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Wo liegt das Problem? / Montag Gesprächsrunde im Hagestall / Auch Nachtcafé inspiriert

Wenn am Montag, 15. Mai, der um 18.30 Uhr beginnende Runde Tisch zur Flüchtlingshilfe im Deißlinger Hagestall sein Treffen beendet hat, könnte ab 19.30 Uhr auch das Thema "Islam im Alltag" auf einen größeren Interessentenkreis stoßen.

Deißlingen (swr/wis). Zu Speisevorschriften, Gebeten, Aberglaube und anderes mehr will dann Fatima Majsoub das Alltagsleben in orientalischen Ländern im Vergleich zur deutschen Kultur beleuchten, und dabei nicht zuletzt auch über Vorschriften und Gewohnheiten berichten. Auch darüber, wie diese Themenfelder im Kontext zum Leben in Deutschland einzuordnen sind. Im Anschluss ist eine Diskussionsrunde geplant.

Die Frage, "der Islam in unserem Alltag – wo liegt das Problem?" beschäftigt die Gesellschaft in der Bundesrepublik sehr facettenreich. Umfangreich diskutiert wurde auch im Nachtcafé-Talk am 17. Februar mit Moderator Michael Steinbrecher.

"Mehr als 4,7 Millionen Menschen muslimischen Glaubens leben in Deutschland. Nicht nur am Burkini im Schwimmbad oder dem Minarett in der Nachbarschaft entzünden sich immer neue Konflikte. Einige Islamverbände rufen nach mehr Anerkennung, fordern gesetzliche islamische Feiertage. Hingegen fürchten Frauenverbände und Homosexuelle um ihre Rechte, die sie sich über Jahrzehnte hart erkämpft haben. Die einen sprechen von einer Überfremdungswahrnehmung, die anderen von Rücksicht und Toleranz. So manchen überkommt das ungute Gefühl, dass sich in Zukunft der Glaube viel zu dominant in unserem Alltagsleben verankern könnte. Was aber macht am gelebten Islam im Alltag solche Angst? Was ist Bereicherung, was Beeinträchtigung und was Bedrohung? Wie viel Religion darf in einem säkularen Staat wie unserem überhaupt sein?", hieß es neben anderem im Vorspann zu der viel beachteten FebruarSendung, bei der auch Birgit Plechinger, Rektorin einer bayerischen Mittelschule, in der mehr als die Hälfte ihrer Schüler Muslime sind, zu Wort kam.

Ob im Schwimmunterricht oder beim Kantinenessen – immer stehe sie vor der Frage, wie viel Entgegenkommen ist berechtigt, welche Sonderregelungen gehen eindeutig zu weit? Auch die ungleiche Erziehung von Mädchen und Jungs mache sich in der Schule deutlich bemerkbar: "Oft lassen die Eltern ihren Söhnen alles durchgehen, den Töchtern wird wenig erlaubt", bilanziert Plechinger.

Für den deutschen Philosophen Michael Schmidt-Salomon sind indes die Grenzen der Toleranz schon längst erreicht, wie er in der Sendung kund tat: "Der Glaube nimmt in unserem Land einen viel zu großen Einfluss auf unseren Alltag und die Politik. Ob katholisch, evangelisch oder muslimisch – Religion sollte Privatsache bleiben". Für den Religionskritiker ist die Idee einer Multi-Kulti-Gesellschaft längst gescheitert.

Die einen sagen: Die Idee von einer fruchtbaren Multi-Kulti-Gesellschaft ist längst gescheitert

"Jeder soll doch ungestört und offen seinen Glauben ausleben", ließ dagegen Meriem Lebdiri in der Sendung wissen. Die junge Designerin entwirft Mode für Frauen, die ihren Körper selbst- und modebewusst bedecken möchten. Das Kopftuch gehört für die praktizierende Muslima, die mit fünf Jahren aus Algerien in die Pfalz kam, zu ihrer Identität: "Ich kombiniere europäische Mode mit islamischer Tradition und will damit Brücken bauen", betont diese.

Was es bedeutet, wenn der muslimische Glaube mit dem deutschen Klinikalltag kollidiert, das erfährt Krankenpfleger Jochen Blaich täglich. Als Stationsleiter bekommt er immer wieder mit, dass weiblichem Krankenhauspersonal wenig Respekt entgegengebracht wird. Auch sorgten Krankenbesuche ganzer Großfamilien, die sich ums Bett eines Angehörigen versammelten, häufig für Ärger: "Unsere Bitte um Rücksichtnahme wird leider häufig ignoriert", beklagte er sich in der Fernsehsendung.

"Der Islam hat in Europa überhaupt nichts zu suchen", davon ist Mina Ahadi überzeugt. Bereits als Neunjährige musste die gebürtige Iranerin Tschador tragen, durfte in der Öffentlichkeit weder reden noch lachen. Im engsten Familienkreis hat sie erlebt, welch drakonische Strafen im Namen des Islam verhängt werden: Ihr Mann wurde wegen seiner politischen Arbeit hingerichtet. Dem Islam hat die Gründerin des Zentralrats der Ex-Muslime gänzlich abgeschworen, wie auch im Rahmen der Sendung deutlich gemacht wurde.

Professor Jochen Oltmer forscht seit über 20 Jahren zur Geschichte der Migration. Und blickte mit diesem Hintergrundwissen auch bei dem Nacht-Café-Talk optimistisch in die Zukunft. Der Historiker ist guter Dinge, dass sich die grassierende Angst vor Überfremdung auf lange Sicht hin auflösen wird: "Religion hat enorm an Bedeutung verloren. Die Probleme, die es zweifelsohne bei der Integration gibt, haben mit Religion sowieso wenig zu tun", so der Migrationsforscher.

Wie homophob ist der Islam? Diese Frage stellte sich David Karner, nachdem er mit einem Freund in einem Taxi Platz nahm. Als sich die beiden im Auto küssten, rastete der Taxifahrer aus. Mit Verweis auf seinen muslimischen Glauben hagelte es übelste Beschimpfungen, danach flog die Faust. Bis heute beschäftigt Karner der Vorfall: "Ich bin sehr vorsichtig geworden", so die Einstellung dieses Talk-Gastes.

Andere betonen: Sie schätzen unsere westlichen Werte, sind modern und genießen einfach ihre Freiheit

Sie kamen als Fremde, nun fühlt es sich wie Familie an, sagte Susanne Benz in der SWR-Sendung. Sie lebt Tür an Tür mit zwei Männern aus Syrien. Der Islam habe einem harmonischen Zusammenleben noch nie im Weg gestanden. Seit 16 Monaten teilen sich die Katholikin und ihr Mann ihr Haus mit zwei jungen Flüchtlingen. Der Kontakt sei innig, oft säßen alle zu viert am Esstisch: "So verschieden sind wir gar nicht. Sie schätzen unsere westlichen Werte, sind modern und genießen einfach nur ihre Freiheit", ist ein Fazit von ihr.