Nils Kaper arbeitet als Freiwilliger in Südamerika / Herzlichkeit der Menschen beeindruckt jungen Deißlinger

Von Jasmin Cools

Deißlingen. "Ich wusste, dass der Tag kommen würde", sagt der Abiturient Nils Kaper (19) und meint den Tag, an dem er sich in die Unabhängigkeit verabschiedete.

Über acht Monate hat der Deißlinger in Peru verbracht und dabei nicht nur viel über das südamerikanische Land, sondern auch über sich selbst herausgefunden. Die Reise begann im vergangenen Juni. Zwei Wochen nach dem Abiball war der damals 18-Jährige bereits unterwegs nach Peru. "Man sagte mir, dass die beste Zeit für das Ausland direkt nach dem Abi ist, und ich wollte unbedingt meine Spanischkenntnisse weiter ausbauen", erklärt er.

Unter der Woche unterrichtet er Sport und Englisch

Bei seinen Recherchen sei er auf die Organisation "La Balanza" in Böttingen gestoßen. Nach einem Auswahlgespräch hatte er die Zusage in der Tasche, und seine Entscheidung war gefällt. Der Abschied von zu Hause sei ihm nicht so schwer gefallen wie gedacht. "Irgendwann muss man in die Unabhängigkeit rutschen. Ich wusste, dass der Tag kommen würde, und die Vorfreude war größer als der Abschieds schmerz." Die Vorbereitungen auf seine Reise seien dabei eher provisorisch gewesen – ein paar Kontakte mit ehemaligen Freiwilligen vermochten es nicht, Peru ganz zu erfassen.

Zwar hatte Nils Kaper von der achten bis zur zehnten Klasse Spanischunterricht in der Schule gehabt, wie viel davon jedoch wieder verloren gegangen war, merkte er erst in Peru. Dort besuchte er zu Beginn einen zweiwöchigen Auffrischungskurs. "Verstanden habe ich fast alles, aber am Anfang hat man Hemmungen zu sprechen", gibt er zu.

Was Kaper niemals vergessen wird, ist sein erster Eindruck, als er seinen Fuß zum ersten Mal auf peruanischen Boden gesetzt hatte. "Ich war zwar froh, dort zu sein, weil ich mich auf die Zeit gefreut habe, aber ebenso entsetzt war ich über die Zustände. Es bot sich mir ein Bild, das nicht im Geringsten mit Deutschland zu vergleichen ist."

In Cusco, seinem neuen Wohnsitz, ging es dann mit der Arbeit los. Am Wochenende seien die Freiwilligen immer für Hilfsprojekte in die Dörfer gefahren. "Unter dem Motto ›Hilfe zur Selbsthilfe‹ werden hier Häuser gebaut, um den Lebensstandard der Bewohner zu verbessern. Den Rest der Woche über durfte man sich aussuchen, wo man hilft", erklärt der 19-Jährige. Manche hätten in Waisenhäusern gearbeitet, er habe in einer Grundschule Englisch und Sport unterrichtet – eine Arbeit, die ihn sehr erfüllt habe. Der Umgang mit Kindern mache ihm Spaß. Gewohnt habe er in einem von der Organisation finanzierten Haus mit hohem Standard. "Einerseits war ich froh darüber, aber andererseits kam man sich in den Dörfern, die man besucht hat, schlecht und dekadent vor", gesteht er.

Cusco liegt auf 3350 Metern, was zu Kopfschmerzen, Schwindel und großer Erschöpfung führen kann. "Ein wenig Kreislaufprobleme kamen mal vor, aber ansonsten ging es mir großartig bis auf die Tatsache, dass man nach einem lockeren Zehn-Minuten-Spaziergang völlig außer Atem war." Umso besser sei die Situation, als er neulich in Deutschland joggen war und lange Zeit keine Erschöpfung spürte.

Die positivsten Erfahrungen hat der Abiturient mit den Menschen gemacht. Die Herzlichkeit sei eine ganz andere als in Deutschland. Oft sei er auf der Straße nach seiner Herkunft gefragt worden, oder man habe ihn sofort wie ein Familienmitglied behandelt. Auch bei den peruanischen Frauen habe er mit seinem für Südamerika exotischen Aussehen Interesse geweckt. Insgesamt seien die Menschen sehr aufgeschlossen und mit vielen wolle er Kontakt halten,.

Beeindruckt war Kaper aber auch vom unkomplizierten Leben. "Alle paar Minuten fährt ein Bus in die Richtung, in die du musst. Da sehe ich dringenden Verbesserungsbedarf in Deutschland" , betont er. Außerdem gebe es ein vielseitiges Abendprogramm mit Bars, Discos und Salsa-Tanzabenden. Gelangweilt habe er sich nie.

Am meisten fasziniert haben ihn jedoch der Reichtum und die Vielfalt der Natur. Nur in wenigen Ländern der Erde fände man Wüsten, Strände, Hochgebirge und Dschungel vereint. So besuchte er zum Beispiel die berühmte Ruinenstadt der Inka, Machu Picchu.

Andererseits gebe es natürlich auch negative Seiten. Die Armut in den Dörfern Perus sei noch gravierender als in den ohnehin schon katastrophalen Städten gewesen. Des Weiteren sei er immer aufmerksam und vorsichtig gewesen, wenn er allein unterwegs war. Bewaffnete Überfälle seien keine Seltenheit, und Diebstahl gehöre zur Tagesordnung. "Wir standen in einer Gruppe zusammen, das Gepäck in der Mitte und im Blick. Dann hat mich ein Peruaner gezielt abgelenkt, während der andere geschickt meine Tasche geklaut hat, unter anderem mit meinem Reisepass", erzählt er.

Angst habe er trotzdem nicht gehabt, eher eine Mischung aus Wachsamkeit und Respekt.

Dass der Deißlinger Peru jetzt schon vermisst, ist kein Geheimnis. Besonders die Menschen fehlen ihm, aber auch die Unabhängigkeit. "Ich war gezwungen, mein Leben selbst auf die Reihe zu bekommen, sei es die Einteilung meines Geldes, das Haus sauber zu halten, von A nach B zu kommen oder nach dem Diebstahl neue Papiere zu organisieren. Außerdem bin ich stolz darauf, in den Dörfern etwas bewegt zu haben", erklärt der Abiturient.

Worauf er sich in Deutschland gefreut habe, sei vor allem das vielfältige Essen gewesen. In Peru gebe es überwiegend Reis und Kartoffeln. Insgesamt sei die Zeit dort eine große Erfahrung gewesen, die er sein Leben lang nie mehr vergessen werde, zieht er ein Fazit. Die Reise hat ihn gelehrt, aufmerksamer zu werden.

Jetzt will der 19-Jährige erst einmal Geld verdienen und dann Wirtschaftsinformatik studieren. Klar ist, dass er mit Peru noch nicht fertig ist. Ob als Tourist oder Helfer – er wird wiederkommen.