Stefan Bantle feiert am Montag 90. Geburtstag und erinnert sich an ein bewegtes Leben / Soldat, Holzhauer und Ortsvorsteher

Dietingen-Irslingen (apf). "Ich habe 90 Jahre einen guten Schutzengel gehabt." Stefan Bantle, der am Montag seinen 90. Geburtstag feiert, ist zufrieden mit seinem Leben. Er blickt liebevoll zu seiner Frau und freut sich auf ein harmonisches Familienfest mit seinen sechs Kindern und deren Familien.

Dabei kann der ehemalige Irslinger Ortsvorsteher auf bewegte und zum Teil lebensgefährliche Zeiten blicken. Erlaubt sei mancher Blick zurück. Zuerst der zweite Weltkrieg. Stefan Bantle wurde mit knapp 18 Jahren Soldat: am 8. Dezember 1942. Er kam mit der fünften Jägerdivision nach Russland in den Nordabschnitt, wurde im April 1943 am Kopf verwundet, zum Glück in ein Feldlazarett transportiert, dort wurden die Splitter herausgemacht.

Dann der Pfingstsamstag 1945. Nachdem er bei Wittenberg der Roten Armee entwischt und über die Elbe gekommen war, geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft, wurde jedoch nach Schwerin transportiert. Am Bahnhof gab es zwei Züge: einer fuhr Richtung Osten, der andere in die englische Zone. Totenstille. Stiller als in einer Kirche, erinnert sich Stefan Bantle. Er saß im ersten Zug. Dieser fuhr – in den Westen. Doch auch in Schleswig-Holstein ging es nur ums Überleben. Mit seinen Kameraden lag er im Freien, sei nur knapp dem Hungertod entkommen, habe sich von Brennesseln, Erbsen und anderen Pflanzen ernähren können. Dafür sah er seine Heimat, Irslingen, bereits am 29. August 1945, als einziger seines Jahrgangs, wieder.

Die Nachkriegszeit. Sieben Geschwister zählte die Familie Bantle. "Wir waren froh, etwas zu essen gehabt zu haben." Gearbeitet wurde in der Landwirtschaft, wie bereits vor dem Krieg. Stefan Bantle, Angehöriger des letzten Jahrgangs mit lediglich sieben Schuljahren, besuchte zwei Winterhalbjahre lang die Landwirtschafts-Schule in Rottweil. Sein Berufswunsch (Kaufmann oder Sattler) ist hinfällig geworden. In den kommenden Jahren hat er körperlich hart gearbeitet. Als Holzhauer im Wald, in einer Kolonne mit vier Mann. Bis ein Unfall seine Hand in Mitleidenschaft gezogen hat. Ab 1973 erledigte er für die Kreissparkasse Kurierdienste.

Die Familie. Stefan Bantle heiratete 1961 seine Agnes aus Beffendorf, auch sie war im Wald beschäftigt gewesen. Sie führen eine glückliche Ehe. Bis heute. Er bekam von ihr sechs Kinder. Mittlerweile gehören zur Familie 13 Enkel.

Die Kommunalpolitik. Natürlich zuerst im Blick: die Gemeindereform und speziell die "Zwangsehe" mit Dietingen. 1975 war ein "heißes" Jahr. Irslingen legte Verfassungsklage ein, ging bis vor den Staatsgerichtshof in Stuttgart. Wollte nicht "heiraten", hatte sich gewehrt, musste aber. Das Urteil wurde am 1. April 1975 gesprochen, erinnert sich Bantle. Und ihm fiel als dienstältester Gemeinderat – er war seit 1962 dabei – die Pflichtaufgabe zu, Ortsvorsteher zu werden. Der erste. Gewehrt habe er sich, doch am 1. Oktober habe das Landratsamt gesagt, er müsse.

Pflichtbewusst, wie er ist, packte er an. Obwohl die Familie zeitweise darunter gelitten habe. 16 Jahre lang bis 1991 war er Ortsvorsteher. Bis 1994, also 32 Jahre lang, war er ehrenamtlich als Gemeinde- und Ortschaftsrat tätig. Und die Aufgaben waren immens. Neben der Eingemeindung hatte vor allem der Verlust der Schule die Irslinger besonders geschmerzt. Die Stimmung im Ort war durchweg schlecht. Jahrelang. Rathaus und Schule perdu.

Stefan Bantle setzte sich weit über das übliche Maß für seine Heimatgemeinde ein. Beispiele? Die Autobahn. Für eine andere Trassenführung, die ursprüngliche hätte "beste Böden" (Bantle) gekostet, musste argumentiert werden. Es gelang. Damit einher ging die Flurbereinigung. Ein traditionell heikles Terrain. Dann das Wassernetz, das kaputt war. Zeitweise habe das Oberdorf fast kein Wasser gehabt, sagt Bantle, Pumpen seien zu schwach gewesen. Und das Abwasser. Irslingen habe eine Kanalisation gebraucht. Auch der Straßenbau sei ausbaufähig gewesen.

In den Jahren nach 1975 wurde viel für die Infrastruktur gemacht. Stefan Bantle erwähnt die gute Unterstützung des Dietinger Bürgermeisters Hubert Burkard, den offenen und ehrlichen Umgang, auch bei unangenehmen Angelegenheiten. Wie den Wunsch, wieder die Schule zu eröffnen. Darum hat er gekämpft. Erfolgreich. "Es war meine größte Freude, als am 8. September 1990 wieder Kinder in Irslingen zur Schule gegangen sind." Noch heute ist er stolz darauf. Und für Stefan Bantle besonders wichtig, weil "die Vorfahren mit der ersten D-Mark das Schulhaus mit Gemeindebad gebaut" hatten. Damals 1951 – und eingeweiht am 17. Juni 1952.

Hobbys? Was Stefan Bantle gemacht hat und macht, dem bleibt er treu. Kirchenchor, Gesangverein, Feuerwehr, Gemeindetag. Auszeichnungen und Abzeichen für mehr als 50-jährige Mitgliedschaften hat er längst verliehen bekommen. Ein besonders liebes Hobby war das Theaterspielen. Als Erinnerungen an den "Vogt von Mühlstein" (1961) aufgefrischt werden oder an den "Postillon vom Zillertal", leuchten Stefan Bantles Augen.