Papst Benedikt XVI. Quelle: Unbekannt

Benedikt XVI. schreibt von "Schande und Reue", bedauert die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche "aufrichtig". In seinem Hirtenbrief an die Katholiken in Irland wirft der Papst irischen Bischöfen schwere Fehler vor

Hamburg - Benedikt XVI. schreibt von "Schande und Reue", bedauert die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche "aufrichtig". In seinem mit Spannung erwarteten Hirtenbrief an die Katholiken in Irland wirft der Papst irischen Bischöfen schwere Fehler vor. Die deutschen Fälle erwähnt er nicht.

Die Reaktionen auf das am Samstag in Rom veröffentlichte Schreiben fielen höchst unterschiedlich aus: Hohe Kirchenvertreter lobten die "klare Weisung" und "Entschiedenheit" des Papstes. Reform- und Laienbewegungen sowie Opferverbände zeigten sich hingegen mehrheitlich enttäuscht.

"Erkennt Eure Schuld öffentlich an, unterwerft Euch der Rechtsprechung", fordert der Papst von Priestern und Ordensleuten, die Kinder oder Jugendliche missbraucht haben. "Ihr habt das Vertrauen, das von unschuldigen jungen Menschen und ihren Familien in Euch gesetzt wurde, verraten und Ihr müsst Euch vor dem allmächtigen Gott und vor den zuständigen Gerichten dafür verantworten", heißt es im Hirtenbrief. "Wir alle leiden als Folge der Sünde unserer Mitbrüder."

Der Schweizer Kardinal Georges Cottier, bis 2003 Haustheologe im Vatikan, bezeichnete den Brief in der römischen Tageszeitung "La Repubblica" vom Sonntag als "tiefgreifende und vollständige" Antwort, "die sicherlich helfen wird, das abscheuliche Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen zu bekämpfen".

Den irischen Bischöfen wirft der Papst in dem Schreiben vor, dass einige darin versagt hätten, die seit langem bestehenden Vorschriften des Kirchenrechts zum sexuellen Missbrauch von Kindern anzuwenden. Nach schwerwiegenden Fehlurteilen sollten die Bischöfe jetzt weiter mit den staatlichen Behörden kooperieren. Offenheit und Aufrichtigkeit müssten auch in der Kirche oberstes Gebot sein.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, verstand das Papier als klare Weisung. Es habe "Geltung für die ganze Kirche und ist eindeutig eine Botschaft auch an uns in Deutschland", erklärte Zollitsch in Bonn. Das Zentralkomitee der Katholiken in Deutschland betonte, die Äußerungen könnten helfen, auch hierzulande die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Auch der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle unterstrich, dass Benedikt deutlich gemacht habe, dass sexueller Missbrauch kein rein irisches Problem sei. "Für die Kirche in Deutschland empfinde ich das Hirtenwort als Bestärkung, den Weg der konsequenten Aufklärung und Aufarbeitung weiter zu gehen."

Der Sonderbeauftragte der deutschen katholischen Kirche für die Aufklärung der Missbrauchsfälle, Bischof Stephan Ackermann, sagte: "Die Entschiedenheit, mit der der Papst die Vorgänge und die Untaten beim Namen nennt und auch Aufklärung erwartet - das ist doch sehr deutlich und das werden wir uns auch entsprechend zu Herzen nehmen." "Sehr bemerkenswert" sei, dass der Papst fünf Mal darauf hingewiesen habe, dass die Kirche mit den staatlichen Behörden kooperieren müsse und die Vorgaben der Justiz voll einzuhalten habe.

Vielen ging das Schreiben dagegen nicht weit genug und bot zu wenig konkrete Ansätze. Die Initiative "Wir sind Kirche" bedauerte, dass der Papst in seinem Hirtenbrief "nicht kirchliche Strukturen, sondern gesellschaftliche Tendenzen für das verstörende Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern verantwortlich machen" wolle. Zudem sei es nicht ausreichend, als Initiativen nur traditionelle spirituelle Wege, aber keine strukturellen Verbesserungen - etwa in der Zölibatsfrage - vorzuschlagen.

Auf der Einzeltäterthese ausruhen

Der Brief vermittele den Eindruck, es gehe dem Papst hauptsächlich um das Ansehen der Kirche, sagte "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner. Auch die "Initiative Kirche von unten" (IKvu) warf dem Papst vor, in seinem Hirtenbrief an die irischen Katholiken bei "verbaler Betroffenheit" stehenzubleiben. Er verweigere den Blick auf die strukturellen Ursachen und ruhe sich auf der Einzeltäterthese aus.

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) bemängelte fehlende Aussagen zur Situation in Deutschland. "Angesichts einer größer werdenden Verunsicherung bei jungen Katholikinnen und Katholiken und deren Eltern hätten wir uns über ein persönliches Wort der Begleitung, der Stärkung und des Zuspruchs gefreut", hieß es in einer in Düsseldorf veröffentlichten Mitteilung von BDKJ-Bundesvorstand Dirk Tänzler. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi erklärte, der Papst müsse nicht jeden Tag über alles sprechen.

Massive Kritik am Hirtenbrief kam am Wochenende auch aus Irland: Der Papst hätte vor allem die Art und Weise verurteilen sollen, wie die Kirche den Missbrauch systematisch und über Jahre verdeckt gehalten habe, betonte die Vorsitzende des Opferverbandes "One in Four", Maeve Lewis. "Papst Benedikt hat eine glorreiche Möglichkeit verstreichen lassen, den Kernpunkt des kirchlichen Missbrauchsskandals anzusprechen: Die absichtliche Politik der katholischen Kirche bis in die höchsten Ebenen, Missbrauchs-Täter zu beschützen und damit Kinder zu gefährden." Opfer Andrew Madden erklärte, er habe keine Bestätigung gebraucht, dass Missbrauch eine Straftat und Sünde ist.

Das Oberhaupt der irischen katholischen Kirche, Kardinal Sean Brady, lobte indes am Samstag in einer Messe im nordirischen Armagh den Hirtenbrief als einen zentralen Schritt auf dem Weg zur Erneuerung der Kirche. Er steht selbst in der Kritik, weil er in den 70-er Jahren dabei gewesen sein soll, als zwei missbrauchte Kinder ein Schweigegelübde ablegen mussten. Immer wieder wird deshalb sein Rücktritt gefordert. Er selber hat angekündigt, darüber nachdenken zu wollen. "Lasst uns beten, dass dies jetzt der Beginn einer großen Zeit der Wiedergeburt der irischen Kirche wird", sagte er am Samstag.

Der Papst rief am Tag nach der Veröffentlichung des Hirtenbriefs zur Nachsicht mit den Menschen auf. Die Gläubigen müssten zwar "unnachgiebig mit der Sünde, auch der eigenen", sein, jedoch "geduldig mit den Menschen", sagte er am Sonntag in Rom beim traditionellen Angelus-Gebet.

(dpa)