Die Zahl der berufsbezogenen Sprachkurse ist trotz großer Nachfrage rückläufig Foto: dpa

Obwohl der Bedarf an berufsbezogenen Sprachkursen steigt, ist das Angebot in Stuttgart innerhalb eines Jahres um ein Drittel gesunken. Für viele Migranten bleibt eine Arbeit so unerreichbar.

Stuttgart - Der Andrang bei der Stelle des Sozialamts, die Flüchtlinge an Sprachschulen vermittelt, war zuletzt so groß, dass die Behörde kurzerhand ihr Verfahren umgestellt hat: Seit vorvergangenem Donnerstag müssen Asylbewerber nicht mehr persönlich bei der sogenannten Clearingsstelle erscheinen, um die Berechtigung für einen Sprachkurs zu bekommen. „Die Wartezeiten für Termine bei der Clearingstelle liegen derzeit bei vier bis sechs Wochen“, sagt Sozialamtsleiter Stefan Spatz.

Fortan läuft die Kommunikation nicht mehr von Angesicht zu Angesicht, sondern per Fax zwischen Amt und Flüchtlingsunterkunft. Das Einlenken der Behörde zeigt, wie groß die Nachfrage nach speziellen Sprachkursen für Asylbewerber ist, die ihre Jobaussichten verbessern sollen.

Bundesamt kürzt Förderung

Doch der berufsbezogene Sprachunterricht steht nicht allen Flüchtlingen offen, wie Andreas Schwarz erklärt. Er arbeitet für die Deutsche Angestellten-Akademie (DAA), eine der größten Trägerinnen für Sprachkurse in der Stadt. „Die Kurse haben bestimmte Voraussetzungen“, sagt er. Berufsbezogene Kurse setzen beispielsweise voraus, dass die Ausländer ein Aufenthaltsrecht besitzen. „Asylbewerber, die noch in im Anerkennungsverfahren sind, können an Ihnen nicht teilnehmen“, sagt Schwarz. Auf dem Stundenplan stehen neben dem theoretischen Unterricht in Berufskunde auch mehrwöchige Praktika, Betriebsbesichtigungen und Bewerbungstraining. Von den insgesamt 20 Berufs-Sprachkursen für dieses Jahr sind bereits jetzt die meisten belegt. „Und die Nachfrage steigt noch weiter“, beobachtet Schwarz.

Und: Obwohl die Stadt die Zahl der Asylbewerber, die pro Monat nach Stuttgart kommen, vor kurzem erheblich nach oben korrigiert hat – von 200 auf 300 – schrumpft das Angebot der berufsbezogenen Sprachkurse. Hintergrund ist, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Förderung für die Kommunen gekürzt hat. Im laufenden Jahr bietet Stuttgart rund 400 Migranten diese speziellen Kurse an, berichtet Schwarz. In den Jahren zuvor waren es jeweils noch 600.

Forderung nach Öffnung der Integrationskurse

Auch die sogenannten Integrationskurse sind für Flüchtlinge, die noch das Anerkennungsverfahren durchlaufen, sind für viele Flüchtlinge versperrt. Die sich in die Länge ziehenden Asylverfahren verlängern somit auch die Wartezeiten der potenziellen Sprachkursschüler. Die Aussicht auf einen Job rückt daher in noch weitere Ferne. Wenn die Sprache nicht ausreicht, nützt auch die seit vergangenem Herbst geltende Arbeitserlaubnis nach drei Monaten nur wenig.

Es mehren sich daher die Stimmen, die fordern, Integrationskurse auch für Asylbewerber im Anerkennungsverfahren zu öffnen. Zwar besteht bereits ein Sprachkurs-Konzept für Flüchtlinge. Doch sind selbst Mitarbeiter der Stadt nicht davon überzeugt, dass die dort vermittelte Sprachkenntnisse durch den Arbeitsalltag tragen.

„In 200 Stunden bekommen die Asylbewerber die absolut rudimentären Grundkenntnisse beigebracht“, sagt Martha Aykut von der Abteilung Integration des Sozialamtes. Doch auch hier deckt das Angebot bei weitem nicht die Nachfrage: Lediglich vier dieser Kurse mit jeweils 16 Teilnehmern konnten Flüchtlinge im vergangenen Jahr in der Volkshochschule (VHS) belegen. „Wir fordern daher auch die anderen Kurse für Flüchtlinge ohne Anerkennungsverfahren zu öffnen“, sagt Aykut. Das müsste auf Bundesebene ins Rollen gebracht werden.

Denn die Voraussetzungen für die Integrationskurse sind im Zuwanderungsgesetz geregelt. Bereits in der Vergangenheit hat es von vereinzelten Bundesländern die Forderung gegeben, die Kurse zu öffnen. Nun steigt auch Baden-Württemberg ein. „Wir verfolgen das Interesse mit Nachdruck“, so ein Sprecher des Innenministeriums Baden-Württemberg. „Wir gehen davon aus, dass diese zumindest teilweise erfolgreich sein werden“, heißt es im Ministerium.

Wichtig ist das laut Experten vor allem für ein neues Förderprogramm des Landes, das Flüchtlingshilfe in den Kommunen in Schwung bringen soll. Das Projekt „Chancen gestalten“ soll ab Mitte Juni rund 4,4 Millionen Euro in die Kommunen fließen lassen, zum Großteil um Sprachkurse zu finanzieren. Dabei muss die Stadt einen Eigenanteil tragen. Übernimmt sie nicht 40 Prozent der Kosten, fließt kein Geld vom Land. „Wir haben im Jahr ein Budget von 140 000 Euro für Sprachkurse insgesamt“, sagt Martha Aykut aus der Abteilung Integration. Die Verantwortlichen bezweifeln, dass es mit diesem Geld möglich ist, Flüchtlinge auf längere Sicht fit für den Arbeitsmarkt in Stuttgart zu machen.