Die Eltern sehen sich die Lernbüros der Schüler an. Foto: Cools Foto: Schwarzwälder-Bote

Morschl: "Die zentrale Frage ist: Wage ich das Neue?" / Infoabend der Gemeinschaftsschule Eschach-Neckar stößt auf reges Interesse

Von Jasmin Cools

Deißlingen. Den Blick auf die Stärken der Kinder richten – das ist der Leitsatz der Gemeinschaftsschule (GMS). Etwa 100 interessierte Eltern und zukünftige Schüler informierten sich am Mittwoch über das moderne Schulsystem.

Lernbüros, Lernzeit, Lernagenda – was hier nach Berufsleben klingt, ist in der seit zwei Jahren bestehenden Gemeinschaftsschule Eschach-Neckar an den Standorten Deißlingen und Niedereschach schon Alltag. Am 25. und 26. März können Eltern ihre Kinder für die fünfte Klasse anmelden. Vorher, so Peter Singer, Rektor am Standort Deißlingen, müsse sich aber zeigen, ob die Gemeinschaftsschule ein Weg sei, den man gemeinsam gehen wolle. Um das herauszufinden, wurden den wissbegierigen Eltern und ihren Sprösslingen Konzepte der Schule sowie Stundenplan und Prüfungssystem vorgestellt.

Zunächst äußerte sich Singer verblüfft über das zahlreiche Erscheinen der Eltern. "Schön, dass unsere Arbeit so Anklang findet", bemerkte er. Das schlage sich auch in den Schülerzahlen nieder. Nachdem die GMS im ersten Jahr 37 Schüler aufzuweisen hatte, waren es im zweiten Jahr bereits 50 Neulinge. Wichtig sei ihm vor allem klarzustellen, dass die Gemeinschaftsschule keine erweiterte Werkrealschule sei, wie fälschlicherweise oft angenommen werde. Man habe sie eher als Fortsetzung der Grundschule zu betrachten, bei der die Stärken der einzelnen Schüler hervorgehoben würden. Die ersten drei Jahre verbringen die Kinder am Standort Deißlingen, die restlichen drei in Niedereschach.

Bestreben der Schule ist es besonders, selbstbestimmtes und selbstorganisiertes Lernen zu fördern sowie eine Feedback-Kultur und eigene Zielsetzung unterstützen. "Hier lernen die Schüler nicht sechs Stunden am Morgen und dann zu Hause noch einmal, sondern haben eine Abwechslung von Anstrengung und Erholung im Lernplan", erklärte der Rektor. Zusätzlich überzeuge die GMS durch eine moderne Lernumgebung an beiden Standorten und ausgezeichnet geschultes, junges Personal, bestehend aus Sozialpädagogen, Hauptschul-, Realschul- und Gymnasiallehrern. "Das ist wichtig, denn unser Lernen braucht Zeit", betonte Singer. Leisten könne die GMS den Hauptschulabschluss und die mittlere Reife sowie einen reibungslosen Anschluss zu einem Gymnasium nach der zehnten Klasse. Eine weiterführende Schule in der Gemeinde zu haben sei absolute Neuheit im ländlichen Raum.

Bürgermeister Ralf Ulbrich äußerte sich anschließend äußerst positiv über die neuartige Schule. Der Mut, den man vor zwei Jahren bei der Gründung der Schule bewiesen hätte, sei belohnt worden, so der Schultes. Mit zwei Standorten könne die Schule bereits doppelt so viel wie eine normale leisten, so Ulbrich.

Flexibilität und in der eigenen Gemeinde zur Schule gehen seien zwei zentrale Vorteile. Mit Renovierungen in Deißlingen und Neubauten in Niedereschach könne man den Kindern sogar eine Erlebnis-Baustelle bieten, scherzte der Bürgermeister. Insgesamt sei die Schule alle Kosten und Mühe wert gewesen und er vertraue ihr voll und ganz, sicherte er zu.

Es folgte der für die Eltern interessanteste Teil. Lehrer Manuel Jentschek stellte Stundenplan und Organisation des Unterrichts vor. So seien die Kinder zwar an drei Nachmittagen in der Schule, jedoch könne man Hausaufgaben schon in den im Stundenplan integrierten Lernzeitstunden erledigen. Durch zwei Bewegungspausen sei auch gewährleistet, dass die Kinder sich besser konzentrieren können.

Und regelmäßigist Showtime

Eine Besonderheit im Stundenplan ist auch die sogenannte "Showtime". Dieser moderne Begriff beschreibt eine Stunde, in der Kinder ihre Fähigkeiten zeigen oder eher präsentieren sollen, seien es Schulthemen oder freizeitliche Begeisterung. Ebenso neuartig ist auch die Organisation der Lernthemen. So differenziere man jedes Thema in drei Niveau-Stufen von Grundaufgaben bis zu Transferaufgaben, je nach Können der Schüler. Diese seien auch bei den Lernstandüberprüfungen entscheidend. Wer beim Test über 90 Prozent richtig hat, bekommt den Test der nächsthöheren Stufe, unter 50 Prozent den der niedrigeren Stufe. "Natürlich unterstützen wir die Kinder bei der Einschätzung ihrer Leistung. Wir wollen sie fordern, aber nicht überfordern", so Jentschek.

Für eine gute Lernatmosphäre sorgen dabei die Lernbüros, ein abgetrennter Arbeitsbereich für jeden Schüler. Auch das Zeugnis der GMS ist modern gestaltet. So werden Rückmeldungen zu den Schulfächern in Balkendiagrammen dargestellt und der Schüler bekommt eine Einschätzung seiner überfachlichen Kompetenzen, von Methoden bis zum Sozialverhalten. Des Weiteren führen die Kinder eine Lernagenda über ihre Arbeiten und Fortschritte. In regelmäßigen Coaching-Gesprächen mit einem Betreuer soll die Leistung der Kinder gemeinsam evaluiert werden und eine Zielsetzung stattfinden. "Da habe ich schon alles gehört: Von ›Ich will 80 Prozent im Vokabeltest erreichen‹ bis zu ›Ich möchte zukünftig immer an mein Sportzeug denken‹", erzählt Jentschek. Insgesamt wirkt die GMS berufsvorbereitend und sehr individuell.

Im Anschluss konnten Eltern und Kinder die Schule mit Labor, Computerraum und Klassenzimmern erkunden, Lernstoff sichten und das persönliche Gespräch mit den Lehrern suchen. Rektor Singer garantierte einer besorgten Mutter, dass jedes Kind aufgenommen werde, das zur GMS wolle. Konrektor Rainer Morschl unterhielt sich über das neuartige Konzept. So meinte ein Vater: "Natürlich ist es einfacher, die ausgetretenen herkömmlichen Wege zu nehmen." Morschl pflichtete ihm bei, wies aber auf das bestens geschulte Personal und die klare Konzeption hin. "Die zentrale Frage ist: Wage ich das Neue?"