Die Befindlichkeit von Dietmar Maurer, Ulrike von Kutzleben-Hausen, Bürgermeister Ralf Ulbrich, Renate Tappe und Stefan Schuler (von links) in Sachen Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sind irgendwo zwischen in Sorge und Zorn. Nicht nur sie sehen die Zukunft des Ortes als mit klimaneutral autark versorgte Kommune in Gefahr. Fotos: Schnekenburger Foto: Schwarzwälder-Bote

Briefaktion drückt Unverständnis gegenüber Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus

Von Bodo Schnekenburger

Deißlingen. Mit der Reform am Erneuerbare-Energien-Gesetz könnte bald die Luft raus sein aus der Windkraft. Zumindest für kleine, kommunale oder Bürgergenossenschaftsprojekte, wie sie in Deißlingen gerne realisiert würden. Deshalb gab es jetzt eine Briefaktion.

Adressaten sind Wahlkreis- und Betreuungsabgeordnete verschiedener Parteien, Briefe gingen auch an den Bundeswirtschaftsminister. Absender waren Gruppen und Initiativen wie der Bund für Umwelt- und Naturschutz oder die Genossenschaft Bürger-Energie Deißlingen (BED), aber auch die Gemeinde – und dazu eine ganze Reihe Privatpersonen.

Und darum geht es: "Die Reduktion der Einspeisevergütung, die Deckelung und Umlagepflicht des eigenen Stroms sind Nachteile für uns", fasst Bürgermeister Ralf Ulbrich in einem Pressegespräch zusammen. Auch wenn die beim Energiegipfel in Berlin gefundene Kompromissformel für die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zum Tragen kommt, fürchtet die Gemeinde um die Realisierbarkeit einer Windkraftanlage.

Die aber werde, so ist spätestens nach der Bürgerversammlung im Mai 2012 klar, gewünscht. Zusammen mit Trossingen arbeitet man seit über zwei Jahren an einem Konzept, denn der einzig darstellbare Standort ist eine Fläche, die über die Markungsgrenze reicht. Den Beteiligten ist klar, dass der Standort über dem Wannengrund kein Spitzenstandort sein kann. Doch immerhin sind Windgeschwindigkeiten von um die sechs Kilometer pro Stunde in Nabenhöhe zu erwarten. Zugrund gelegt wird eine Anlage mit einer Nabenhöhe von 140 Metern. Bei zu erwartenden 2500 Vollast-Stunden pro Jahr, so rechnet Bernd Angst, einer der Initatoren, vor, könnte so eine Anlage bereits wesentlich mehr Energie erzeugen als die gesamte Fotovoltaik-Bestückung von Deißlingen zusammen, eingerechnet auch die Großanlage auf dem Schuler-Neubau. Damit wäre die Windkraftanlage mit einer Abdeckung von etwa zehn Prozent des aktuellen Strombedarfs ein wichtiger Baustein im Energiemix der Zukunft in Deißlingen. Die soll bis 2050 klimaneutral und energieautark sein.

Das gerät jetzt in Gefahr. Unter Zugrundelegung der bisherigen Rahmenbedingungen hatte man eine Rendite von bis zu sechs Prozent errechnet. Dabei hat Ulbrich im Brief namens der Gemeinde klargestellt, dass dies nicht ausschlaggebendes Argument ist. Es ist vielmehr die eher seltene Akzeptanz, beziehungsweise gerade der Auftrag der Gemeinde, in die Windenergienutzung vor Ort einzusteigen, und die Notwendigkeit, die Bürger bei der Energiewende "mitzunehmen": "Wir tun dies nicht, weil wir einen besonders windhöffigen Standort vorweisen könnten, den wir Investoren teuer verkaufen können, nein, wir tun dies aus der Überzeugung heraus, dass die Energiewende nur dann gelingen kann, wenn sie vor Ort gestaltet und umgesetzt wird", hat er Siegmar Gabriel mitgeteilt.

Dietmar Gabriel von der BED hat in seinem Schreiben auch auf die große Akzeptanz der Erschließung regenerativer Energien hingewiesen und als ein Indiz die Nachfrage nach Genossenschaftsanteilen innerhalb kurzer Zeit angeführt. "Die Bürger sind bereit, einzusteigen. Jetzt werden sie ausgebremst von der großen Politik", sagt er. Und er befürchtet, dass angesichts solcher Signale auch die Bereitschaft verloren geht, sich zu engagieren.

Besonders ärgert die Briefschreiber, dass die Reform des EEG mit einem "atmenden Deckel" für die Förderung von Neukapazitäten Planungssicherheit ausschließt, und dass teure Offshore-Windparks, die von den führenden Stromriesen vor allem aus Profitgründen installiert und betrieben werden, von der Kürzung nicht betroffen sind. Die Reform macht den kleinen, kommunalen Projekten, die dezentral Energie für den eigenen Bedarf erzeugen – und nebenbei damit, wenn der Mix steht, auch Investition in große Leitungskapazität, Stichwort "Stromtrassen", nicht brauchen – einen Strich durch die Rechnung.

Egal was passiert: Die Gemeinde werde wohl planungsrechtlich alle Voraussetzungen zur Realisierung einer Windkraftanlage schaffen, schätzt Ulbrich. Sollte sich der Wind in Berlin wieder drehen und nach dem "EEG 2.0" mit einem "EEG 2.1" auch die Kleinen, deren Anlage nicht die Referenzertragswerte von 75 bis 80 Prozent erreichen wieder ins Boot holen, könnten die Deißlinger sofort loslegen. Der nächste Schritt wäre das Windgutachten. Das kostet aber so viel, dass ohne einigermaßen sichere Rahmenbedingungen diese Investition nicht riskiert werden kann.