Landesjugendorchester: Klangkörper unter Johannes Klumpp beweist in Donaustadt sein Leistungsvermögen

Von Gunter Faigle

Donaueschingen. Eine weit überdurchschnittliche musische Begabung, ein gerütteltes Maß an Ehrgeiz und ein förderliches persönliches Umfeld müssen in der Regel zusammenkommen, wenn es jugendliche Musiker schaffen wollen, in den Pool des Landesjugendorchesters Baden-Württemberg aufgenommen zu werden.

Ungefähr 90 der insgesamt etwa 350 Instrumentalisten aus diesem LJO-Pool haben unter der Leitung ihres Gastdirigenten Johannes Klumpp im Donaueschinger Mozart-Saal ein durch seine künstlerische Reife begeisterndes Konzert gegeben.

Auf dem Programm stehen mit Kompositionen von Alfred Schnittke, Peter Tschaikowsky und Dmitri Schostakowitsch drei Werke sehr unterschiedlichen Charakters – für das Orchester schon dadurch eine nicht geringe Anforderung.

Filmmusik von Schnittke zu einem 1974 fertiggestellten russischen Film, der in der deutschen Fassung den Titel "Agonia – Rasputin, Gott und Satan" trägt, lässt einen Finsteres oder Bedrohliches erwarten. Zu Konzertbeginn zu hören ist allerdings ein überraschend traditionell klingender Tango in gefälliger Interpretation. Anfang und Ende überlässt Schnittke, der sogenannte Polystilist, zart und süß einer Celesta; den Hauptteil gestaltet das Orchester rhythmisch pointiert, und in den eingestreuten Solopassagen finden der Konzertmeister mit Vibrato und Schmelz oder die schön und sanft blasende Klarinettistin den gleitenden Duktus des Tanzes richtig gut.

Es folgt ein historisierender Rückblick ins 18. Jahrhundert. Jakob Spahn, Solo-Cellist im Bayerischen Staatsorchester, übernimmt den Solopart bei den 1876 entstandenen Rokoko-Variationen für Violoncello und Orchester von Tschaikowsky, formal gesprochen ein Thema mit sieben nahtlos aufeinanderfolgenden melodischen, rhythmischen und harmonischen und dabei technisch anspruchsvollen Veränderungen. Spahn zieht die 360 Zuhörer in seinen Bann.

Zum Höhepunkt im Blick auf die Leistungsfähigkeit des Orchester wird die Sinfonie Nr. 10 in e-Moll, die Schostakowitsch 1953 kurz nach dem Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin komponiert hat. Johannes Klumpp, der Dirigent, versteht sie gewissermaßen als zeitgeschichtliche und autobiografische Programmmusik. Er setzt eine ungemein präzise, variantenreiche und dabei mustergültig aussagekräftige Schlagtechnik ein. Seine 60 Streicher entfalten im ersten Satz einen hervorragend geschlossenen, kraftvollen Streicherklang, in den sich auch Exoten wie das Kontrafagott sowie die übrigen Instrumente klangbewusst integrieren. Die rhythmische Sicherheit beweist sich etwa im dritten Satz in einem perfekt abgestimmten Accelerando, und dass die aufgewühlte Dramatik, ja Hysterie, im vierten nirgends aus dem Ruder läuft, erregt Staunen. Für nichtprofessionelle Jungmusiker ist das bravourös.