Dia Bria drink i nit, sagte Richter Rainer Schmeh. Foto: Reinhardt

Deißlinger Gerichtsbarkeit sieht sich harten Anklagen gegenüber. Institution vor neun Jahren ins Leben gerufen.

Deißlingen - Nach dem Abstauben geht es in Deißlingen noch in besonderer Weise zur Sache. Das für seine rigorosen Urteile bekannte "hohe Narrengericht" hat dann das Wort.

Die Institution wurde vor neun Jahren ins Leben gerufen, um Verfehlungen gegen das Deißlinger Brauchtum zu ahnden. Auch dieses Mal hatten Protokollführerin Gabi S., Richter Gnadenlos Rainer S. und Staatsanwalt Elmar S. wieder viel zu tun. Die Exekutive, sprich die Polizei, trugen in Gestalt von Werner S. und Kerstin Podnar, zu sauberen Verhandlungsabläufen bei. Das S. steht im Übrigen für die Familie Schmeh. Wer hier ein "Gschmäckle" riecht, ist selber schuld. Auch Dieter Schwer ist eine feste Größe beim Narrengericht. Im Hintergrund gibt er wertvolle Hilfestellungen.

Der erste Fall, der im Hotel Hirt zu einer Anklage führen musste, war vorauszusehen: Er steht fast jedes Jahr vor dem Gericht. Sein besonderes Markenzeichen: Zum offiziellen Abstauben kommt er grundsätzlich zu spät. Da kann es sich eigentlich nur um Obernarr und Ehrenzunftmeister Hubert Lissy handeln. Die diesjährige Anklage hatte aber mit der Leidenschaft fürs Zuspätkommen nichts zu tun. Lissy hatte vielmehr den Frevel begangen, die "Abstauber Band" (Jungmusiker) fürs Wurmlinger Hopfensaufest zu engagieren. Eine große Sünde in den Augen des Gerichts. Richter Rainer Schmeh (so richtig gnadenlos) und Staatsanwalt Elmar Schmeh (noch gnadenloser) machten deutlich, dass der Beschuldigte keine guten Karten vor dem ehrenwerten Gericht hat. Lautstark versuchte Lissy sich zu verteidigen. Dass das Gericht kurzen Prozess zu machen in der Lage ist, zeigte es auch, indem dem aufmüpfigen Lissy das Mikrofon kurzerhand abgeschaltet wurde.

Auch Ringpräsident Kurt Szofer war angeklagt. Er hatte Zunftmeister Rainer Schmeh aufgefordert, innerhalb von 24 Stunden zwei Narren für den Empfang beim Ministerpräsidenten auszuwählen. Dies war, so Staatsanwalt Elmar Schmeh, eine Unerhörtheit und beim besten Willen nicht zu schaffen. Auch dass vom Freundschaftsring den Deißlingern eine stattliche Rechnung ins Haus schneite für eine Veranstaltung, bei der man gar nicht war, und die Teilnahme am Hopfensaufest zusammen mit Hubert Lissy (Chronist im Freundschaftsring) – und das vor dem offiziellen Beginn der Fasnet – wurde Szofer heftig angekreidet. Zur Strafe musste der der schwäbischen Sprache nicht besonders mächtige Szofer das Deißlinger Abstauber-Gedicht vorlesen. Immerhin konnte er für seine spezielle Vorlese-Akrobatik viel Beifall vom Publikum einheimsen. Hubert Lissy wurde dazu verdonnert, bei der Ausfahrt nach Griesheim mit einem Frühstückskorb für das Narrengericht aufzuwarten. Bei Nichtgefallen des "Korbes" behält sich das Gericht eine noch härtere Strafe vor.

Die Angeklagte Monika Marcel hatte als "Beistand" ein dickes Gesetzbuch mitgebracht. Der Vorwurf des Staatsanwalts: "Sie haben viele Narrenstückle im letzten Jahr unters Volk gebracht. Doch anstatt diese der Narrenzunft zur Verfügung zu stellen, haben Sie diese vorab in facebook veröffentlicht. Dadurch sei der Zunft großer Schaden entstanden. Zur Strafe muss Marcel nun eine Seite auf Facebook erstellen und 2017 immer aktuell halten, aber ohne Narrenstückle.

Saskia Ulbrich und Gabi Traber die beiden Vorsitzenden des katholischen Kirchenchors verstanden die Welt nicht mehr. Sie wurden von den Polizisten vor das hohe Gericht geschleppt, weil sie beim Seniorenball nicht dabei waren. Der Frevel war eindeutig: Die beiden hatten sich in einem Müllemer Häs versteckt und waren zu einem Umzug nach Stetten am kalten Markt gefahren, und zwar im Bus der Narrenzunft Schwenningen. Alle Verteidigungsstategien nutzten nichts, auch Bestechungsversuche mit "Bocksmilch" von der Bockzunft Stetten schlugen fehl. Das knallharte Urteil: Beim Seniorenball herrscht künftig Anwesenheitspflicht, außerdem müssen sie den Ansager (Elmar Schmeh) unterstützen und mindestens drei Programmpunkte moderieren.

Am Ende des tollen Gerichtstags kam bereits freudige Erwartung zu den schweren Fällen auf, die 2018 – im Jahr des zehnjährigen Bestehens – von dieser nicht mehr wegzudenkenden Gerichtsbarkeit aufgetischt wird.