Foto: Schwarzwälder-Bote

Hubert Burkard erforscht Flugzeugabsturz vom 22. Februar 1945 und macht Angehörige des Piloten ausfindig / Leuchtturm überreicht

Von Jasmin Cools

Dietingen. Nur eine Kappe mit einer Nummer und einem Namen hatte Hubert Burkard, als er mit seiner Recherche zum Flugzeugabsturz bei Dietingen im Jahre 1945 begann. Der Heimatforscher deckte bei seiner Dokumentation in der Zehntscheuer die Hintergründe der mysteriösen Geschichte auf.

Nachdenklich wendet Hubert Burkard die unscheinbare braune Fliegerkappe mit der Inschrift "0-719266 COOPER JR." in der Hand. Wer war der Mann, dem sie gehörte? Was trug sich damals beim Flugzeugabsturz über dem Gebiet der Gemeinde Dietingen wirklich zu?

Im Rahmen der Würdigung von 70 Jahren Ende des Zweiten Weltkrieges kamen mehr als 50 Interessierte zusammen, um den Worten Hubert Burkards, Bürgermeister a. D., zu lauschen. "Halten wir noch kurz inne und lassen wir die Kirchenglocken ausklingen. Sie sind ein Symbol der Besinnlichkeit und passen gut zum Thema", eröffnete Albert Scheible, Leiter der Erwachsenenbildung Dietingen, den Abend.

Dies sei kein typisches Kriegserinnerungstreffen, in dem es um die Sünden der Deutschen gehe, sondern eine Betrachtung des Krieges aus einem anderen Blickwinkel. Die Erwachsenenbildung wolle ein Zeichen gegen den allgemeinen Trend setzen. Deshalb ginge es heute um Versöhnung und Völkerverständigung zwischen Deutschland und seinen mutmaßlichen Feinden.

Versöhnung und Völkerverständigung

Hubert Burkard präsentierte die Ergebnisse seiner breit angelegten Recherche bei amerikanischen Botschaften, der US Army, der gräflichen Familie von Bissingen und unzähligen weiteren Quellen. Die ältesten Dietinger erinnern sich an den Vorfall, als sei es gestern gewesen. Am 22. Februar 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, stürzte ein feindliches Militärflugzeug auf dem Schlossfeld des Hofguts Hohenstein, westlich der Ortslage, ab.

Auf dem Feld fanden der Bauer Karl Maier und Schneidermeister Pius Graf die Plexiglaskanzel des Fliegers und eine lederne Fliegerkappe. Aus der Plexiglaskanzel hatte man kurzerhand ein "Hennahäusle" gemacht. Die Kappe jedoch, wurde im vergangenen Jahr an den Heimatkundler Burkard übergeben, dem die Herkunft des Besitzers keine Ruhe ließ.

Mithilfe von unzähligen Mails und Quellenarbeit fand Burkard heraus, dass es sich um den Amerikaner Priesley Paul Cooper Junior handelte. Cooper, zum Zeitpunkt seines Absturzes gerade einmal 20 Jahre alt, war ein in Roby, Texas, geborener Second Lieutnant der US Army Air Forces im 52. Jagdgeschwader der fünften Staffel. An jenem Morgen des 22. Februars flog Cooper mit seinen Mitkämpfern vom Stützpunkt in Madna bei Termoli in Italien Richtung Süddeutschland.

Bei den Flugmaschinen handelte es sich um das Jagdflugzeug "Mustang" mit roter Nase und gelbem Heck, sechs automatischen Maschinengewehren in den Tragflächen und einer Reichweite von 3000 Kilometern bei einer Höchstgeschwindigkeit von 700 Stundenkilometern und einer maximalen Flughöhe von 12 000 Metern. Coopers Auftrag war es, die viermotorigen B 17-Bomber, deren Ziel die Lahmlegung der Bahnstrecke Rottweil – Horb war, zu eskortieren. Sobald die Bomben abgeworfen waren, erlaubte man den Begleitfliegern, den Beschuss von Bodenzielen im Tiefflug von bis zu 15 Metern über Grund.

Weitere amerikanische Flugzeuge griffen den Bahnhof Talhausen, Sendemasten sowie Fabriken in Donaueschingen, Rottweil und Oberndorf an. Von der fünften Staffel schafften es 20 Flieger unbeschadet zurück nach Italien. Robert Rhodes, ein Flugkamerad Coopers, konnte sein angeschossenes Flugzeug in Liechtenstein notlanden. Cooper jedoch, in starkes Flakfeuer über der Stettener Höhe beim heutigen Gewerbegebiet "Inkom" geraten, konnte seine Maschine nicht mehr steuern und stürzte ab.

Bei einer Höhe von 150 Metern versuchte der 20-Jährige noch, mit dem Fallschirm abzuspringen, jedoch verhedderte dieser sich an den Tragflächen, und er stürzte mit seiner Maschine in den Tod. Das verbrannte Flugzeug mitsamt Flieger fand man gegen 15 Uhr auf dem Hohensteiner Mittelfeld, ungefähr 50 Meter vom Römerweg entfernt.

Cooper wurde 1945 in Dietingen bestattet, später auf den Soldatenfriedhof nach Neupre in Belgien umgebettet. Was bleibt, ist nur noch seine Fliegerkappe, das Relikt eines kurzen Lebens.

Gebannt lauschten die Interessierten Burkards Vortrag. Einige seiner Zuhörer erinnerten sich an den Vorfall, manche waren selbst dabei. Manch einem kamen bei der Rekapitulation der Erinnerungen an die Angriffe die Tränen. Rührend ist ebenso, dass Burkard zwei Neffen Coopers ausfindig machen konnte, und ihnen die Informationen über ihren verstorbenen Onkel zukommen ließ.

Tagebuch eines französischen Kriegsgefangenen wird übersetzt

So hieß es in Dankesbriefen der in Austin, Texas, lebenden Neffen: "Unser Onkel war eine ikonische Gestalt und gab das letzte Maß seines Lebens für unsere Freiheit." Burkard will den Verwandten die Fliegerkappe zukommen lassen. Der Heimatkundler erhielt neben dem Dankesschreiben der Angehörigen Coopers auch ein Anerkennungsschreiben der "America Battle Monuments Commission" in Arlington.

"Meine Dokumentation soll an amerikanische wie auch deutsche Soldaten erinnern," schloss Burkard. Nach seinem Vortrag überlegten die Dietinger sich weitere Schritte zum Thema Cooper. So stand im Raum, ob man die Neffen nicht einladen oder einen Erinnerungsstein an der Absturzstelle platzieren wolle.

Erwachsenenbildungsleiter Scheible versprach, dass weitere Veranstaltungen und Schritte in Überlegung und Planung seien. "Wir sehen einmal wieder, wie es auch Zeitzeugen des Konzentrationslagers Eckerwald gesagt haben, wie wichtig es ist, einen Ort der Trauer zu haben. Die Hinterbliebenen Coopers wissen nun genau, wo ihr Onkel gestorben ist", erklärte Scheible.

Passend zum Thema Zweiter Weltkrieg und 70 Jahre Kriegsende präsentierte Rolf Fußnecker daraufhin das Tagebuch eines von zwölf französischen Kriegsgefangenen, die nach dem Frankreich-Feldzug auf Bauernhöfen in Dietingen untergebracht waren. Die Auszüge des Buches mit dem Titel "Vom Feind zum Freund", die Fußnecker in der kurzen Zeit übersetzen konnte, erstaunten die Zuhörer zutiefst. So hieß es in einigen Passagen aus dem Jahr 1940: "Die Ankunft in Dietingen war sehr angenehm" und "In diesem von unseren Zeitungen so verhassten Land sind wir am besten aufgenommen worden."

Die Aufzeichnungen zeigen, dass das deutsch-französische Verhältnis durchaus nicht überall so feindselig war, wie es oft propagiert wurde. Das Cover des Tagebuches zeigt zwei Hände, die sich zur Versöhnung reichen – eine deutsche und eine französische. Weitere Übersetzungen und eine Präsentation dieser sind bereits in Planung.

Zum Schluss bedankte sich Scheible bei beiden Referenten für ihre interessanten Vorträge und überreichte Hubert Burkard einen Leuchtturm. "Mit deiner Arbeit bist du eine Lichtgestalt, ja der Leuchtturm der Erwachsenenbildung", sagte er dazu feierlich.