Frank Lamprecht mit Schaf und Ziege im Dienste der Pflege der Kulturlandschaft oberhalb von Gößlingen

Von Andreas Pfannes

Dietingen-Gößlingen. Kräftig scheint die Frühlingssonne, das Gras ist noch feucht von der Nacht, der Blick in die Landschaft grandios: Gößlingen ist ein wunderbares Fleckchen. Dies unterstreicht Frank Lamprecht und schickt gleich noch eine Liebeserklärung hinterher: "Es ist mit die schönste Gemeinde im Landkreis."

Frank Lamprecht ist aber nicht alleine gekommen. Er hat eine Schafherde mit 300 Tieren, 120 Ziegen und einen Hund mitgebracht. Der Agraringenieur aus Aistaig, ein bekennender Freund der Natur und Hobby-Ornithologe, betreibt seit dem Herbst auf etwa 15 Hektar "Landschaftpflege mit Biss" in Gößlingen und kümmert sich mit seinen vierbeinigen Freunden um den Erhalt der Kulturlandschaft oberhalb des Fleckens – Richtung Täbingen und Richtung Maria Hochheim.

Wer eine Ahnung bekommen will, welche Zielsetzung damit verbunden ist, kann einen Blick in die Vergangenheit der Gemeinde werfen (Josef Scheible, ehemaliger Ortsvorsteher, und Thomas Bischof, passionierter Heimatforscher) oder sich mit den Fachleuten des Landschaftserhaltungsverbands im Landkreis Rottweil (Christina Romer und Wolfram Rösch) und der Naturschutzbehörde im Landratsamt Rottweil (Ina Hartmann) unterhalten.

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat es die einst artenreiche Flora und Fauna schwer gehabt, sich zu behaupten. Die Verbuschung hat zugenommen, als die Bewirtschaftung der Allmendfläche abgenommen hat. Ein Blick auf das Luftbild von 1931 in der Gößlinger Chronik macht den Unterschied zu heute deutlich. Die Allmendfläche wurde einst auf 73 Bürger, inklusive Pfarrer, aufgeteilt, erzählt Bischof. Scheible erinnert sich an die 50er-Jahre, als die Landschaft beim jetzigen oberen Spielplatz überwiegend frei von Bäumen und Büschen gewesen sei.

Mit Schafen, die Gras fressen, und Ziegen, die Gehölze bevorzugen, soll der Kalkmagerrasen mit Wacholder und Streuobstwiesen gepflegt werden, wird deshalb eine extensive Beweidung betrieben. Wo die Vierbeiner schon waren, also ihren Hunger gestillt haben, erhalten kleine Pflänzchen – endlich – die Chance, Licht zu bekommen. Prompt zeigen sich auf beim einstigen Ackerfeld des Kronenwirts Schlüsselblumen und Salbei. Wie Christina Romer sagt, werden außerdem, um einige Beispiele zu nennen, deutscher Enzian, kleines Habichtskraut, gewöhnliches Sonnenröschen, Kreuzblume, Wacholder und Silberdistel blühen. Sie schwärmt von der Vielfältigkeit der bunten Blüten.

Stachlige, bittere Pflanzen setzen sich durch. Diese wiederum locken Insekten zuhauf und Schmetterlinge an. Dass bereits seltene Vogelarten das Treiben auf den Weiden beobachten, hört Lamprecht, der den Schrei des Wendehalses identifiziert. "Für die Erhaltung der blumenreichen Wiesen um Gößlingen hat das Land Baden-Württemberg eine besondere Verantwortung", teilt Christina Romer mit. Naturschutzbehörde und Landschaftserhaltungsverband unterstützen das Ansinnen der Gemeinde Dietingen, die zunehmende Verbuschung wertvoller Landschaftsteile aufzuhalten. Der gesamte Hang bei Gößlingen sei Landschaftsschutzgebiet "Landschaft um Gößlingen", die westlichen Flächen liegen im europaweiten Schutzgebietsnetz Natura 2000 (FFH-Gebiet "Prim und Albvorland"); einige Magerrasenbereiche der Wacholderheide seien gesetzlich geschützte Biotope.

Bäume gefällt: Trübsal beim Triebweg

Obwohl die neue Gäste ausgesprochen freundlich in Gößlingen aufgenommen worden seien, wie Frank Lamprecht erzählt, gibt es auch einige wenige kritische Stimmen. Das Fällen von Bäumen für den Triebweg oberhalb des Dorfes habe ihnen missfallen, sagt Ina Hartmann. Doch diese Bäume seien in Absprache mit der Behörde auf einer Höhe von zwei Metern umgesägt worden. Der Triebweg für die Tiere dient als Verbindung der beiden Flächen, links und rechts oberhalb des Dorfes. Den Freunden des Naturschutzes ist es ein Anliegen, auf die Vielfalt einer gepflegten, abwechslungsreichen Kulturlandschaft hinzuweisen. Nur ein Wald – das sei schade, so Lamprecht.

Der Fachmann weist auf einen weiteren nützlichen Nebeneffekt seines Tuns hin, die Zecken mit Borrelien betreffen. Bei beweideten Flächen sei das Risiko, bei einem Zeckenbiss an Borreliose zu erkranken, um das 60-fache geringer. Dies hänge damit zusammen, dass die Zecken auf Schafe und Ziegen gehen. Werden diese Tiere jedoch "gebissen", verlieren die Zecken ihre Borrelien – und die Vierbeiner können sie nicht infizieren. Ein Wunder der Natur, das zum Beispiel in der Nähe eines Kinderspielplatzes nicht ungelegen kommen muss.

Lamprechts Pachtvertrag läuft auf 15 Jahre, das Projekt ist also auf Dauer angelegt. Die Kulturlandschaftspflege geschieht nicht auf einen Schlag, sondern sukzessive. Die Herde wandert von Weide zu Weide, immer eingegrenzt durch einen "elektrischen Hirtenbub", einen speziellen netzartigen Zaun. Der Kontakt zu Lamprecht kam durch Scheible und Bischof zustande, als der bisherige Schäfer andere Weiden aufgesucht hat.

Frank Lamprecht vergisst nicht darauf hinzuweisen, dass er bei Gelegenheit Führungen mit Blick auf Pflanzen und Vögel anbieten wolle. Und er bittet, ihn anzurufen, falls die Tiere trotz des Zauns ausgebüxt seien, Telefon: 0160/ 7 20 86 85.