Die hohe Konzentration von Ammoniumstickstoff im Auslauf der Kläranlage bei Deißlingen bedrohte Anfang Mai die Fische im Oberen Neckar. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Fischsterben im Neckar: Polizei und Zweckverband vertreten unterschiedliche Positionen noch nicht fest

Von Jürgen Maier

Deißlingen. Unbewusstes Freisetzen oder kriminelle Einleitung? Bei der Ursache der Beinahe-Zerstörung der Kläranlage des Abwasserzweckverbands Oberer Neckar bei Deißlingen Anfang Mai (wir berichteten) vertreten Polizei und Zweckverband unterschiedliche Meinungen. Das hochtoxische Organosulfid, das in der metallverarbeitenden Industrie zur weitergehenden Fällung von Schwermetall eingesetzt wird, war im Klärwerk in einer Konzentration von 12,5 Kilogramm/Tag aufgetaucht. Viele Kräfte waren im Einsatz, um die Anlage zu retten. Durch Ammoniakbildung waren im Neckar zahlreiche Fische gestorben.

"Nach derzeitigem Sachstand muss davon ausgegangen werden, dass die Einleitung des Stoffes in der betreffenden Konzentration nicht absichtlich herbeigeführt worden war, sondern dass die Havarie bei der Kläranlage eher auf einen Unglücksfall und unfreiwilliges Freisetzen zurückzuführen sein dürfte", sagt Ralf Noe von der Polizei VS-Villingen auf Nachfrage unserer Zeitung. Für eine mutwillige Einleitung fehle die kriminelle Energie. Er begründet seine Einschätzung zudem damit, dass es nur einmal einen Vorfall dieser Art gegeben hat. "Zweitens sehe ich keine Motivationsgrundlage für eine bewusste Einleitung", erklärt Noe.

Vielmehr geht er davon aus, dass es sich um eine "technische Betriebsstörung" handle. "Als Verursacher kommt ein Betrieb aus dem Stadtbezirk VS-Schwenningen in Betracht. Dies lässt sich aus der Untersuchung im Kanalnetz ableiten." Ihn noch zu ermitteln, sieht er als schwierig an. Es sei denkbar, dass der Stoff in Schleifereien und bei Galvanikbetrieben Verwendung finde. "Welche Firmen genau Organosulfide einsetzen, lässt sich abschließend nicht sagen, da dieser Stoff nicht gelistet ist und diesbezüglich bislang auch keine Emissionsgrenzwerte festgelegt worden sind."

Derzeit werden die Abwasserstränge untersucht. "Dadurch wollen wir Erkenntnisse für die Zukunft gewinnen."

Darauf verweist auch Rolf Fußhoeller, Vorsitzender des Abwasserzweckverbands Oberer Neckar. "Durch das Einsetzen von Langzeitsielhautprobennehmern und eine genauere Analysetechnik ist es zukünftig möglich, den Verursacher zu ermitteln", sagt er. Den Kreis der möglichen Verursacher-Firmen für den Vorfall Anfang Mai habe man auf etwa fünf eingegrenzt. "Es wird tatsächlich schwierig sein, die Einleitung des Organosulfids einer einzigen Firma zuzuweisen, da wir hier verschiedene Einleitungen festgestellt haben, jedoch nicht eine exakte Firma definieren konnten", erklärt er. Ob es sich um eine kriminelle Einleitung handle, könne nicht beurteilt werden. Dies müsse gegebenenfalls rechtlich bewertet werden. Während die Polizei bei der Ursache also von einer unbewussten, nicht einmal fahrlässigen Handlung ausgeht, schließt der Abwasserzweckverband eine kriminelle Einleitung nach wie vor nicht aus.