Mesale Tolu und ihr zweijähriger Sohn vor ihrer Inhaftierung Foto: StN

Nach dem ersten Verhandlungstag ist klar: Die Deutsche bleibt in weiterhin in Untersuchungshaft. Ihr Sohn könnte jedoch schon bald wieder in Ulm sein. Der Zweijährige hat das Gefängnis verlassen. Derweil gibt es im Fall Steudtner positive Signale.

Ulm - Der Sohn der in der Türkei inhaftierten Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu könnte schon bald in Ulm sein. Nach Information unserer Zeitung hat der zweijährige Junge das Frauengefängnis in Bakirköy kurz vor Beginn des Prozesses verlassen. Ali Riza, der in Neu-Ulm lebende Vater von Tolu, nahm den Jungen nach Information unserer Zeitung in Obhut und versorgt ihn seitdem in Tolus Istanbuler Wohnung.

Die Familie plant die schnellstmögliche Ausreise des Kindes nach Deutschland. Zwei Anwälte aus Berlin haben sich zur Regelung aller Behördenauflagen bis Donnerstag in der Türkei aufgehalten. Nach der Rückkehr, so der Plan, soll der Junge zunächst bei der Schwester der Inhaftierten in Ulm leben. Der Vater und Ehemann Tolus befindet sich ebenfalls in Haft.

Prozess nach einem Verhandlungstag ausgesetzt

Mesale Tolu selber hatte nach ihrer Verhaftung und Verlegung ins Frauengefängnis entschieden, das Kind zu sich zu holen. Noch am Dienstag hatten Familienmitglieder gehofft, die Journalistin könnte auf freien Fuß kommen. Doch am Mittwoch setzte das Gericht nach nur einem Verhandlungstag den Prozess aus. Am 18. Dezember soll weiterverhandelt werden, möglicherweise wird dann auch ein Urteil fallen. Bis dahin ist die Fortführung der Untersuchungshaft angeordnet worden.

Der Sprecher der Familie, Baki Selcuk, sagte am Donnerstag: „Wir bedauern, dass die Bundesregierung zum Prozessauftakt keine Erklärung abgegeben und nicht mal den Botschafter zum Prozess geschickt hat.“ Die Familie sei deswegen enttäuscht. Nach Information unserer Zeitung haben jedoch Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes die Verhandlung im Gerichtssaal verfolgt. Als einzige deutsche Parlamentarierin war die Linken-Abgeordnete Heike Hänsel zum Gefängnis Silivri vor den Toren Istanbuls gereist. Die Vorwürfe gegen Tolu entbehrten jedes Beweises und seien „vollkommen konstruiert“, sagte Hänsel am Rand des Prozesses am Mittwoch. Der Journalistin sei offenbar „der deutsche Pass zum Verhängnis geworden“, sie sei eine „Geisel von Erdogan“.

Hoffnung für Peter Steudner

Neben Tolu sind im Prozess 17 weitere Personen wegen Propaganda für die verbotene Marxistisch-Leninistische Kommunistischen Partei (MLKP) angeklagt. Die Partei wird in der Türkei als terroristische Organisation eingestuft. Die Staatsanwaltschaft fordert in allen Fällen 15 bis 20 Jahre Haft. Am späten Mittwoch Abend hat das Gericht acht Angeklagte aus der Gruppe unter Auflagen vorläufig auf freien Fuß gesetzt.

Derweil keimt für den in der Türkei inhaftierten Deutschen Peter Steudtner neue Hoffnung. Der Berliner Menschenrechtler könnte schon bald freikommen. Nach übereinstimmenden Einschätzungen aus Verfahrenskreisen und diplomatischen Quellen gibt es Anlass zu einem vorsichtigen Optimismus. Die Prognosen, wann der seit Anfang Juli in Haft sitzende Steudtner aus der Untersuchungshaft entlassen werden könnte, reichen vom kommenden Wochenende bis zum Jahresende.

Das wäre selbst im ungünstigsten Fall eine enorme Beschleunigung gegenüber den Fällen von vielen türkischen Inhaftierten, die zum Teil nach über einem Jahr in Haft noch immer auf eine Anklage warten. An diesem Freitag, dem 100. Tag seiner Haft, soll Steudtner erneut Besuch von deutschen Konsulatsvertretern erhalten.