Gemeinderat: Ferdinand von Bissingen spricht Punkte an, die Bürgermeister Frank Scholz nicht erwähnt hatte

Von Anja Schmidt

Dietinger Gemeinderäte setzen sich zur Wehr. Während Bürgermeister Frank Scholz auf die Kritikpunkte kaum reagiert, schiebt Gerhard Schneider den Ball an die Räte zurück.

Dietingen. Die Stimmung im Gemeinderat ist angespannt. Immer wieder wurde Unmut geäußert, der Kopf geschüttelt oder resigniert mit den Schultern gezuckt. Jeder, der zuhörte, wusste, worum es geht. Die Gemeinderäte entscheiden zwar, aber manche fühlen sich dennoch vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen. Die Stimmung nicht wahrzunehmen scheint Bürgermeister Frank Scholz.

In seiner Jahresabschlussrede im Dezember zog er ein rundum positives Resümee. Lobte das Geleistete, stellte Dietingen als attraktiv und strahlend dar, verlor aber kein Wort darüber, dass "eben nicht alles bestens lief", wie sich Gemeinderat Martin Bantle ausdrückte.

In der jüngsten Sitzung begann die Missstimmung in der Bürgerfragestunde. Nichts Neues im Übrigen. Fast jede Sitzung in Dietingen wird von zahlreichen Bürgern begleitet, und meistens bleiben sie nicht wortlos. Ihre Fragen drücken Misstrauen gegenüber der Verwaltung aus, und die Antworten scheinen meist nicht zu beruhigen.

Geheimnis um Schulnamen

Ein Paradebeispiel für eine Dietinger Sitzung bot dann der erste Tagesordnungspunkt. Eigentlich nichts Aufregendes. Für die Dietinger Grundschule sollte lediglich ein Namen gefunden werden. Damit beauftragt, einen vorzuschlagen, war Schulleiterin Brigitta Köhnen, die dafür, so Scholz, aufgrund der pädagogischen Nähe am besten geeignet sei. Schon zu diesem Zeitpunkt regte sich Gemurmel. "Wie lautet denn der Name?" Doch Scholz hielt dicht. Wie in anderen Sitzungen schon zuvor, wenn er den richtigen Zeitpunkt für das Lüften eines "Geheimnisses" noch nicht gekommen sieht. Köhnen, die diese Umstände nicht kennt, und wie sie im Nachhinein erklärte, auch mit dem Verfahren nicht vertraut war, reagierte lachend: "So ist es doch viel spannender."

Doch darum ging es nicht. Wieder einmal fühlten sich die Räte vor vollendete Tatsachen gestellt. "Wie sollen wir über etwas entscheiden, wenn wir nicht informiert werden", so der Tenor. Kaum wurde der Name bekannt, fragten Frank Weißhaupt oder Martin Bantle: "Warum werden wir nicht früher eingebunden?" Und Ferdinand von Bissingen: "Wir sind Vater und Mutter dieser Namensgebung, da sollten wir uns schon länger Gedanken machen dürfen."

"Morgenstern" vertagt

Scholz ging darauf nicht ein. Erklärte wiederholt, dass die Schulkonferenz für die Findung des Namens hervorragend geeignet sei, aber nahm keine Stellung dazu, warum der Gemeinderat zuvor nicht informiert wurde. Köhnen hingegen bat um Verzeihung. Die Idee, den Namen bis zur Sitzung geheim zuhalten, kam nicht von ihr.

Jetzt reagierte auch Scholz: Die Entscheidung über den vorgeschlagenen Schulnamen – übrigens "Morgenstern" – werde vertagt. Den Namen Morgenstern entwickelte die Schule aus Christian Morgenstern, Lina Morgenstern und dem Himmelskörper Morgenstern. In einer schönen Präsentation erläuterte Köhnen die Hintergründe, insbesondere die Dreiheit als Symbolkraft für die drei Standorte der Schule. Glücklich, das zeichnete sich schon ab, zeigte sich der Rat mit der Namensgebung jedoch nicht.

Während die weiteren Punkte, die bereits im Ortschaftsrat Dietingen verhandeltet wurden (Bebauungspläne "Krumme Äcker", "Blumen" und "Wasen") friedlich über die Bühne gingen, sprang Klaus Weisser bei Punkt sechs auf und verließ den Saal. Seiner Verabschiedung wollte er nicht beiwohnen. Bei seiner Rückkehr griff Klaus Häsler dennoch den Faden auf. Er bedauere das Ausscheiden von Weisser sehr, sagte der Ortsvorsteher von Irslingen. Die Zusammenarbeit mit ihm sei immer sehr angenehm und fruchtbar gewesen, und er dankte ihm für die viele Energie und Zeit. Ein Riesenapplaus schloss sich seinen Worten an. Und Weisser betonte, dass er mit einem lachenden und einem weinenden Auge gehe.

Doch die Sitzung war noch nicht um. Ferdinand von Bissingen meldete sich zu Wort, und überraschte mit einem eigenen Jahresrückblick. Ihn vor Weihnachten zu halten, hielt er für unangemessen. "Mir lag eine friedvolle End-Jahres-Stimmung am Herzen." Zu sehr habe er noch das "Märchen" vor Augen, das für Unruhe und Unfrieden in der Gemeinde gesorgt habe. Und dann kam die Ansprache von Scholz vor Weihnachten.

Rat von Bissingen zählt auf

Verwundert habe er zur Kenntnis genommen, dass die Rede "nur ein Teilausschnitt von dem war, was uns im Gemeinderat beschäftigte". Gefehlt hätten etwa Worte zum Beschluss "Auffüllung Holderäcker". 750 000 Euro hätte die Umsetzung der Gemeinde bringen können. Dringend benötigt für anstehende Projekte. Was geblieben sei, war eine mangelhafte Ausschreibung, eine fehlende Baugenehmigung, Kosten für das Ingenieurbüro, ein zurückgetretenes Ratsmitglied ("aufgrund mangelnder Unterstützung seitens der Gemeindeverwaltung"), "enttäuschte und verärgerte Bürger in Böhringen" und "eine offene Frage, ob wir nicht in der Lage sind, Großprojekte ordentlich umzusetzen".

Rat Schneider schimpft

Auch ein weiteres großes Projekt sei von Scholz nicht angesprochen worden: der Kindergarten. Viel Überraschendes sei dazu von der Verwaltung vorgetragen worden, insbesondere die Kostenexplosion der Außenanlage. "Also", so empfahl von Bissingen den Räten, "Köpfe zusammenstecken und nach Alternativen suchen."

Enttäuscht zeigte sich von Bissingen auch von dem von Scholz vorgeschlagenen Sabbatjahr 2016. In der Planung sei davon nichts mehr zu spüren gewesen. Außerdem sei in Scholz’ Weihnachtsansprache nichts vom Bauhof erwähnt worden, der seit mehr als einem halben Jahr ohne Leiter und Fachaufsicht dastehe. Eine Antwort über die Aufgaben und Mannstunden im Bauhof sei er dem Gemeinderat seit mehr als 15 Monaten schuldig geblieben.

Nichts erwähnt habe der Bürgermeister zur Auseinandersetzung mit vereinzelten Jagdpächtern, um den "ständigen Rechtsstreitigkeiten und den Wildschäden an den Flächen unserer Landwirte einen Riegel vorzuschieben". Auch wären Fragen zur Umsetzung der neuen Gemeindeordnung offen geblieben.

Ferdinand von Bissingen schloss mit dem Appell nach frühzeitiger, transparenter Projekt-Planung, mehr Kostenbewusstsein und Nachhaltigkeit in der Aufgabendurchführung. Der erste, der auf diese überraschende Rede reagierte, war Gerhard Schneider. Was von Bissingen mit ihr beabsichtige, wollte er wissen. Und schimpfte, dass in diesem Gremium "alles zerredet und zerpflückt" werde. Wenn etwas nicht funktioniere, müssten sich das alle auf die Fahnen schreiben, so seine Ansicht.

Scholz hingegen blieb sich treu. Verwies erneut auf die Attraktivität der Gemeinde, und empfahl dem Rat: "Das Gremium muss sich die Frage selber stellen, warum er in der Darstellung der Gemeinde so pessimistisch ist."

"Mehr Selbstkritik"

Die Antwort von Martin Bantle: "Fehler muss man benennen." Er bedaure es sehr, dass der Bürgermeister nicht dazu stehen könne. Auch Hildegard Flaig wünschte sich vom Bürgermeister "mehr Selbstkritik". Nichts sollte unter den Teppich gekehrt werden. "Daraus kann man auch lernen." Sie jedenfalls wünsche sich in Zukunft mehr Informationen. "Wir wollen uns mit den Themen beschäftigten, und nicht einfach nur ›Ja‹ sagen."

Klaus Weisser tat an diesem Abend vor allem die Schulleiterin leid. Es war nicht ihr Fehler, bemerkte er. Aber: "Wir wollen mitentscheiden."