Andreas Goldschmitt, Leiter des Abteilungsleiter des Wirtschaftsgymnasiums Foto: Liebetanz Foto: Schwarzwälder-Bote

Interview: 50 Jahre berufliche Gymnasien / WG-Abteilungsleiter spricht über die Schullandschaft

Donaueschingen. WG-Abteiltungsleiter Andreas Goldschmidt spricht im Interview über 50 Jahre berufliche Gymnasien, was heute gefeiert wird.

Heute feiert das Land 50 Jahre berufliche Gymnasien. Wie haben sich die beruflichen Gymnasien in dieser Zeit verändert?

Es sind verschiedene Profile entstanden, die sind gewachsen. Beispiel technisches Gymnasium: Da gab es wahrscheinlich am Anfang nur ein Profil, zwischenzeitlich haben die TG, sogar fünf Unterprofile. Beispiel Wirtschaftsgymnasium: Das war jetzt relativ lang konstant, jetzt gibt es das Unterprofil Internationale Wirtschaft und Wirtschaft Normalform. Das sozialwissenschaftliche Gymnasium hat zwischenzeitlich zwei Profile – das ist eine Entwicklung. Und die andere Entwicklung, unabhängig von den Profilen, sind natürlich die Schülerzahlen. So ganz grob: 1970 waren es vielleicht von den Gymnasiasten zwölf Prozent und heute sind über ein Drittel an beruflichen Gymnasium.

Profitieren die beruflichen Gymnasien von der Einführung des G8?

Ich kann nur die Situation in Donaueschingen beurteilen. Wir haben profitiert, weil viele Eltern sagen, es besteht die Möglichkeit, anstatt das G8 durchzuboxen, nach der zehnten Klasse Gymnasium hierher zu kommen. Schlussendlich machen sie hier ja eine 13. Klasse. Und dann haben die Kinder nochmals ein Jahr mehr und zwar mehr Entwicklungszeit. Ich werte das nicht immer auf den Lehrplan und so weiter, sondern wir machen die Erfahrung in allen Schularten, sei es Berufsschule, sei es Mittelstufe, sei es Gymnasium und so weiter.

Wenn man den Schülern ein bisschen Luft lässt für die Entwicklung, dann tut ihnen das gut, und sie lernen dann anders. Und dann besteht noch die Möglichkeit, nach dem Besuch der Realschule zu uns zu kommen. Das ist vielleicht so ein bisschen ländlich strukturiert. Ein gutes Beispiel ist Blumberg oder Bonndorf. Da sagen die Leute gern, in der fünften Klasse soll mein Kind nicht schon nach Donaueschingen fahren. Sondern die schicken ihr Kind auf die Realschule und nach der zehnten Klasse kann es am beruflichen Gymnasium das Abitur machen.

Die Bildungspolitik des Landes war in den vergangenen Jahren geprägt von Diskussion und Änderung. Man hat immer den Eindruck, die beruflichen Gymnasien sind von dieser Entwicklung ausgenommen. Woran liegt das?

Es gibt immer einen politischen Wind. Das kriegen wir ja selber mit. Wenn es einen Regierungswechsel gibt oder einen Wechsel innerhalb des Kultusministeriums wird immer neu fokussiert. Die letzte Kultusministerin von der CDU, Marion Schick, hat die beruflichen Schulen ganz stark in den Fokus genommen. Mit dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg kamen die Gemeinschaftsschulen. So erscheint das natürlich kurzfristig, als dass man sagen könnte, okay, die sind wieder hinten.

Und wohin weht der politische Wind jetzt für die beruflichen Gymnasien?

Sorgen brauchen wir uns keine zu machen: Bei den Gemeinschaftsschulen, die jetzt jeder kleine Ort hat, werden die Oberstufen nicht wie Pilze aus dem Boden schießen. Sondern gerade im Gegenteil.

Also ist die Gemeinschaftsschule für Sie nicht eher das Sorgenkind, sondern eigentlich der Schülerlieferant?

Genau, das könnte eine Zulieferschule werden. Wo man eher vielleicht ein bisschen aufpassen müsste, ist die Entwicklung, dass zum Teil die allgemeinbildenden Gymnasien Realschulzweige aufmachen und dann praktisch diese Schüler wieder weiterführen ins Abitur. Beispiele gibt es aber eher in der Nähe von Freiburg.

Wo sehen Sie weitere Herausforderung, denen sich berufliche Gymnasien in den kommenden Jahren stellen müssen?

Die Herausforderung für die beruflichen Gymnasien wird natürlich sein, sich immer so zu positionieren, dass sie eine Alternative bieten für die Allgemeinbildenden. Das können sie einerseits durch die Profile. Das kann aber auch die Schule ein Stück weit selber, indem sie sich überlegt, was sie für die Schüler anbieten kann, um sozusagen attraktiv zu sein.

Wo sehen Sie Ihre Position in der Bildungslandschaft Donaueschingen?

Als hier das Wirtschaftsgymnasium eingeführt wurde, gab es auch erst mal Gegenstimmen und so weiter. Aber wir bieten sozusagen für all diejenigen Schüler, die nicht sofort aufs allgemeinbildende Gymnasium gehen, die Möglichkeit, dass sie hier die allgemeine Hochschulreife machen. Kinder können so beruhigt vor Ort auf die Realschule. Und wir bieten natürlich eine Alternative zum allgemeinbildenden Gymnasium, das ist ganz klar. Also sehen wir unsere Positionierung eher in der Bildungslandschaft der Südbaar: Die Schüler haben überhaupt mal eine Alternative, einen alternativen Weg, um da sozusagen die allgemeine Hochschulreife zu bestreiten. Zusätzlich haben wir noch das TG, was ja im Grunde genommen auch nochmals eine Bereicherung ist und eine Wahlmöglichkeit innerhalb der beruflichen Gymnasien bietet.

Entspannt sich die Situation durch das TG oder gibt es bei Ihnen immer noch Wartelisten?

Klar, bei uns hat es ein bisschen die Bewerberzahlen entspannt, aber die anderen TGs merken das sicher auch. Die Warteliste gibt es allerdings immer noch. Es gibt eine formale Voraussetzung, also es gibt eine Aufnahmeverordnung, die das Ganze regelt. Wir sind eigentlich gesegnet mit Zahlen, mit Bewerbungen. Seit ich Abteilungsleiter bin, haben wir eigentlich immer ein Überangebot an Schülern. Das heißt, wir müssen Schüler abweisen, weil wir drei Eingangsklassen mit 90 Schüler haben und wenn es halt mehr sind, dann müssen die schauen, wo sie sonst unterkommen.

Gibt es Überlegungen, das WG auf Vierzügigkeit auszubauen?

In der Zeit, als die beruflichen Gymnasien im Fokus von ministerialer Seite waren, wurden die Schulen gestärkt. Villingen hat nochmals eine Klasse gekriegt. Und in Donaueschingen wurde auf die Bildungsvielfalt gesetzt und an der Gewerbeschule das Technisches Gymnasium installiert.

  Die Fragen stellte Stephanie Jakober.

Andreas Goldschmidt ist seit 2002 Lehrer am Donaueschinger Wirtschaftsgymnasium. Seit September 2010 leitet er die Abteilung WG. Er hat Theologie studiert und sammelte anschließend berufliche Praxis im Informatikbereich. Als Quereinsteiger kam er an die Kaufmännischen und Hauswirtschaftlichen Schulen in Donaueschingen.