Gut 300 Besucher gaben sich am Donnerstag bei der Bürgerversammlung in der Lauffener Turn- und Festhalle die Ehre. Foto: Scheidel Foto: Schwarzwälder-Bote

Bürgerversammlung: Viele Einwohner interessieren sich für das viele so sehr beschäftigende Thema

Mehr als 300 Teilnehmer kamen am Donnerstag zur Bürgerversammlung in Lauffen, bei dem das Thema Flüchtlinge im Vordergrund stand.

Von Winfried Scheidel

Deißlingen-Lauffen. Gut zweieinhalb Stunden lang wurde das derzeit so sehr im Vordergrund stehende Thema beleuchtet. Natürlich insbesondere auch mit Blick auf die Gegebenheiten in den beiden Dörfern am Oberen Neckar.

In einer Fleißarbeit hatte Bürgermeister Ralf Ulbrich eine Bildschirm-Präsentation vorbereitet. Im Schulterschluss mit dem Landkreis-Sozialdezernenten Bernd Hamann gab es eine umfassende Einführung ins Thema. Die zahlreichen Herausforderungen bei der Unterbringung der neuen Mitbürger wurden ebenso herausgestellt wie die auf ehrenamtlicher Basis erzeugten Aktivitäten, um vor Ort ein Willkommen zu gewährleisten, das diesem Wort zur Ehre gereicht.

Auch die Pfarrer Edwin Stier und Rose Winkler ergriffen das Wort. Sie verwiesen dabei auch auf das Gebot christlicher Nächstenliebe, und was sich daraus für den Umgang mit Zuwanderern ableiten lässt.

Bisher haben 73 Flüchtlinge eine Herberge in Deißlingen und Lauffen gefunden

73 Flüchtlinge, etwa 1,2 Prozent der Bevölkerung, beherberge die Gemeinde derzeit. Sie kämen aus Syrien, dem Irak, Serbien und Mazedonien. Ihr Status sei ganz unterschiedlich (Gestattung, Erlaubnis, Duldung). Sie seien zwischen drei und 56 Jahren alt, 22 Prozent seien minderjährig, 75 Prozent der Flüchtlinge männlich. Neben sechs Familien sei der Großteil der Personen alleine geflohen. Es gebe sowohl Analphabeten, als auch Hilfs- und Fachkräfte.

Laut dem Bürgermeister gibt es derzeit sieben Gebäude, in denen Flüchtlinge untergebracht sind, vorwiegend aber im Ortsteil Deißlingen. Die Belegung je Gebäude liegt meist zwischen fünf und 20 Personen. Den untergebrachten Personen stünden im Schnitt rund acht Quadratmeter Wohnfläche (brutto) zur Verfügung, der Rechtsanspruch liege bei 4,5 Quadratmetern. In allen Unterkünften gebe es ausschließlich Mehrbettzimmer (Stockbetten). Die dezentrale Unterbringung sei von Verwaltung und Gemeinderat ausdrücklich gewünscht und habe sich bewährt, Nachbarschaften würden nach Möglichkeit vor Belegung beziehungsweise bei Einzug informiert.

Hamann unterstrich diese konzeptionelle Ausrichtung mit Hinweisen zu einer ähnlichen Marschroute im gesamten Kreisgebiet. Allerdings erfordere die zunehmende Zahl an Neuankömmlingen immer weitergehende Zugeständnisse in Bezug auf die Inanspruchnahme größerer Immobilien. Geldhaie sollen dabei aber nach wie vor keine Chance bekommen. "Wir liegen bei angemietetem Wohnraum immer noch deutlich unter zehn Euro je Quadratmeter." Es sei erstaunlich, wie viel leerer Wohnraum doch immer wieder zur Verfügung gestellt werde. Auch Ulbrich appellierte an die Bürger, sich dringend zu melden, wenn man Beherbergungsmöglichkeiten sehe. Ansprechpartner im Deißlinger Rathaus sind dafür und für andere Fragen im Zusammenhang mit Flüchtlingen Jennifer Engeser, im Hauptamt zuständig für Familie, Soziales, Ehrenamt, sowie Hauptamtsleiterin Yvonne Roth.

Zur Integration in den beiden Orten lässt der Deißlinger Schultes wissen, dass alle Flüchtlinge derzeit einen Intensiv-Sprachkurs besuchen, einige besuchten auch die Angebote der SG Deißlingen. 40 ehrenamtliche Helfer seien in beiden Ortsteilen um die Flüchtlinge (Behörden- und Arztbesuche, Alltagsbegleitung, Sprachkurse) bemüht. Weitere Helfer würden benötigt und seien jederzeit willkommen.

Ralf Ulbrich tat den Bürgern am Donnerstag auch kund, dass nicht alle Flüchtlinge dauerhaft in Deutschland oder gar in Deißlingen bleiben wollten. Unterstützung vor Ort mache aber die Situation für alle Beteiligten besser und sei auch ein humanitäres Gebot. Daueraufgabe sei die Vermittlung unserer Werte und gesellschaftlichen Normen. Deren Akzeptanz werde uneingeschränkt eingefordert.

Kritische Fragen wurden bei der Versammlung nicht ausgeblendet. Wieso viele Flüchtlinge ohne jegliche Papiere hier ankämen, wollte zum Beispiel der ältere Mitbürger Siegfried Bucher wissen. Hamann schmunzelte, weil er weiß, dass geflissentliches Schönreden kontraproduktiv ist. Manch’ einer werde sicherlich versucht sein, durch falsche Herkunftsangaben seine Chancen auf Anerkennung als Asylbewerber zu erhöhen. Er zeigte sich mit dem Bürgermeister aber auch einig, dass auf der Flucht vieles verloren ging. Ulbrich schilderte dazu die Begegnung mit einem Flüchtling aus Kobane, der vom Krieg so sehr traktierten syrischen Stadt nahe der türkischen Grenze. Der IS habe zur Fluchtvermeidung sämtliche Papiere vernichtet, der Mann sei jetzt trotzdem hier und bange um seine Familie in der alten Heimat.

Auch die Situation Unbegleiteter Minderjähriger Ausländer (UMA) sorgt für Nachfragen in der Bürgerversammlung. Wie berichtet, beinhaltet deren Betreuung vor allem wegen der notwendigen Unterbringung in vollstationären Einrichtungen (Heimen) einen besonderen Aufwand.

"Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen, gegen Russen oder Amerikaner, gegen Juden oder Türken, gegen Alternative oder Konservative, gegen Schwarz oder Weiß. Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander", sagte Ralf Ulbrich auch, indem er den ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zitierte.

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