Jessica Stifel (rechts) im Gespräch mit Al Hamoud Eyad und Abid Houssein. Die Asylbewerber haben viele Fragen. Foto: Falke

Syrer und Pakistani aus dem "Sternen" erzählen ihre tragische Geschichte. Krieg und Elend treiben sie fort.

Donaueschingen - Zusätzlich zu den 65 Asylbewerbern soll Donaueschingen Heimat für 230 weitere Asylbewerber werden. Welche Geschichten bringen die Menschen mit? Zwei Männer berichten von ihrem beschwerlichen und gefährlichen Weg hierher.

Es ist eine tragische Geschichte die Al Hamoud Eyad und Abid Houssein erzählen. Doch ist es nicht irgendeine, sondern die von ihrer eigenen Flucht aus ihren Heimatländern Syrien und Pakistan.

Der Pakistani Abid Houssein ist ein spürbar ruhiger Mensch. Still sitzt er zunächst auf dem Holzstuhl im Sternensaal. Er erzählt seine Geschichte leise, wenn er von seiner Familie spricht, blitzen Traurigkeit und Sehnsucht in seinen Augen auf. Als der Pakistani Abid Houssein seine Heimat verlässt, ist seine Frau gerade hochschwanger. Er lässt sie dort mit seinem Sohn zurück. Die Tochter hat ihren Vater, außer via Skype, noch nie gesehen. Hat noch keinen Kuss von Papi bekommen und konnte sich noch nicht an seiner starken Schulter ausweinen. Heute sind die zwei Kinder des 38-Jährigen vier und sechs Jahre alt. Schweren Herzens entschied sich Houssein im Jahr 2010 seine Familie und seine Heimat zu verlassen – mit einem Ziel: das sichere, aber tausende Kilometer entfernte Deutschland. In seiner Heimatstadt Gujrat, unweit der indischen Grenze, leiden die Menschen nicht nur unter Hunger und Armut, sondern auch unter dem immer stärker werdenden Einfluss der Taliban. Wie schrecklich es in Pakistan wirklich zugeht, zeigte vergangene Woche das Schulmassaker bei dem über 150 wehrlose Kinder brutal von Taliban-Monstern hingerichtet wurden. Zum Alltag gehören dort, dass sich Selbstmordattentäter in die Luft sprengen und viele andere wehrlose Menschen in den Tod reißen. Als Ladenbesitzer, wie Houssein einer war, muss man ständig damit rechnen, überfallen zu werden. "Man lebt in ständiger Angst", sagt er leise. Als er zu Fuß in den Iran flüchtet, weiß der Vater nicht, dass er Jahre von seiner Familie getrennt sein wird, und die Wahrscheinlichkeit auf ein baldiges Wiedersehen in Deutschland so gut wie unmöglich sein wird.

Von seiner Flucht erzählt der Pakistani regelrechte Horrorszenarien. Mit über 65 Menschen sitzt er zusammengepfercht 72 Stunden ohne Wasser und ohne Nahrung in einem Boot auf dem offenen Meer zwischen der Türkei und Griechenland fest. "Ich hatte Todesangst", sagt er und sein Blick schweift durch den Raum. Das Boot wird von der griechischen Polizei aufgegriffen. Die Flüchtlinge werden dort erst einmal für drei Monate ins Gefängnis gesperrt. Im Gefängnis ging es ihm nicht schlecht. Die Polizei hat sich gut um sie gekümmert. Als er entlassen wird, bleibt Houssein für drei Jahre dort. Arbeitet als Tagelöhner.

Doch Griechenland soll nicht seine Endstation sein, denn die Arbeit dort wird weniger und weniger. Sein Ziel ist weiterhin das gelobte Deutschland. Scheinbar mithilfe wildfremder Menschen gelingt ihm die Flucht als Mitfahrer in einem privaten Auto über Italien nach Deutschland. Frankfurt heißt seine erste Station. Schließlich landet er über das Zuteilungsverfahren in Donaueschingen. Seit 15 Monaten ist der Pakistani nun im gelobten Land. Doch bis heute weiß er nicht, ob er auch hier bleiben darf. Sein Asylverfahren dauert nach wie vor an. Die Chancen darauf hier bleiben zu können, sind allerdings sehr klein. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf unsere Anfragen antwortet, entschied das Amt bis zum 30.11. über 2896 Anträge pakistanischer Flüchtlinge. 541 Personen wurden als schutzbedürftig anerkannt und erhielten ein Bleiberecht. 1371 Anträge wurden abgelehnt. Die restlichen Anträge würden sich aus anderen Gründen für die Bundesrepublik erledigen, zum Beispiel weil ein anderes EU-Land für das Asylverfahren zuständig sei.

Die Chancen des Syrers Al Hamoud Eyad hingegen sind um einiges besser, als die seines Leidensgenossen. Denn Flüchtlinge aus Syrien werden aufgrund des dort tobenden Krieges und dem IS-Terrors bevorzugt im Asylverfahren behandelt. Nach Syrien muss vorerst keiner mehr zurück, der Deutschland erst einmal erreicht hat. Trotzdem hat Eyad, anders als seine Landsleute im Asylbewerberheim in Donaueschingen, noch keine Papiere. Denn seine Situation ist kompliziert. Der 30-Jährige kommt aus der hart umkämpften Stadt Aleppo. Dort steht kaum mehr ein Stein auf dem anderen. Gewehrsalven gehören in der Stadt schon zum Alltag.

Erste Station des Syrers ist die Türkei, weiter geht es über Griechenland. Von dort aus geht sein Weg weiter über Serbien, Ungarn, Österreich und die Schweiz nach Deutschland – die Strecke hat der junge Mann zu Fuß hinter sich gebracht. Geschlafen hat er in Parkanlagen unter freiem Himmel, gegessen hat er das allernötigste, was er von Einheimischen zugesteckt bekommen hat. In Ungarn wird er von den Behörden aufgegriffen, muss Fingerabdrücke hinterlassen. Man lässt ihn laufen. Als er es nach vielen Wochen nach Deutschland schafft, kommt er erst einmal in Abschiebehaft, denn die Bundespolizei weiß aufgrund der Fingerabdrücke, dass er in Ungarn bereits registriert wurde. Flüchtlinge, die über ein EU-Drittland einreisen, werden dorthin wieder zurückgeschickt. Doch für Syrer gilt das nicht. In Karlsruhe wurde bereits entschieden, dass der 30-Jährige nicht nach Ungarn abgeschoben wird. Warum er bis heute allerdings keine Papiere hat, versteht er nicht.

Beide Männer fühlen sich in Donaueschingen wohl. "Die Menschen sind so freundlich und hilfsbereit", erzählen sie. Sie würden gerne arbeiten. Doch das Asylrecht verweigert den Asylbewerbern die Arbeit. Auch die Sprachbarriere stellt eine gar unüberwindbare Hürde dar. Auch hier stehen nur denen die intensiven Integrationskurse zur Verfügung, die bereits in Deutschland anerkannt wurden. Für Houssein und Eyad bleibt aber immerhin der tägliche Deutschkurs, den der Arbeitskreis Asyl im Flüchtlingswohnheim anbietet. Doch dieses Angebot füllt eben nicht einen langen Tag, der auf wenigen Quadratmetern vorüber gehen muss.