mindeststrafe von fünf Jahren rechnen.

Nach Jugendrecht, das in erster Linie dem Erziehungsgedanken verpflichtet ist, wäre für den Angeklagten eine deutlich mildere Strafe zu erwarten. Bis ein neuer Verhandlungstermin feststeht, können gut zwei Monate ins Land gehen.

Die Anklage

Die Staatsanwaltschaft wirft dem jungen Mann vor, in einer Augustnacht vorigen Jahres in Donaueschingen einem 49 Jahre alten Passanten 500 Euro geraubt zu haben. Dabei soll er den Mann mit einem Messer verletzt haben, so dass dieser im Krankenhaus behandelt werden musste. Ein halbes Jahr zuvor soll er versucht haben, einen Mitarbeiter in der Erstaufnahmeeinrichtung an der Friedhofstraße mit Rasierklingen zu verletzen, die er in seiner Mundhöhle versteckt hatte. Laut Anklage kam es zu der Auseinandersetzung nachdem man ihm das Taschengeld verweigert hatte, weil er keine Röntgenaufnahme vorweisen konnte. Außerdem wird ihm der Diebstahl von Lebensmitteln und Spirituosen im Wert von rund 20 Euro vorgeworfen.