Diskutierten über das Thema "Neid" aus verschiedenen Perspektiven: Mediator und Supervisor Gerhard Peral-Müller, Moderator Andreas Menge-Altenburger, Pfarrerin Esther Kuhn-Luz und Rechtsanwalt Kai Georg. Foto: Messmer Foto: Schwarzwälder-Bote

"Neid" – Todsünde oder anthropologische Konstante? Erwachsenenbildung diskutiert

Donaueschingen (mes). "Neid – Todsünde oder anthropologisch Konstante" lautete das Thema im Mariensaal zu der die evangelische und katholische Erwachsenenbildung in ihrer Veranstaltungsreihe "Anstöße" eingeladen hatte.

Der Begriff Todsünde mutet zwar antiquiert an, ist aber immer noch geläufig. Schwieriger wird es bei der Frage nach der anthropologischen Kontante also nach der Frage, ob Neid zum menschlichen Wesen naturgemäß dazugehört.

Ein spannendes Thema also, zu dem die Veranstalter kompetente Referenten aus unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen eingeladen hatten, angefangen bei Andreas Menge-Altenburger, der den Abend gekonnt moderierte. Er begrüßte auf dem Podium Pfarrerin Esther Kuhn-Luz, Mediator und Supervisor Gerhard Peral-Müller, sowie den Donaueschinger Anwalt Kai Georg.

Menge-Altenburger berichtete zunächst einführend über seine Recherchen zum Thema und nannte Begriffe wie Sozialneid, Missgunst und Ähnliches die in Lexika hierzu genannt werden. Pfarrerin Kuhn-Luz erläuterte den Begriff anhand der biblischen Urgeschichte des Neids, nämlich der Geschichte von Kain und Abel. Kain war bekanntlich neidisch auf seinen Bruder Abel, dessen Opfergabe Gott besser gefallen hatte und erschlug ihn deswegen. Der Symbolgehalt dieser Geschichte ist ebenso einfach wie zeitlos.

Neid erschwert das Zusammenleben, es wirkt destruktiv und zerstörerisch. Ein vermindertes Selbstwertgefühl und Unzufriedenheit mit sich selbst sind der ideale Nährboden für Neid. Rechtsanwalt Georg, dessen Tätigkeitsschwerpunkte im Erbrecht, Arbeitsrecht und Wettbewerbsrecht liegen, berichtete von Fällen aus seiner Praxis. Bei Erbangelegenheiten sei es oft nicht nachvollziehbar, weshalb sich Familien wegen vergleichsweise geringwertigen Gütern streiten. Die psychologische Ursache dafür müsse wohl in empfundener Geringschätzung der Erblasser gegenüber einzelnen Erben liegen.

Mediator Peral-Müller äußerte sich ähnlich. Neidgefühle hätten sehr viel damit zu tun, welche Wertigkeit man als Person erfahre. Je nachdem wie zufrieden man mit sich und seiner Person ist, gönnt man seinen Mitmenschen deren Wohlstand oder Erfolge oder ist missgünstig und neidisch, wobei ein Unterschied zwischen materiellen Gütern und individuellem Können besteht. "Wir sind eher geneigt, unserem Nachbar seinen Besitz zu neiden, als sein Können. Kennen wir beispielsweise einen guten Musiker, sind wir in der Regel auf sein Können nicht neidisch."

Neid sei möglicherweise auch ein Folge unserer kapitalistischen Lebensweise, in der uns von klein an beigebracht wurde, mehr zu leisten und mehr zu erreichen. Neid sei vielleicht auch eine Folge unseres Vergütungssystems, in der wir caritative und pflegerische Berufe geringer entlohnen als Finanzdienstleistungen. Damit würden wir unsere Wertigkeiten zeigen, was wiederum Einfluss auf das Selbstwertgefühl der entsprechenden Personen haben könne.

Interessant ist auch die Frage, wie man sich vor Neid schützen kann, oder auch, ob Neid im positiven Sinne als Triebfeder wirken kann – alles Fragen, die zum Nachdenken anregen. Wie immer wurden die "Anstöße" ihrem Anspruch gerecht.

Der Abend gab auch diesmal keine endgültigen Antworten, weil es für derartige Themen keine gibt. Er gab Anregung und den Anstoß, nach Antworten zu suchen, die jeder für sich selbst finden muss.