Am 9. Februar 2007 wurde der Donaueschinger Lothar Wölfle (links) mit 40 von 62 Stimmen zum Landrat des Bodenseekreises gewählt und übernahm im Mai das Amt von seinem Vorgänger Siegfried Tann, der 22 Jahre amtierte. Archivfoto: Lancé Foto: Schwarzwälder-Bote

Interview: Lothar Wölfle ist seit zehn Jahren Landrat des Bodenseekreises / "Kommunalpolitik ist meine Welt"

Donaueschingen. Heute vor zehn Jahren, am 9. Februar 2007, wurde der Donaueschinger Lothar Wölfle zum Landrat im Bodenseekreis gewählt.

Herr Wölfle, am 11. Mai 2007 sind Sie als Bürgermeister in Trossingen verabschiedet worden, unter anderem mit wertschätzenden Worten von OB Herbert Zinell vom Deutschen Städtetag, in dessen Hauptausschuss Sie damals Mitglied waren. Heute sind Sie im Präsidium des baden-württembergischen Landkreistags und Chef der "Oberschwäbischen Elektrizitätswerke" (OWE) im Land. Sie gestalten schon ganz gern von oben aus mit?

Ich sage immer: Ums erste Amt muss man kämpfen. Alles andere kommt automatisch, wenn man sein erstes Amt einigermaßen vernünftig macht. Klar, ich bin schon jemand, der gern mitgestaltet. Das heißt aber auch, Verantwortung zu übernehmen. Wenn ich gefragt werde, fällt es mir zugegeben schwer, Nein zu sagen. Ich mach’s aber auch wirklich gern.  

Wer Ihren Lebenslauf sieht, liest unschwer eine ziemlich geradlinige Politik-Karriere heraus. Sind Sie vor zehn Jahren gern aus Trossingen weggegangen?

Ja, ich habe früh in der Politik angefangen, bin mit 15 in die Junge Union eingetreten. Es kam auch nicht von ganz ungefähr, dass ich Jura und Politik studiert habe. Dass es dann die Kommunalpolitik wurde, hat sich auch dadurch ergeben, dass ich schon mit 22 in den Gemeinderat gewählt wurde. Das hatte übrigens damit zu tun, dass ich ein Jahr in Kalifornien zur Schule ging. Die erste Gemeinderatssitzung in meinem Leben habe ich dort besucht, weil mein Lehrer im Gemeinderat war. Und der hat mich dafür begeistert. Ohne das Austauschjahr in den USA wäre ich heute also vermutlich nicht Landrat…  

Wollten Sie nach 13 Jahren nicht mehr Bürgermeister in Trossingen sein?

Ich habe mich damals nicht im Bodenseekreis beworben, weil ich nicht mehr Bürgermeister in Trossingen sein wollte. Ich war kurz vor dem 50. Geburtstag und hatte mich selbst gefragt: Setzt du jetzt noch mal einen drauf und wirst dann 24 Jahre Bürgermeister sein, oder machst du nochmal was anderes? Da war die zweite Option für mich die interessantere.

Die Kandidatur als Oberbürgermeister in Nürtingen war dann also der erste Versuch, in der Karriere noch einen draufzusatteln?

Genau. Und dann ist es der Landrat im Bodenseekreis geworden. Als ich hier gewählt wurde, gratulierte mir ein guter Freund und schrieb: Fahre nach Nürtingen und bedanke Dich bei jedem Einzelnen, dass sie Dich nicht gewählt haben. Ich habe schon ziemlich viel Glück gehabt, dass es mich hierher verschlagen hat.  

Von vielen ehrenamtlichen Jobs haben Sie nach der Wahl zum Landrat 2007 nur einen fortgeführt – den des Präsidenten des Hohentwiel-Vereins. Im Oktober 2016 haben Sie die Verantwortung auch dafür abgegeben. Ein Tribut für die neue Aufgabe als OEW-Chef?

Ja, ganz klar! Als mir der vorige OEW-Vorsitzende Seiffert zu verstehen gab, dass er mich für einen guten Nachfolger hält, habe ich mir alle meine Ämter angeschaut. Die Konsequenz war, nicht nur den Vorsitz im Hohentwiel-Verein, sondern auch Mandate in Gesellschaften oder den Vorsitz von Ausschüssen abzugeben oder besser zu verteilen, um mich stärker konzentrieren zu können. Die OEW beschäftigt mich seither gut ein- bis anderthalb Tage pro Woche. Da muss man Prioritäten setzen. Wenn ich etwas mache, dann richtig.  

Als OEW-Chef haben Sie maßgeblichen Einfluss auf die EnBW und die Energiepolitik im Land überhaupt. Wie groß ist die Herausforderung für einen Landrat, der ja vor Ort auch eine Menge Baustellen hat?

Ausgangspunkt für diese Aufgabe ist der Landrats-Job, denn die OEW ist unsere größte Beteiligung. Allein der Teil, den der Bodenseekreis an der EnBW – mittelbar über die OEW – besitzt, hat einen Wert von 400 bis 500 Millionen Euro. Eine der wichtigsten Aufgaben dieses Zweckverbands ist es, diese Werte zu erhalten. Insofern ist die Tätigkeit für die OEW auch Werterhalt für den Bodenseekreis. Aber Sie haben schon Recht, das ist eine völlig andere Aufgabe als hier im Landratsamt. Mich hat dieses Thema Energie aber schon immer fasziniert, weil es zur Daseinsvorsorge für die Menschen gehört. Wir haben vor vier Jahren bei einer Katastrophenübung einen dreitägigen, flächendeckenden Ausfall von Strom simuliert. Da geht wirklich gar nichts mehr! Kein Handy, keine Tankstelle, weil jede Zapfsäule Strom braucht. Sie können kein Geld mehr abheben, nicht mehr einkaufen, weil die Türen in Supermärkten sich nur elektrisch öffnen…  

Als OEW-Chef sind Sie automatisch auch im Aufsichtsrat der EnBW. Dieser Job war vor zehn Jahren um ein Vielfaches angenehmer als heute…

Der OEW-Vorsitzende hat vor zehn Jahren eher Geld verteilt. Insofern hat sich die Aufgabe schon deutlich verändert. Andererseits sehe ich es als riesige Chance, an der Energiewende so hautnah mitzuarbeiten. Die wird ohne die vier großen Energiegesellschaften nicht funktionieren. Und die EnBW ist von den Großen das Unternehmen, das sich am konsequentesten auf die Energiewende eingestellt hat. Wer kann 1,3 Milliarden Euro in eine Offshore-Windanlage wie Baltic 2 investieren? Das schafft kein Stadtwerk.  

Zurück zu Ihrem Job als Landrat: Mit welchen Vorstellungen sind Sie vor zehn Jahren hier angetreten? Was haben Sie sich damals vorgenommen, was davon bis heute "geschafft"?

In meiner Vorstellungsrede vor dem Kreistag damals ging es beispielsweise um die Fusion der beiden Wirtschaftsförderungsgesellschaften, die da noch ganz neu war. Darauf lag ein großer Schwerpunkt meiner Rede, auch wenn damals keiner ahnen konnte, dass der Landrat mal Vorsitzender des Aufsichtsrates der WFB werden würde. Da lege ich bis heute großen Wert drauf. Ich glaube, dass in einem solch wirtschaftsstarken Landkreis wie dem Bodenseekreis der Kontakt zur Wirtschaft entscheidend wichtig ist. Heute haben wir gewachsene Strukturen in der Wirtschaftsförderung, die sich sehen lassen können. Ich denke da an die Gewerbeimmobilienbörse, die Wirtschaftsforen, "Wissen was geht" für Schüler. 

Was ich schon immer wichtig fand, war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da haben wir uns als Kreisverwaltung als familienfreundliches Unternehmen etabliert, beispielsweise mit Kinderbetreuung bei all unseren Veranstaltungen. Derzeit richten wir in allen drei Gebäuden des Landratsamtes jeweils ein Elternzimmer ein, in dem Mitarbeiter schaffen können, wenn das Kind aus welchen Gründen auch immer nicht in die Kita kann. Und der Familienentwicklungsplan, den wir vor sieben Jahren kreisweit erstmals aufgelegt haben, wird gerade evaluiert. Ich weiß nicht, ob wir wirklich schon der familienfreundlichste Landkreis in Baden-Württemberg sind, aber wir sind vorn gut dabei, was auch den Städten und Gemeinden zu verdanken ist – nicht nur, weil wir mit die höchsten Quoten haben bei der Anzahl der Kita-Plätze.  

Können Sie sich an ihren ersten Auftritt damals im Kreistag als Landrats-Bewerber noch erinnern?

Ich hatte eine Stunde Zeit mich vorzustellen und habe etwa eine halbe Stunde geredet, um Gelegenheit für Fragen zu geben. Die erste Frage kam dann von Christa Hecht-Fluhr, das weiß ich noch wie heute. Offensichtlich hatte Sabine Reiser, die vor mir dran war, ihre Bewerbung unter ein Motto gestellt, und Frau Hecht-Fluhr wollte wissen, ob ich auch eins hätte. Auf die Frage war ich überhaupt nicht vorbereitet, aber ich habe das gesagt, was mich schon als Bürgermeister geprägt hat: Fördern durch Fordern. Ich glaube, ich bin als Chef schon jemand, der etwas von den Leuten verlangt. Mit dem Ruf kann ich gut leben.  

Was ist Ihnen in den zehn Jahren bisher besonders gut gelungen, worauf sind Sie stolz?

Für mich ist das Arbeitsumfeld sehr wichtig. Wir haben hier im Haus 1300 Mitarbeiter, da mögen mich sicher nicht alle. Gerade mit dem Thema Flächenmanagement mache ich mir hausintern im Moment keine Freunde. Die Verwaltung ist gewachsen, die Räume sind die gleichen, also müssen wir zusammenrücken. Aber insgesamt sind wir ein tolles Team. Gut hat sich auch das Wahlergebnis bei der Wiederwahl angefühlt. Ich kann wirklich von einem guten Miteinander, einer offenen Atmosphäre hier im Haus und im Kreistag sprechen. Das sind für mich die wichtigsten Faktoren, die auch ganz entscheidend für Erfolg oder Misserfolg sind.  

Gegenprobe: Was war Ihre bisher größte Niederlage in diesem Amt, auf welche Erfahrung hätten Sie gern verzichtet?

Auf die Veränderung der Diskussionskultur, die immer mehr ins Unsachliche, Persönliche abdriftet. Anonyme Briefe nehmen zu, obwohl wir in einem Land leben, in dem jeder seine Meinung sagen kann. Mir gefällt aktuell überhaupt nicht, wie die Diskussion über die Gästekarte (EBC) läuft. Man kann über jedes Argument streiten und alles hinterfragen. Aber wenn‘s dann arg ins Persönliche geht, kann ich gern darauf verzichten.  

Was steht ganz oben auf Ihrer Agenda für die nächsten Jahre als Landrat?

Nach wie vor das Thema Verkehrsinfrastruktur, das bleibt. Wir sind an der Planung B 30/B 31 und müssen versuchen, in der Region zu einer Einigung zu kommen. Da kommt dem Landrat ein Stück weit die Moderatorenrolle zu. Wie schwierig das ist, zeigt ja das Beispiel der B 31-Umfahrung von Hagnau. Meersburg will gar nichts, Ittendorf und Markdorf möchten die Straße möglichst weit südlich, Immenstaad und Hagnau wollen sie möglichst weit nördlich. Wenn wir uns vor Ort nur zerven, dann haben Planungsbehörde und Geldgeber keine große Lust, uns zu einem Erfolg zu verhelfen. Da müssen wir schauen, dass wir uns bewegen.  

2015 wurden Sie für weitere acht Jahre gewählt. Gehen Sie als Landrat mit 65 in Rente?

Ich habe in diesen 37 Jahren in der Politik mehr als einmal die Chance gehabt, noch mal etwas anderes zu machen. Es gab Leute, die meinten, ich solle ein Landtags- oder Bundestagsmandat anstreben. Aber ich bin froh, dass ich einfach Kommunalpolitiker geblieben bin. Das ist meine Welt, da fühle ich mich daheim, da gehöre ich hin.    Fragen von Katy Cuko

Lothar Wölfle wurde am 9. Februar 2007 zum Landrat des Bodenseekreises gewählt und trat sein Amt am 14. Mai 2007 an. Der 59-jährige Landrat wurde in Donaueschingen geboren. Nach Abitur am Fürstenberg-Gymnasium und dem Jura-Studium war Wölfle sechs Jahre als Rechtsanwalt in Villingen-Schwenningen tätig. 1973 trat er in die Junge Union und 1976 in die CDU ein. 1980 wurde er in den Donaueschinger Gemeinderat gewählt, wo er bis 1984 CDU-Fraktionsvorsitzender war. Von 1994 bis 2007 war er Bürgermeister von Trossingen und von 1995 bis 1999 Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Tuttlingen. Zwischen 1999 und 2007 saß er im Tuttlinger Kreistag. Von 2000 bis 2007 war er Vorsitzender des Regionalverbands Schwarzwald-Baar-Heuberg sowie von 2002 bis 2007 Vorstandsmitglied des Städtetags des Landes.