Verkehrte Welt bei den Jazzmusikern – klassische Besetzungen im Ensemble wurden beim Konzert aufgehoben. Foto: Rademacher Foto: Schwarzwälder-Bote

Jazz ist fester Bestandteil der Musiktage am Samstagabend

Von Christina Rademacher

Donaueschingen. Unter dem Motto "The Same (not) the Same" stand die SWR 2 Now Jazz Session, bei den Musiktage. Diese wurde aus der Sporthalle der gewerblichen Schulen live im Rundfunk übertragen. Und dass wirklich nichts ist wie es scheint, erlebten die Zuschauer in der vollbesetzten Halle, als sieben Trompeter und im zweiten Teil vier Vokalkünstler improvisierten und experimentierten.

Jazz im Sinne von Individualismus und Interaktion, die völlige Aufgabe der klassischen Bandbesetzung und der Aufgabenverteilung innerhalb eines Ensembles waren Trumpf. Und das macht es möglich, dass sieben Trompeter gleichzeitig auf der Bühne stehen ohne die Begleitung anderer Instrumente. Hierfür hatte der libanesische Improvisationsmusiker Mazen Kerbaj einige der international renommiertesten Trompeter zweier Generationen um sich geschart, eine Premiere und ein künstlerisches Experiment. "Ein ziemliches Risiko", wie er bemerkte, "aber ich mag Risiken." Und so traf er sich mit Frank Hauzinger (Österreich), Axel Dörner (Deutschland) sowie Liz Allbee, Nate Wooley, Greg Kelley und Peter Evans aus den USA für vier Tage im Freiburger SWR-Studio.

Das Ergebnis dieses lang gehegten und nun in Donaueschingen verwirklichten Projektes mag für manchen Musikfreund etwas befremdend gewesen sein. Denn in nur ganz wenigen Passagen des 45-minütigen Auftrittes waren wirklich Trompetenklänge zu erkennen. Die Töne wurden mit Hilfen von diversen Hilfsmitteln wie dem herkömmlichen Dämpfer, aber auch Schläuchen, Metalltellern, einer Schüssel mit Flüssigkeit oder Mikrofonen mit Verstärker verfremdet. Frei improvisiert wechselten sich leise Partien mit klopfenden und rasselnden Geräuschen ab mit regelrechten Klanggewittern, einmal klang eine der Trompeten wie ein pfeifender Teekessel oder ein singender Kanarienvogel. Dem Publikum gefiel es, dementsprechend groß fiel der Beifall aus.

"Extreme Poetry", das musikalische Spiel mit der Sprache, war Thema des zweiten Konzertteils. Sprache wird mit elektronischen Mitteln so verfremdet, dass sie als solche nur noch selten erkennbar ist und ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten gibt. Zunächst stellte jeder Künstler, ausgestattet mit einem Laptop und einem Tisch voller Elektronik in einem zehn minütigen Auftritt seine Interpretation von "Extreme Poetry" vor. Den Anfang machte der Deutsche Jörg Pieringer, der seine Stimme in Zischen, Knacken, Trommellaute und lauten elektronischen Tönen verwandelte. Fanfaren- und Sirenentöne erklangen beim Beitrag des Franzosen Julien Ottavi, der in seiner Darbietung mit passenden Bewegungen aufging, bis diese abrupt endete. Auch bei Joachim Montesuiss, Frankreich, war von der Sprache selbst nicht viel zu erkennen. Anders beim Senior des Quartetts, Jaap Blonk aus den Niederlanden. Zwischen Gurgeln, Zischlauten und Schreien waren immer wieder Sprachfetzen zu erkennen, im Nachhall vermischte sich die Stimme mit elektronischen Tönen, bevor der Auftritt mit einem lauten Schnarchen sein Ende fand.

Disziplinierter war dann die Premiere der vier Musiker als Quartett unter dem Namen "JJJJ", die trotz verfremdeter Stimmen eher an gewohnte Strukturen erinnerte. Die Zuschauer hätten sicherlich gerne mehr gesehen.