Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD): "Die Rüstungsindustrie darf nicht in die Schmuddelecke geraten, indem zu leichthändig Geschäfte mit Waffen gemacht werden." Foto: Sigwart

Baden-Württembergs Wirtschafts- und Finanzminister über die Landtagswahl 2016, Sanktionen gegen Russland und die Pkw-Maut.

Donaueschingen - Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid besucht derzeit auf einer dreitägigen Tour Südbaden. In Donaueschingen äußert sich der SPD-Politiker zu seinen Ambitionen in der Landespolitik. Wichtig ist für ihn dabei vor allem die Fortsetzung der aktuellen Landesregierung nach 2016.

Herr Minister Schmid, sollten wir schon einmal üben, um Sie demnächst als Ministerpräsident ansprechen zu können?

Da warten wir erst einmal die nächste Wahl ab. Wenn es dann so sein sollte, gewöhnt man sich sicherlich auch daran. Momentan bin ich sehr zufrieden mit Winfried Kretschmann zusammen die derzeitige Regierung stellen zu können.

Ihre Generalsekretärin Katja Mast glaubt, dass Sie der richtige Mann wären, um nach der nächsten Wahl den Posten des Ministerpräsidenten auszufüllen...

Es ist doch klar, dass jede Partei davon ausgeht, dass ihr Spitzenkandidat am besten geeignet ist für das Amt des Ministerpräsidenten. Das ist aber eine Diskussion, die erst im Wahlkampf spannend wird. Wichtig ist für uns, dass wir mit den Grünen weiterregieren wollen. Der Hauptgegner in der politischen Auseinandersetzung ist logischerweise die CDU. Wir wollen zunächst zusammen mit den Grünen das Land gut weiterregieren. Das haben wir bis jetzt ganz gut hinbekommen – auch nach der Meinung der Bürger, die sind ja durchaus zufrieden mit der Landesregierung. Die Leute sollen wissen, dass das Land bei Rot und Grün in guten Händen ist.

Die Grünen wollen ihren Wahlkampf auf Winfried Kretschmann zuschneiden. Dazu passt Ihre Ankündigung nicht so gut, zukünftig die Verhältnisse im Land umkehren zu wollen...

Wie wir den Wahlkampf anlegen, werden wir später sehen. Es ist doch klar, dass die Grünen mit ihrem Ministerpräsidenten in den Wahlkampf ziehen; genauso klar ist es, dass die SPD mit mir in den Wahlkampf geht. Wir wollen deutlich machen, dass wir für die Chancengleichheit in der Bildung einstehen, Politik für die Familien im Land machen und dass wir für gute Arbeit und eine mittelstandsorientierte Wirtschaftspolitik eintreten.

Nicht genannt haben Sie jetzt das Ziel, die Verschuldung abzubauen. Hat das nicht mehr oberste Priorität?

Das bleibt natürlich wichtig und gehört für mich übrigens zu einer guten Wirtschaftspolitik. Wir werden die erste Landesregierung sein, die dreimal die Nullverschuldung erreicht haben wird. Die Bürger können sich darauf verlassen, dass wir am Ziel, den Haushalt bis 2020 strukturell auszugleichen, festhalten.

Bei den angekündigten Sparmaßnahmen gibt es einen Rückzieher nach dem anderen, zum Beispiel bei den Lehrern. Ist jetzt die Zeit der finanzpolitischen Grausamkeiten vorbei?

Grausamkeiten waren das nicht. Wir haben vielmehr ausgewogene Einsparungen beschlossen, die stärker wirken als ursprünglich angenommen. Das heißt, wir haben im Personalbereich mehr eingespart, als wir angenommen haben. Das hilft uns jetzt. Klar war zudem von Anfang an, dass der Bildungsbereich einen Schwerpunkt in der Haushaltspolitik bildet. Ein Beispiel ist etwa der Hochschulpakt, bei dem wir den Hochschulen Planungssicherheit geben und erstmals die Mittel dynamisieren. Außerdem entscheiden wir Jahr für Jahr, wie viel Ressourcen wir für die Ganztagsschulen und andere schulpolitische Maßnahmen brauchen. Die Investitionen in die Bildung entscheiden in der Zukunft, ob wir im Land genügend Fachkräfte haben. Richtig ist aber auch, dass es bis 2020 noch weiterer Anstrengungen bedarf. Es liegt an den einzelnen Ressorts, die Orientierungspläne zu erfüllen. Die Verantwortung wird gemeinsam getragen.

Die mittelständische Wirtschaft im Land ist stark exportabhängig. Nun werden in Brüssel Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschlossen. Muss die Wirtschaft also erst einmal hinter den politischen Vorstellungen anstehen?

Es gilt das Primat der Politik. Die EU hat sehr moderat das Sanktionsregime gestaltet. Aber nach dem Abschuss der MH17 ist doch klar, dass Russland jetzt gefordert ist, mäßigend auf die Situation in der Ukraine einzuwirken. Richtig ist aber auch, dass die baden-württembergische Wirtschaft stark mit Russland verwoben ist. Deshalb haben wir ein Interesse daran, dass sie Bemühungen der Bundesregierung bald von Erfolg gekrönt sind, auf diplomatischen Wegen die Spannungen abzubauen. Ohne Druckinstrumente kommt man da aber erfahrungsgemäß nicht weit. Deshalb sind die eingeleiteten Schritte der EU vertretbar.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat auch das Thema Rüstungsexporte ins Gespräch gebracht. Er spricht sich für einen rigideren Kurs aus. Gerät die Rüstungsindustrie somit wieder in die Schmuddelecke?

Genau das will Gabriel ja gerade vermeiden. Die Rüstungsindustrie darf eben nicht in die Schmuddelecke geraten, indem zu leichthändig Geschäfte mit Waffen gemacht werden. Insofern ist es gut, dass Gabriel jetzt die Rüstungsexport-Leitlinien sich genau anschaut und eventuell dann auch strenger entscheidet. Wir haben ja nichts davon, wenn die Bundeswehr oder unsere Partner sich dann deutschen Waffen gegenübersehen. Eine sorgfältige Prüfung ist angezeigt.

Und was halten Sie davon, eventuell Entschädigungszahlungen an die Rüstungsindustrie zu leisten?

Davon halte ich nichts. Ich glaube aber, dass vor allem Kooperationen von Unternehmen auf europäischer Ebene sehr hilfreich sein können.

Bezogen auf die Verteidigungspolitik haben Städte und Gemeinden hierzulande ganz andere Sorgen, etwa durch den Abzug von Bundeswehreinheiten, beispielsweise in Meßstetten und Donaueschingen. Kann das Land bei der Konversion helfen?

Man sollte Konversion als Chance sehen. Wir haben gute Beispiele dafür, wo Konversion erfolgreich war, etwa in Münsingen. Der ganze Prozess braucht aber Zeit und Unterstützung. Wir wollen betroffenen Kommunen zur Seite stehen. Diese Kommunen kommen etwa vorrangig zum Zuge bei diversen Landesprogrammen. Das Entscheidende ist, dass man maßgeschneiderte Lösungen für die einzelnen Städte und Gemeinden hinbekommt. Man braucht aber einen langen Atem.

Ein Wort noch zum Thema Maut. Schaut die Landesregierung amüsiert zu, was in der Bundesregierung vor sich geht?

Die Union hat hier eine etwas verquere Diskussion angezettelt. Erst sagt man, die ausländischen Pkw-Fahrer sollen endlich was zahlen, und im gleichen Atemzug kommt man dann auf die Idee, dass das für die Grenzregionen nicht ganz so toll ist. Und dass die gleichen ausländischen Pkw-Nutzer dann ausgenommen werden sollen. Hier sieht man, dass das ganze Konzept nicht zu Ende gedacht ist. Deshalb rate ich dazu, dass man die Vorschläge von Dobrindt erst einmal auf die europarechtliche Zulässigkeit überprüft; da habe ich erhebliche Bedenken. Und dann rate ich, dass man sich auf ein Thema konzentriert, bei dem wirklich mehr Geld in den Bundeshaushalt reinkommt – und das ist die Lkw-Maut. Hier haben wir jetzt eine schwierige Situation, weil das Aufkommen aus der Lkw-Maut nach den neuesten Erkenntnissen rückläufig sein wird. Die niedrigen Zinssätze führen wohl dazu, dass die Bundesregierung nicht mehr so viel verlangen kann. Das kostet eine dreistellige Millionensumme. Man muss also erst einmal schauen, dass man das Aufkommen aus der Lkw-Maut sichert. Und muss das, was im Koalitionsvertrag steht, umsetzen: Das ist die Ausdehnung der Lkw-Maut. Denn Lkw verursachen ein Vielfaches der Schäden an unseren Straßen. Dann haben wir für die jetzige Legislaturperiode erhebliche Einnahmen, ohne uns in eine Diskussion zu verzetteln über eine Pkw-Maut, die keiner will.

Abschließend zur Gefängnis-Diskussion. In Tuningen haben die Bürger dagegen gestimmt. In Villingen-Schwenningen scheint man freundlicher gesonnen zu sein. Und Rottweil will wieder ins Spiel kommen. Wieso ergreift die Landesregierung nicht diese ausgestreckten Hände?

Wir werden jetzt mit den verbleibenden Standorten das Gespräch suchen: Das sind Villingen-Schwenningen mit Weigheim, Rottweil und Meßstetten. Aber eine positive Resonanz aus der Kommunalpolitik heißt nicht unbedingt, dass die Bürger dahinterstehen. Das hat man in Tuningen gesehen. Wir werden nach der Sommerpause einen Vorschlag auf den Tisch legen, wie wir weitermachen. Tatsache ist, dass Villingen-Schwenningen und Rottweil gut gelegene Standorte sind; Meßstetten ist eher am Rande des Suchdreiecks. Aber einer der drei Standorte wird es werden.