Der Bauhof hat das Haus hergerichtet. Ehrenamtliche Helfer aus Lauffen haben die Wohnung eingerichtet, mit Bettzeug, Küchenutensilien und Co. Hier können die Flüchtlinge zur Ruhe kommen und ihren eigenen Vorgarten verschönern. Fotos: Smaoui Foto: Schwarzwälder-Bote

Zwölf Syrer ziehen in Haus neben Grundschule ein / Nachbarn helfen mit Staubsauger und Küchenutensilien

Von Dunja Smaoui

Deißlingen-Lauffen. Nun sind sie da, die zwölf angekündigten syrischen Flüchtlinge, die das Gebäude neben der Grundschule bezogen haben. Lauffen nimmt das erste Mal Flüchtlinge auf, die auf eine helfende Gemeinde treffen.

Khaled zieht mit seinem Finger eine Linie über den Wohnzimmertisch seines neuen Zuhauses: "Vom Libanon in die Türkei, dann weiter über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn". Seine Worte sind klar. Sein Englisch ist gut. Khaled ist einer von zwölf Flüchtlingen, der seine Heimat Syrien verlassen hat und in die renovierte Unterkunft in Deißlingen-Lauffen gezogen ist. Vor Wochen bereits hat der 24-Jährige das Kriegsland Syrien hinter sich gelassen. Doch nicht nur Bomben und Zerstörung bleiben zurück, sondern auch seine Frau und seine Eltern.

Der junge Mann mit den kurzen schwarzen Haaren und den braunen Augen ist nicht allein. Zusammen mit zehn weiteren Freunden und Cousins hat er sich bis nach Deutschland durchgekämpft. Im Bus, im Zug, im Boot. "Die Route war hart", erzählt Khaled. "Oft gab es nichts zu essen oder zu trinken." Meist habe sie die Polizei aufgeschnappt und weitergeschickt. Ins nächste Land. "In Griechenland haben wir nette Polizisten kennengelernt", erzählen die Syrer. Manchmal blieben sie tagelang in einer Stadt, manchmal ging es sofort weiter. Dass Schlepper ihr Geld mit Flüchtlingen verdienen, wird auch im Fall der Lauffener Flüchtlinge deutlich. "5000 Euro hat jeder bezahlt, um nach Deutschland zu kommen", sagt Khaled und schüttelt den Kopf. "Das ist ein riesiges Problem."

Die jungen Männer fangen an zu diskutieren, Khaled übersetzt. Sie sprechen über die Politik, das System, die "Ware" Flüchtlinge. Sie sind interessiert, wollen arbeiten, studieren, und vor allem: Deutsch lernen. Das bestätigt Angelika Haupt, stellvertretende Ortsvorsteherin in Lauffen und eine von drei engagierten Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsunterkunft. Sie kommt jeden Tag vorbei, bringt Küchenutensilien, Stühle, einen Staubsauger. "Wir leben im Überfluss", sagt sie. "Und diese Menschen können es wirklich gebrauchen." Noch am gestrigen Morgen hatten die Syrer Fladenbrot backen wollen, auch als Dankeschön für ihre Nachbarn, die allesamt hilfsbereit seien. "Ich hab’ dann im Keller noch ein altes Wellholz gefunden, mein Mann hat es repariert und fertig." Sie lacht. Khaled auch. "Ich bin so dankbar für die wundervollen Menschen hier", sagt er.

"In Syrien gibt es nichts mehr", berichtet er. "Kein Essen, kein Wasser. Nur noch Krieg." Den grauen Jogginganzug, den er trägt, habe er auf der Reise angehabt. Ohne Gepäck habe er sich auf die Flucht nach Deutschland begeben, nur mit seinem Handy. Für einen Moment ist es still im Wohnzimmer, in dem sich neun der zwölf jungen Syrer versammelt haben. Sie schauen auf den Boden. Ein paar greifen zu ihren Mobiltelefonen – der einzigen Möglichkeit Kontakt zu ihren Frauen, ihren Eltern, Geschwistern und Freunden zu halten.

"Ihr seid wie Tiere", durchbricht Khaled die Stille. "Ihr seid wie Tiere", wiederholt er. "Das hat die Polizei in Ungarn zu uns gesagt." Die Zeit in Ungarn sei grausam gewesen. Khaled zeigt Fotos auf seinem Handy, die die Männer hinter Gittern abbilden. Abgemagert und mit leeren Augen blicken sie in die Kamera. Polizisten haben nach Khaleds Angaben Wasser aus der Toilette geschöpft und die Flasche den Flüchtlingen hingeworfen. Weitere Fotos zeigen verschimmeltes Essen. Viele seien mit Pfefferspray attackiert worden. "Nirgendwo war es unmenschlicher als in Ungarn", sagt Khaled und schüttelt den Kopf.

Jetzt sind sie in Deutschland, wollen sich eine Zukunft aufbauen und sich sicher fühlen. Die Angst vor der Polizei haben sie nicht abgelegt. Das wird im Gespräch mit ihnen deutlich. Keiner will sich fotografieren lassen. "Wenn das Foto in Syrien landet, könnte das den Tod für unsere Familien bedeuten", sagt einer.

In Lauffen haben sie ein sicheres Zuhause gefunden, mit Menschen, die helfen wollen. "Das Haus ist wunderschön", sagen die jungen Männer. "Deutschland ist toll." Die Augen leuchten. "Jetzt müssen sie vor allem Deutsch lernen", sagt Angelika Haupt. Um einen Kurs kümmere sie sich. Eine Aufgabe zu haben, das ist ihnen wichtig. Vor dem Haus haben die zwölf bereits einen kleinen Garten angelegt. "Das ist jetzt unser Zuhause", sagt Khaled und lächelt.