Die Meldeanlagen retten Leben – wie zuletzt im März, als durch eine solche Einrichtung die behinderten Bewohner im Allmendshofener Haus der "Lebensheimat" noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden konnten. Foto: Horn

Jeder vierte Einsatz wird umsonst gefahren. Kommandant befürchtet Demoralisierung.

Donaueschingen - Sonntagabend vergangener Woche: Kurz vor 23 Uhr schießt die Meldung auf das Digitaldisplay, das für die Männer der Freiwilligen Feuerwehr um Kommandant Edgar Schiesel zum Tascheninventar gehört.

Feueralarm in der Rehaklinik Sonnhalde! 23 Mann werfen sich in die drei Löschfahrzeuge und jagen mit Blaulicht und Martinshorn den Schellenberg hinauf.

Doch schon beim Eintreffen der Wehrleute sind diese erstaunt: Vor der Klinik, die feuerwehrintern bekannt für ihr exzellentes Evakuierungs-Verhalten in Notfällen ist, stehen keine Menschen. Die Männer dringen ins Gebäude ein. Überraschte Gesichter blicken ihnen entgegen: Klinikpersonal und Patienten sind erstaunt ob der unerwarteten Visite, haben nicht einmal mitbekommen, dass die dort installierte und direkt mit der Feuerwehrleitstelle gekoppelte Brandmeldeanlage offenbar Alarm ausgelöst zu haben scheint. Schiesels Mannen schauen sich an: Fehlalarm. Wie so oft.

"Bei jedem vierten Einsatz fahren wir mittlerweile umsonst raus", berichtet der Kommandant: Fast jede dieser Einsatzfahrten wird dadurch verursacht, dass ein Rauchmelder oder eine feste Brandmeldeanlage, von denen es in Donaueschingen Firmen nunmehr bereits 66 Stück gibt, Alarm schlägt. Für die Wehrleute ist es längst zum Alltag geworden.

Und doch war der Alarm in der Rehaklinik etwas Besonderes: "Offenbar ein Kommunikationsfehler, der auf dem Übertragungsweg zwischen Klinik und unserer Leitstelle aufgetreten ist", mutmaßt Edgar Schießel, denn die Anlage vor Ort hatte gar nicht ausgelöst. "So was habe ich so gut wie noch nie erlebt." Dass seine Leute mit vollem Brimborium rausfahren – und es nichts zu löschen, bergen oder retten gibt: Dies freilich erlebt der Wehr-Chef nunmehr so oft, dass er es für eine "immense Belastung" hält.

Die Tendenz? Stark steigend, nicht erst, seitdem kraft Gesetz Rauchmelder zur Standard-Ausstattung von Wohnungen und Häusern geworden sind. Denn auch die Brandmeldeanlagen in Schulen, Hotels, Krankenhäusern, Altenheimen und Betrieben jeder Couleur werden immer zahlreicher. Das hat nicht nur unmittelbar mit der Sorge vor einem Brand zu tun – Versicherungen gewähren bei der Installation von Meldeanlagen teils satte Rabatte bei den Beiträgen.

Obwohl seine Wehrleute aus Erfahrung wissen, dass bei 80 Prozent der durch Rauchmelder und Brandmeldeanlagen angezeigten Ereignisse eigentlich kein Einsatz vonnöten ist, "fahren wir natürlich jeden als scharf". Das hat Folgen: Schiesel fürchtet eine Demoralisierung seiner Truppe. Nämlich, dass "wenn das so weitergeht, die Konzentration, Ernsthaftigkeit und Motivation meiner Leute nachlässt". Intern diskutiert man darüber bereits heftig. Allein: Schiesel und seine 260 Leute wissen keine Lösung.

Zahlreiche Ursachen

Die Gründe für die technisch echten, aber de facto falschen Alarme sind mannigfaltig: Staub legt sich auf die Sensoren der durch Licht gesteuerten Geräte, Handwerker lösen sie in Firmen aus – und in Hotels duscht manch ein Gast gerne ausgiebiger, als der Anlage lieb ist. Und dann wären da noch Klassiker wie das Havanna-Qualmen unterm Rauchmelder oder dass das Piepsen von dessen schwächelnder Batterie in Abwesenheit des Wohnungsinhabers von den Nachbarn als Alarm fehlgedeutet wird. Wohnungsaufbruch inklusive.

Und die Kosten für das massive Aufgebot an Wehrleuten und Technik? Wenn ein Verursacher ermittelt werden kann, zahlt der – wenn dies nicht der Fall ist, muss die Allgemeinheit die Kosten tragen. Wie im Fall des Einsatzes bei der Donaueschinger Rehaklinik: Rund 1300 Euro bleiben beim Steuerzahler hängen. Doch die Fehlauslösungen wirken sich auch anderweitig finanziell aus: Große Betriebe, wie etwa Sick, evakuieren bei Alarm großflächig; die Produktion steht so lange still, bis auch das letzte Risiko ausgeschlossen werden kann.

Hotels, Schulen, Heime oder Krankenhäuser müssen von Gesetzes Wegen stets in voller Zugstärke angefahren werden. Das kostet Geld und bindet Kräfte. "Fluch und Segen zugleich" sind die Geräte für den Kommandanten, der sie ja eigentlich für eine segensreiche Einrichtung hält – genau wie seine Kollegen Martin Weiß in Hüfingen und Martin Frey von der Bräunlinger Wehr, die in ihren Revieren, freilich auf geringerem Niveau, eine ähnliche Entwicklung konstatieren.

Jedoch: Wenn in den Reihen seiner Wehrleute mal wieder allzu sehr über die Belastung geklagt wird, herrscht wieder Ruhe, wenn die "alten Recken" aus den Zeiten berichten, als die Feuerwehr erst zum Einsatzort gerufen wurde, als die Flammen schon aus dem Dachgeschoss loderten.

Dahin will niemand zurück. Denn die Meldeanlagen retten Leben – wie zuletzt im März, als durch eine solche Einrichtung die behinderten Bewohner im Allmendshofener Haus der "Lebensheimat" noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden konnten.

Was aber tun gegen die Einsatzflut, die die Lösch-Männer zu bewältigen haben? "Vielleicht bringt der technische Fortschritt bessere Systeme hervor", hofft der Kommandant. Gegenwärtig sei eines auf dem Markt, bei dem zwei unterschiedliche Einheiten miteinander kommunizieren – erst wenn beide reagieren, wird Alarm ausgelöst. Und bei von Menschen begangener Fahrlässigkeit wird Edgar Schiesel deutlich: "Erst wenn es an den Geldbeutel geht, lernen die Leute dazu."

Info: die Technik

Eine Brandmeldeanlage ist eine Gefahrenmeldeanlage aus dem Bereich des vorbeugenden Brandschutzes, die Ereignisse verschiedener Brandmelder empfängt, auswertet und dann reagiert. Die Melderzentrale ist Bestandteil der Anlage. Dort laufen alle Meldungen der Sensoren auf und lösen die Aktion aus: das Absetzen eines Notrufes, das Ansteuern eines Computers oder auch einer Durchsageeinheit. Die BMZ vereint meist eine Steuereinheit und das sogenannte Feuerwehr-Bedienfeld. Hier finden die Wehrleute wichtige Informationen.