Mitglieder der Freundeskreises Vác bei der Führung im Kloster Pannonhalma im Rahmen der Ungarn-Reise 2014. Foto: Zimmermann Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Pfohrener wanderten vor 300 Jahren nach Ungarn aus / Geordnetes Leben kaum möglich

Auf der Suche nach einem besseren Leben wanderten 28 Pfohrener vor 300 Jahren nach Ungarn aus.

Donaueschingen-Pfohren. Können wir uns vorstellen, selbst Flüchtling zu sein? Diese Frage drängt sich bei der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion des Flüchtlingsthemas geradezu auf.

Manche haben diese leidvolle Erfahrung am Ende des Zweiten Weltkriegs selbst machen müssen und wissen, was es heißt, Flüchtling zu sein. Die Jüngeren kennen solche Schicksaale nur vom Hörensagen. Der Rückblick in die Pfohrener Geschichte im Rahmen der 1200-Jahr-Feier zeigt, dass auch Pfohrener schon ihre Heimat verlassen mussten. Nach heutigem Sprachgebrauch würde man sie in die Schublade der Wirtschaftsflüchtlinge einordnen. Menschen also, die bei ihrer Suche nach besseren Lebensbedingungen bei ihren Mitmenschen oft nicht das notwendige Verständnis finden.

Vor rund 300 Jahren waren Not und Elend im ersten Dorf an der jungen Donau aber so groß, dass die Menschen, die damals hier lebten, lieber die Gefahren einer langen Reise und eine ungewisse Zukunft in Kauf nahmen, als in ihrem kleinen Dorf auf bessere Zeiten zu warten, die aus ihrer Perspektive nicht auszumachen waren. Von Pfohren aus über Ulm und Wien führte sie der Weg nach Ungarn, das damals Teil des großen Vielvölkerstaates des in Wien residierenden Kaisers und Königs aus dem Hause Habsburg war. Die meisten Mitglieder der Auswanderer-Gruppe aus Pfohren verloren dabei ihr Leben, bevor sie das angestrebte Ziel erreicht hatten. Im Gegensatz zu vielen heutigen Flüchtlingen ertranken sie zwar nicht im Mittelmeer, starben aber unterwegs an der Pest.

Zu Hause in Pfohren war damals ein geordnetes Leben kaum noch möglich. Der Dreißigjährige Krieg lag noch nicht lange zurück und weitere Kriege sowie einquartierte Soldaten – österreichische und französische – auf dem Weg zu irgendeinem Kriegsschauplatz, die zu verpflegen waren, Missernten und Krankheiten bewirkten Not und Aussichtslosigkeit. Als am 25. August 1704 französische Soldaten auf dem Rückzug nach der verlorenen Schlacht nahe den bayerischen Orten Höchstädt und Blindheim in Pfohren Feuer legten und dabei das halbe Dorf abbrannte, war der Tiefpunkt der Verelendung erreicht. Jetzt fielen auch in Pfohren die Versprechungen, die Gerüchte über ein Leben in bescheidenem Wohlstand und Würde und völliger Abgabenfreiheit, auf fruchtbaren Boden.

28 Menschen – sechs Familien und vier Einzelpersonen – folgten deshalb gerne und zuversichtlich dem Ruf der habsburgischen Werber und machten sich 1712 mit Sack und Pack auf in das gelobte Land, das damals Ungarn hieß. Nach einer langen und beschwerlichen Reise haben diese Ungarn zwar erreicht, dort aber, wie bereits erwähnt, nicht das Glück, sondern den Tod gefunden.

In dem kleinen Dorf Écs, es liegt am Fuß des Martinsberges, auf dem das berühmte Benediktiner-Kloster Pannonhalma thront, erreichte sie die Pestepidemie, die sich damals in Ungarn vom Süden nach Norden ausgebreitet hatte. 22 Pfohrener starben an dieser Krankheit und nur sechs Personen der Auswanderergruppe überlebten. Drei kehrten nach Pfohren zurück. Im Sterbebuch der Pfarrei findet sich dazu folgender Eintrag: "Zum Exempel der vielen Tausenden, die von uns weg und in die ungarische Fruchtbarkeit ziehen, sind von jenen Unglücklichen zurückgekommen Georg Ackermann und Adoptivtochter Magdalena und haben weinend das elende Schicksal ihrer Reisegenossen berichtet. Niemand von allen sei mehr übrig als Margarete Heiler, Martin Schorndorfer und deren Tochter Anna. Die anderen seien von der Pest dahingerafft. Sie seien gestorben im Kloster Martinsberg an der Raab und im Dorf Écs eine halbe Meile davon entfernt. Am 10. Juli 1713 findet sich noch Bartel Martin aus Ungarn ein, den mit halber Haut wir heut auch zu sehen bekommen, zusammengebrochen unter den Enttäuschungen und Schicksalsschlägen."

Kontakte mit dem Pfarrer im ungarischen Dorf Écs wurden von Pfohren aus erstmals 2001 geknüpft. Bei seiner Fahrt in die ungarische Partnerstadt Vác gedachte der Pfohrener Kirchenchor am 28. April 2001 in der Kirche von Écs den dort vor 300 Jahren verstorbenen Pfohrenern. Vom Pfarrer in Écs erhielt die Reisegruppe aus Pfohren auch Archiv-Dokumente.

 Der Festakt: Zum Jubiläum gibt es am 3. Juni, 20.30 Uhr, in der Festhalle ein Festbankett. Festredner ist Peter Erhardt, Leiter des Stiftarchives St. Gallen. Hier wird auch das neue "Buch der Pfohrener" vorgestellt.

  Das Mittelalter-Fest: Vom 30. Juni bis 2. Juli wird das Dorfjubiläum gefeiert. Rund um die Entenburg erleben die Besucher eine Zeitreise ins Mittelalter: Handwerk, Handel und Schausteller von einst werden ihre Zelte um die alte Burg aufschlagen. Neben dem Marktgeschehen wird es eine Raubvogelschau, eine Feuer-Show oder auch Schwertkämpfe geben. Auf zwei Festbühnen gibt es musikalische Unterhaltung. Hauptattraktion ist am Samstagabend die Band Metusa mit ihrem Mittelalter-Rock.