In dem Handwerksbetrieb wird jeder Einzelne gebraucht. Foto: Alfred Kiess GmbH

Gemischte Belegschaften sind eine Chance für Unternehmen. Arbeitgeber müssen sich aber kümmern, damit sich alle Mitarbeiter angenommen fühlen können.

Immer interessanter wird der deutsche Arbeitsmarkt für ausländische Fachkräfte. Und diese werden hier auch gebraucht. Doch viele Unternehmen sind auf den Zuspruch aus verschiedenen Kulturen, Nationalitäten, Sprachen und Religionen nicht vorbereitet. Dabei bietet interkulturelle Offenheit Chancen: Teams lernen, Menschen, die anders sind, zu integrieren. 'Gerade in Zeiten, in denen qualifizierte Mitarbeiter, etwa als Ingenieure und Techniker, knapp sind, ist es wichtig, ausländische Fach- und Führungskräfte zu akquirieren', sagt Christopher Stehr, Professor an der German Graduate School of Management and Law (GGS) in Heilbronn.

Für attraktive Arbeitgeber ist Diversity, also die Unterschiedlichkeit von Menschen hinsichtlich Geschlecht, ethnischer Herkunft, Alter, Behinderung, Religion oder sexueller Orientierung, Teil ihrer Firmenkultur. Gute Erfahrungen mit einer bunt gemischten Belegschaft macht Tilo Kiess. In seinem Schreinerbetrieb für Innenausbau arbeiten 50 Personen aus neun Nationen, darunter drei Gehörlose. 'Wir merken, dass durch diese Zusammenstellung unsere Leute motivierter sind, weil sie spüren, dass jeder angenommen und willkommen ist', sagt der Geschäftsführer. Er versteht sich nicht als Samariter, der Personal hat, das sonst keiner will.

Für Personalgespräche bestellt der Chef erforderliche Übersetzer

Er brauche jeden Einzelnen. 'Ich habe aus der Not eine Tugend gemacht, denn im Handwerk haben wir absoluten Personalnotstand', sagt Kiess, der vor allem Schreiner beschäftigt. Sein Lohn für die kreative Personalbeschaffung: loyale Angestellte, die verschiedenste Fremdsprachen sprechen und ungewöhnliche Qualifikationen mitbringen. Die gehörlosen Mitarbeiter beispielsweise kommunizieren quer durch die Werkstatt beim größten Maschinenlärm per Gebärdensprache. Damit Nachteile gar nicht erst auftauchen, werden wichtige Informationen sowohl mündlich als auch per Aushang bekanntgegeben. Für Personalgespräche oder Betriebsversammlungen bestellt der Chef erforderliche Übersetzer. Und damit sich niemand ausgeschlossen fühlt, bietet der Handwerksbetrieb Kurse in Gebärdensprache an.

Für ein aktuelles Projekt in Saudi-Arabien war Kiess froh, drei muslimische Mitarbeiter zu beschäftigen. Vier weitere hat er auf Projektbasis eingestellt, um den berühmten Clock Tower in Mekka einzurichten. 'Nach Mekka dürfen nur Muslime', berichtet der Familienunternehmer in dritter Generation, warum er mit seiner Firmenkultur kein Wohltäter ist, sondern strategisch-ökonomisch Potenziale hebt. 'Erfolg fängt mit der richtigen Verständigung an', sagt Petra Grossmann von averto. Die Agentur unterstützt seit vielen Jahren Unternehmen dabei, ausländische Fach- und Führungskräfte zu finden und zu integrieren.

'Wir sehen immer wieder, was für einen Unterschied es macht, wenn sich Arbeitgeber zum Auftakt gut kümmern', ergänzt die Geschäftsführerin. Und auch Statistiken belegen: schnell werden andere Menschen irrational kategorisiert, mit negativen Wertigkeiten belegt, ignoriert und gemieden. 'Daraus resultieren Kommunikationsschwierigkeiten, Unbehagen, Angst und mangelnde soziale Integration', erläutert der Heilbronner Professor für International Management. Andersartigkeit als Innovationsmotor zu begreifen, dazu will Stehr beitragen. Und es gibt Nachholbedarf: Eine Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit von 2010 zeigt, dass Bewerber mit deutschem Namen eine 14 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, vom Betrieb kontaktiert zu werden, als Bewerber mit türkischem Namen.

Arbeitgeber müssen einen PC bereitstellen

Bei kleinen Firmen war die Wahrscheinlichkeit sogar um 24 Prozent höher. Und Erhebungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von 2012 zeigen, dass Frauen im Schnitt 23 Prozent weniger verdienen als Männer. Gering bezahlte, dienende, gefährliche und schmutzige Arbeiten werden oft von Minderheiten ausgeführt. Und sowohl jüngere als auch ältere Beschäftigte werden vielfach benachteiligt, wenn es um Beförderung oder interessante Aufgaben geht. 'Auch wenn es ganz selbstverständlich klingt: Arbeitgeber sollten dafür sorgen, dass es am ersten Arbeitstag einen Arbeitsplatz und einen PC gibt', rät die Fachfrau für internationales Recruiting, Petra Grossmann.

Ein Einarbeitungsplan für die ersten Tage, eine Telefonliste und ein Sitzplan mit Namen sollten dann ebenfalls bereitliegen. Wer täglich damit zu tun hat, ausländische Fachkräfte in Deutschland zu integrieren, kennt die Mitarbeiter der Ausländer- und Meldebehörden aus der täglichen Arbeit. 'Wir unterstützen unsere Kunden beim Antrag von Arbeitsvisa und bei Behördengängen', sagt die averto-Geschäftsführerin. Die GmbH mit Sitz unter anderem in Frankfurt und Düsseldorf schickt auch einen Consultant, der den Gang aufs Amt begleitet oder vertritt.

Um es dem Neuling einfacher zu machen, sollten nicht nur organisatorische Dinge geklärt sein, auch Hilfe für das persönliche Umfeld beschleunigt die Integration. 'Sehr nützlich für den Expat sind Stadtinformationen, Restauranttipps oder wenn das Team zum Einstand eine gemeinsame Freizeitaktivität organisiert', erläutert Grossmann. Sprachkurse in Deutsch für den ausländischen Mitarbeiter und in Englisch für die Kollegen sind nie verkehrt. Wichtig sei es außerdem, die kulturellen Unterschiede in Kommunikation und Arbeitsweise nicht zu unterschätzen. Ein interkulturelles Kurztraining für das ganze Team kann helfen. Denn fühlt sich der neue Mitarbeiter schnell wie zu Hause, steigt die Produktivität, und die Wahrscheinlichkeit, dass der Aufenthalt in Deutschland vorzeitig abgebrochen wird, sinkt.