Es wird bei der Geldstrafe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gegen den jungen Mann aus Deißlingen bleiben: Mit seinem Fernbleiben bei der Verhandlung in eigener Sache hat er die Chance auf Freispruch vermasselt. Foto: Schnekenburger Foto: Schwarzwälder-Bote

Angeklagter und Zeugin erscheinen nicht beim Termin / Verteidiger und Richterin bleiben ratlos zurück

Von Dunja Smaoui

Rottweil. Am 18. Juni stand ein 26-Jährige, der mit Marihuana gehandelt haben soll, vor dem Amtsgericht in Rottweil. Nun gab es einen zweiten Termin, bei dem auch eine Zeugin aussagen sollte. Doch weder sie noch der Angeklagte tauchen auf.

Kurzer Rückblick: Ein 26-Jähriger aus der Gemeinde Deißlingen stand vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, er habe in mindestens zehn Fällen Marihuana an einen früheren Freund verkauft. Es soll sich um 2,25 Gramm zu je 25 Euro gehandelt haben.

Der besagte frühere Freund hatte ausgesagt. Vage, immer wieder hatte er sich in seinen Aussagen verzettelt. Nichts ist wirklich deutlich geworden. Hatte der Zeuge nun zwei-, drei- oder sogar zehnmal Marihuana bei dem Angeklagten gekauft? Letzterer schwieg. Er wollte sich nicht äußern.

Die Ex-Freundin des Zeugen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis soll bei der zweiten Verhandlung nun Licht ins Dunkle bringen. Da sie sich in therapeutischer Behandlung befindet, konnte sie am ersten Gerichtstermin nicht teilnehmen. Von den Straftaten, die sich zwischen Juni 2012 und Juni 2013 zugetragen haben, soll sie Bescheid gewusst haben, wie die Richterin aus den Aussagen des früheren Freundes annimmt.

Für sie, Staatsanwaltschaft und Verteidiger stand zum damaligen Termin klar fest: Die Ex-Freundin sowie ein Polizeibeamter, der den Angeklagten und Zeugen vernommen hatte, müssen als Zeugen aussagen. Sonst bleibt alles im Dunkeln. Denn weder Angeklagter noch Zeuge äußern sich so richtig.

Beim neu verhandelten Gerichtstermin wird es nun allerdings nicht heller – im Gegenteil. Es wird zappenduster. Denn: Abgesehen vom Polizisten taucht niemand auf. Weder der Angeklagte noch die wichtige Zeugin. "Ich habe leider keine Ahnung, wo er ist", sagt sein Anwalt über den 26-Jährigen und zuckt ratlos die Schultern. Das sehe ihm nicht ähnlich. Leise wird ein Witz gerissen, man solle ihn mal im Aquasol ausrufen.

Noch amüsanter wird die Geschichte, als die Richterin dem Gerichtsschreiber etwas ins Ohr flüstert. Dann setzt sie sich hin und sagt: "Ich habe einen Anruf von der Zeugin bekommen." Ein Schmunzeln kann sie sich nicht verkneifen. "Die Zeugin steht in Stuttgart vor dem Amtsgericht." Da habe es scheinbar eine Verwechslung mit dem Standort gegeben. Anstatt nach Rottweil zu kommen, sei sie nach Stuttgart gefahren.

Der anwesende Polizist, der als Zeuge aussagen soll, schaut auf die Uhr. Seine Unterlagen hält er in den Händen. Doch er braucht sie an diesem heißen Tag in den Räumen des Amtsgerichtes in Rottweil nicht. Unvernommen entlässt ihn die Richterin.

"Ich würde das Verfahren gerne einstellen", sagt die Richterin. Noch einen dritten Termin in Angriff zu nehmen findet sie nicht mehr verhältnismäßig für die Straftat. Damit bringt sie Anwalt Rainer Renz in die Bedrängnis. "Wenn ich jetzt zusage, ohne meinen Mandaten zu fragen, mache ich mich haftbar", sagt er. Schweigen. Es wird hin und her überlegt. Was tun?

Die Richterin macht einen weiteren Versuch. "Die Taten liegen inzwischen zwei Jahre zurück", sagt sie. "Und der Mandant hat auch keine Eintragungen im Strafregister." Außerdem wisse man nicht, ob es sich wirklich um zehn Straftaten gehandelt habe.

Anwalt, Richterin und der Vertreter der Staatsanwalt überlegen, diskutieren über Paragrafen, bis Renz dann schließlich sagt: "Also gut. Ich nehm’s auf meine Kappe." Das Verfahren wird eingestellt, der Angeklagte übernimmt die Anwaltskosten, die Sitzung ist beendet.