Der 53-jährige Thomas Knörr leitet seit Oktober das Polizeirevier in Donaueschingen. Foto: Guy

Interview: Thomas Knörr leitet seit 1. Oktober Donaueschinger Revier. Personell noch Durststrecke spürbar.

Donaueschingen - Thomas Knörr ist neuer Leiter des Polizeireviers Donaueschingen. Im Gespräch erklärt er, wie die neuen Herausforderungen der Polizei aussehen.

Herr Knörr, ein eigenes Revier zu leiten, war schon immer Ihr Traum, weshalb?

Die Absicht war schon immer da. Weil ich den Revierleiter, mit der ganzen Personalhoheit die er hat, sowie den großen Zuständigkeitsbereich als eine Herausforderung ansehe.

Die moderne Polizei muss sich höheren Anforderungen stellen. Welche sind das?

Die Einsatzlagen werden anders. Es ist überall zu lesen, dass Gewalt gegen Polizeibeamte zunimmt. Wir haben da heute andere gesellschaftliche Entwicklungen wie noch vor 30 Jahren. Aus meiner Sicht sind die Wertvorstellungen der Bürger heute anders. Der Bürger wird mündiger in der Beziehung zu der Polizei. Das sind Herausforderungen, die zunehmen. Der klassische Streifendienst-Beamte – ich will nicht sagen, er hatte es einfacher – aber was er heute können muss, das hat zugenommen. Das sehe ich nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei anderen Sparten im Berufsleben.

Der Umgang mit dem Gegenüber hat sich verändert?

Gerade im Bereicht der Straftaten fehlt es beim polizeilichen Gegenüber oft an der nötigen Distanz, einer entsprechenden Hürde, die es zu überschreiten gilt, wenn ich gegen einen Polizeibeamten agiere. Diese Hürden sind deutlich nach unten gesenkt. Der Beamte hat noch einen Stellenwert, aber das Agieren gegen ihn ist heute oftmals hemmungsloser.

Sie haben bei Ihrer Amtseinführung in diesem Zusammenhang vom "Generalisten" gesprochen.

Ja, natürlich. Die Kollegen sind diejenigen, wenn 110 angerufen wird, die als erstes agieren. In der Regel als erstes bei sämtlichen Einsatzlagen dort sind, ob das der Verkehrsunfall ist oder bis hin zum Mord. Das sind diejenigen, die ein breit gefächertes Wissen haben müssen, die sich allem und jedem als Klientel entgegengesetzt sehen.

Welche Rolle spielt dabei die Spezialisierung der Polizei?

Selbstverständlich hat eine Spezialisierung Einzug gehalten. Stichwort: Cyberkriminalität. Wenn wir hier keine Beamten haben, die wir entsprechend fortbilden und nur für diese Tätigkeit vorsehen, dann haben wir keine Chance, uns den verschiedenen Entwicklungen der Kriminalität zu stellen. Und das nicht nur im Bereich der Cyberkriminalität, da spielt auch die Jugendkriminalität eine Rolle. Deshalb habe ich bei meiner Amtseinführung auch den Generalisten erwähnt. Er kommt mir nicht zu kurz, aber seine Rolle wird oft verkannt.

Cyberkriminalität ist eine der neuen Formen. Haben Sie damit auch in Donaueschingen oft zu tun?

Ja, das ist oft der Fall. Vieles läuft heute übers Internet. Das Netz bietet, insbesondere im Bereich der Betrugskriminalität, eine Plattform, nie gekannten Ausmaßes. Bei uns gehen nicht tagtäglich, aber regelmäßig entsprechende Anzeigen ein. Jemand hat im Internet etwas erworben, bereits bezahlt, aber keine Ware erhalten. Diese Spuren zu verfolgen, oder die Identität dieses Beschuldigten zu ermitteln, ist unglaublich schwierig. Das Bedarf einer Spezialisierung. Sie müssen sich auskennen im Umgang mit dem Netz, im Umgang mit den Möglichkeiten. Da können wir nicht frei ermitteln und es gibt unterschiedlichste Rechtskonstellationen.

Polizeipräsident Regele sprach von einer überdurchschnittlichen Kriminalitätsbelastung in Donaueschingen.

Ja, er hat aber auch erläutert, woran das liegt. Wir hatten 2015 mit der Erstaufnahmeeinrichtung in Donaueschingen auch einen Bevölkerungszuwachs. Bis zu 2500 Leute haben innerhalb kürzester Zeit in der Friedhofstraße eine Unterkunft gefunden. Unterschiedlichste Mentalitäten, die mit unseren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wenig anfangen konnten. Ich will nicht sagen, dass zwangsläufig daraus Straftaten resultieren, aber das ist mitunter dieser Kenner, bei dem wir 2015 und 2016 im Polizeirevier Donaueschingen einen entsprechenden Straftaten-Anstieg zu verzeichnen hatten. Ich möchte diese Menschen nicht als Straftäter abstempeln, im Gegenteil. Dort ist jetzt alles ein Stück weit standardisiert, die Belegungszahlen sind zurückgegangen.

Das heißt also, wenn mehr Menschen in die Stadt kommen, passiert schlichtweg auch mehr?

So sehe ich das, ja. Die 2500 Menschen sind dort oben auf engem Raum, sie kommen aus anderen Kulturen, kennen sich hier nicht aus. Ich denke aber auch, die ein oder andere Person aus diesem Personenkreis weiß sehr wohl, was sie tut. Ich will nicht generell die schützende Hand darüber legen, man muss differenzieren.

Wo setzen Sie bei der Arbeit in Donaueschingen Ihre Schwerpunkte?

Der eigene Personalkörper ist sehr wichtig. Wir habe landesweit einfach ein Personaldefizit. Dem wurde entgegengewirkt, die Einstellungszahlen wurden angepasst. Wir haben zukünftig bis zu 1800 Neueinstellungen pro Jahr. Aber es dauert, bis die neuen Kollegen ausgebildet sind. Bis Ende 2019 machen wir noch eine Durststrecke durch. Die Kollegen werden außerdem älter. Das ist insbesondere im Streifendienst spürbar, wo der Rund-um-die-Uhr-Betrieb gefordert ist. Von daher ist Hauptaugenmerk auch der Personalkörper. Dem muss man sich derzeit besonders annehmen. Außerdem ist die Lage in der Erstaufnahmeeinrichtung ein weiterer Schwerpunkt. Das Areal steht bis Mitte 2020 für die Aufnahme von Flüchtlingen zur Verfügung. Jetzt haben wir bald eine neue Bundesregierung, und es stellt sich die Frage, wie sie sich zur Flüchtlingspolitik positioniert. Aber wir müssen auch wieder mit einer erhöhten Belegung rechnen. Die Verkehrslage spielt weiterhin eine Rolle. Wir haben drei maßgebliche Bundesstraßen hier im Gebiet und wir haben die Schweizer Grenze.

Es gibt also keinen besonderen Kriminalitätsschwerpunkt in der Stadt?

Nein. Was jetzt wieder losgeht, in der dunklen Jahreszeit, das sind Wohnungseinbruchsdiebstähle. Das war in den letzten Jahren eine Herausforderung, bei der man erhöhte Fallzahlen hatte. Es wird auch dieses Jahr wieder ein Schwerpunkt sein, auch beim Revier in Donaueschingen. Einen Kriminalitätsschwerpunkt sehe ich momentan nicht.

Info

Zur Person

Thomas Knörr, 53, ist seit 1. Oktober Leiter des Polizeireviers Donaueschingen. Er übernimmt die Aufgabe von Polizeihauptkommissar Kai Stehle, der seit dem Weggang von Jörg Rommelfanger im März kommissarisch das Revier leitete. Beide wurden von Gerhard Regele für ihre Arbeit gelobt. In seiner Funktion als Leiter des Reviers ist Knörr für rund 50 Beschäftigte verantwortlich. Das Zuständigkeitsgebiet umfasst die Donaueschingen, Hüfingen, Bräunlingen und Blumberg mit insgesamt 32 Stadt- und Ortsteilen. Mit Blumberg liegt ein Polizeiposten im Zuständigkeitsbereich, der an eine EU-Außengrenze stößt.