Beim Fußball liegt Frankreich vorne, im Alltag sind sie auf dem Weg zur Ausgeglichenheit: Der Deutsch-Franzose Patrick Marcel und seine beiden Töchter Hélène (rechts) und Miriam, die in Deißlingen leben. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Deutsch-Franzose Patrick Marcel und seine Töchter betonen vor WM-Viertelfinale die Gemeinsamkeiten der Länder

Von Jürgen Maier

Deißlingen. Ein Deutsch-Franzose, der lieber in Deißlingen als in Paris lebt: Klingt ungewöhnlich – nicht für Patrick Marcel sowie seine beiden Töchter Hélène und Miriam. Sie erzählen, wie sie ihre doppelte Staatsbürgerschaft erleben – auf und neben dem Fußballplatz.

Zwischen den Nachbarn Deutschland und Frankreich herrscht auf dem Fußballrasen eine große Rivalität. Unvergessen sind die dramatischen WM-Halbfinals 1982 und 1986 – mit Deutschland als Sieger. Heute kommt es nach 28 Jahren wieder zum brisanten Nachbarschaftsduell Deutschland – Frankreich bei einem großen Turnier.

Aber wie erleben Deutsch-Franzosen dieses Match? Marcel und seine Töchter sprechen von einem besonderen Spiel. "Ich bin in Stuttgart geboren. Mein Vater ist Franzose, meine Mutter ist Deutsche. Ich habe beide Staatsbürgerschaften", erzählt der 48-Jährige, der im Vertrieb eines großen deutschen Automobilzulieferers arbeitet.

Mit drei Jahren geht Marcel mit seiner Familie nach Paris. Dort bleibt er bis zu seinem 26. Lebensjahr. Doch dann zieht es ihn nach Deutschland zurück: "Ich wollte mein Studium beenden bei der Firma, bei der ich heute noch arbeite", sagt er. In Paris könnte er heute nicht mehr leben. "Ich fühle mich hier im ländlichen Raum mit der schönen Umgebung viel wohler als in einer Metropole wie Paris", meint Marcel.

Nicht nur zu Deißlingen, sondern auch zu Rottweil hat Marcel enge Verbindungen: "Ich habe dort gewohnt, meine Töchter sind hier geboren und ich habe fünf Jahre im Rugby Club Rottweil gespielt. Dort habe ich meine Frau kennengelernt." Aber auch nach Frankreich pflegt er enge Beziehungen. Geschäftlich ist er oft im Land seines Vaters unterwegs. Und mit seiner Familie fährt er jedes Jahr nach Frankreich in den Urlaub. "Früher nach Hyères in die Partnerstadt Rottweils, in den letzten Jahren an die Ardèche."

In Deutschland leben und arbeiten, in Frankreich geschäftlich und privat unterwegs sein: Drängt sich da nicht ein Gefühl der Zerrissenheit auf? Marcel schüttelt vehement den Kopf: "Nein, überhaupt nicht. Ich sehe mich als Brückenbauer über den Rhein." Er könne die Vorzüge beider Länder genießen und kenne auch deren Probleme, was vieles einfacher mache.

Marcel schwärmt von der französischen Küche, von Ratatouille und Putengeschnetzeltem, und dem Klima. "An Deutschland gefällt mir die Organisation, gerade auch in den Unternehmen, und der Umgang der Vorgesetzten mit ihren Mitarbeitern."

Zerrissen fühlt sich der Deutsch-Franzose Marcel also nicht. Aber wie ist das eigentlich: Verhält er sich mehr deutsch oder französisch? Er will antworten, doch seine Töchter Hélène (15) und Miriam (13) ergreifen das Wort: "Er ist schon noch mehr Franzose, weil er in Frankreich aufgewachsen ist. Aber er spricht heute viel mehr Deutsch als früher. Auch beim Umweltschutz hat er von den Deutschen viel gelernt."

Die beiden Teenager, die als Kinder in Deißlingen Fußball gespielt haben, sehen bei sich eine umgekehrte Entwicklung. Da sie in Deutschland geboren seien und hier lebten, fühlten sie sich mehr Deutsch. Aber sie sprechen in der Schule und zu Hause Französisch, sie besuchen das Heimatland ihres Vaters: "Wir nähern uns einem Gleichgewicht zwischen deutschem und französischem Einfluss an."

Beim heutigen Viertelfinal-Duell fiebern sie etwas mehr mit der Équipe Tricolore als mit Jogis Jungs mit: "Die Deutschen tragen schon drei Sterne für ihre WM-Titel auf den Trikots, die Franzosen jedoch erst einen." Werden die "les Bleus" Weltmeister, dann haben beide Länder zusammen fünf Sterne, erklärt Marcel. Auch hier gibt es einen Wunsch nach Ausgewogenheit.

Geht es um die Begeisterung für die WM in den beiden Ländern, sehen sie Deutschland klar vorne. "Die Franzosen warten erst Mal ab, wie sich ihre Mannschaft schlägt. In Frankreich gibt es erst ab dem Halbfinale Public Viewings", meint Marcel. Ob es dazu kommt, entscheidet sich heute Abend.