Die Fachleute vom Podium (von links) Obstbauer Hubert Ehle, MdL Martina Braun, Moderator Uwe Kaminski, BLHV-Vertreter und Landwirt Bernhard Bolkard und NABU-Landesvorsitzender Johannes Enssle. Fotos: Winkelmann-KLingsporn Foto: Schwarzwälder Bote

Podiumsdiskussion: Umweltgruppe Südbaar informiert zum Volksbegehren / Bernhard Bolkart: Sind auf einem guten Weg

Großes Interesse fand die Podiumsdiskussion zum Volksbegehren "Rettet die Bienen", zu dem die Umweltgruppe Südbaar (UGS) ins evangelische Gemeindehaus am Irmapark eingeladen hatte.

Donaueschingen. Vor 100 Besuchern, Landwirten, Wein- und Obstbauern aus der Region, leitenden Beamten aus dem Landwirtschafts- und Forstamt, Hobbygärtnern und interessierten Verbrauchern wurde vorgestellt, was aus dem Volksbegehren geworden ist und wie es weitergeht.

Die Lage: Um alle Teilnehmer auf den aktuellen Sachstand zu bringen, erläuterte Moderator Uwe Kaminski eingangs die Sachlage: Der Entwurf für das erste Volksbegehren in Baden-Württemberg hatte im vergangenen Jahr zwischen Naturschützern, Bauern und der Politik heftige Diskussionen ausgelöst. Zudem wollten einige Umweltverbände, alternative Landwirtschaftsorganisationen und Imkervereine einen Gesetzesvorschlag zur Volksabstimmung bringen, der für die konventionelle Landwirtschaft weitreichende Einschränkungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gebracht hätte.

Konsequenzen für die Baar-Bauern: Da der größte Teil der Baar als Vogelschutzgebiet ausgewiesen ist, in dem der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nur noch auf Antrag zulässig wäre, hätte das für den größten Teil der Betriebe eine zwangsweisen Umstellung auf Bio-Anbau bedeutet. Stattdessen will die Landesregierung jetzt die Ziele des Volksbegehrens auf sanftere Weise ansteuern.

Die Alternative der Landesregierung: Um Kritikpunkte abzumildern und Kritiker und Befürworter des Volksbegehrens an einen Tisch zu bringen, hat die Landesregierung als Alternativvorschlag ein Eckpunktepapier (EP) eingebracht. Das findet inzwischen die Zustimmung der meisten Bauernverbände sowie der Initiatoren des Volksbegehrens. Letzteres läuft zwar formal weiter, die aktive Unterschriftensammlung wurde allerdings eingestellt.

Die Position der Fachleute auf dem Podium: "Wir stehen grundsätzlich für Bienen- und Artenschutz", stellte Bernhard Bolkart, Schwarzwald-Bauer und stellvertretender BLHV-Vorsitzender, eingangs klar. Allerdings wehrte er sich gegen "Überstülpung und Hau-Ruck-Verfahren" und forderte, mehr miteinander zu reden. Der BLHV sei in das EP eingebunden und stehe dazu – wenn auch mit "einigem Grummeln". Mit dem freiwilligen Vertragsnaturschutz, an den das Eckpunktepapier anknüpfe, sei man in Baden-Württemberg auf einem guten Weg. Größter Knackpunkt sei der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Aber: "Da lassen wir uns nicht festlegen." Man stehe zur Zielvorgabe, halte es aber für fraglich, ob sich binnen zehn Jahren über Forschungs- und Züchtungsmaßnahmen eine Reduzierung um 40 Prozent erreichen lasse und ob der Klimawandel nicht ganz andere Fragen mit sich bringe.

Politiker-Stimme: Für die "Bäuerin aus Leidenschaft" und Landtagsabgeordnete Martina Braun aus dem Linachtal ist Artenschutz "eine existentielle Frage für die ganze Gesellschaft". Zum Volksbegehren positioniert sie sich mit "gut – aber". Es sei wichtig als Initialzündung. Für Braun ist beim Artenschutz die ganze Gesellschaft gefordert und nicht nur die Landwirtschaft. Die Abgeordnete freut sich über den Kompromiss mit dem EP und findet darin die zentralen Bestandteile des Volksbegehrens wieder.

Der größte Widerstand gegen das Volksbegehren kam von den badischen Winzern und Obstbauern. "Für viele Betriebe ist die Einsparung von 40 bis 50 Prozent der Pflanzenschutzmittel problematisch", sagte der Obstbauer Hubert Lehle vom Obstbauring Überlingen. Statt dessen verwies er auf Blühsteifen und Biodiversität. Im EP vermutet er eine Befriedungsmaßnahme vor den Landtagswahlen 2021 und eine Blaupause für die Bundesrepublik. Mit mehr Bioanbau fürchtet er zudem sinkende Preise und Erlöse. Lehle fordert mehr Aufklärung über modernen Pflanzenschutz und eine wissenschaftliche Bewertung.

"Das Artensterben wird unterschätzt"

"Das Artensterben wird unterschätzt", mahnte der Förster und NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle. Er gehört zu den Unterstützern des Volksbegehrens, trägt nun aber den gefundenen Kompromiss mit.

Im EP sieht er eine neue Initiative und einen Impuls. Für ihn "sind die Gefahren durch Pflanzenschutz" wie Toxität von Fungiziden und Pestiziden belegt. Da gelte es zu reduzieren, und da sei "auch im Obst- und Weinbau was möglich", beispielsweise mit biotechnischen Verfahren, meint Johannes Enssle.

Wie es weitergeht: Wie Martina Braun informierte, geht das Eckpunktepapier jetzt an die Verbände, zur Normenkontrollprüfung und ins Kabinett. Mitte Juli rechnet sie mit der Einbringung in den baden-württembergischen Landtag. Und dort hoffe sie auf die nötige Mehrheit. Und schließlich sei auch der Verbraucher gefragt.

Das Eckpunktepapier enthält Punkte zum Schutz der Insekten in Baden-Württemberg und ist einer Weiterentwicklung des Gesetzentwurfs "Rettet die Bienen".

Dabei geht es unter anderem um den Erhalt der Artenvielfalt als gesetzliches Ziel, Ausbau des Biotopverbundes für eine artenreiche Flora und Fauna, Pflege der Streuobstwiesen, Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft, Gestaltung von Schutzgebieten für Pflanzen und Tiere mit strengen Vorgaben für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

Die Reduzierung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 40 bis 50 Prozent wird als Zielvorgabe für das Land, aber nicht für Einzelbetriebe formuliert, sowie der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft auf 30 bis 40 Prozent bis 2030. Grundsätzlich verboten werden soll der Einsatz aller chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel in Privatgärten. Zudem setzt sich das Land auch für ein bundesweites Verbot ein. Zum Artenschutz in Städten und Siedlungsgebieten zählt das Verbot von Schottergärten, die Eindämmung der Lichtverschmutzung und die Einrichtung von bis zu 20 Prozent Blühflächen auf öffentlichen Grünflächen. Dazu kommt die Einrichtung eines Dialogforums "Landwirtschaft und Naturschutz".