Ernst Ulrich von Weizsäcker in Lauffen Foto: Schwarzwälder-Bote

Vortrag: Ernst Ulrich von Weizsäcker spricht vor großem Publikum über die großen Probleme der Welt

Von Siegfried Reinhardt

An die 400 Leute wollten am Montag Ernst Ulrich von Weizsäcker hören. Der Vordenker in Sachen Wachstum und Nachhaltigkeit, der heute "im Wesentlichen Großvater" ist, wie er sagte, war nach Lauffen gekommen.

Deißlingen-Lauffen. Ernst Ulrich von Weizsäcker will sich guten Gewissens den Fragen seiner Enkel stellen. Diese wollten zum Beispiel einst wissen, was seine Generation mit der Welt angestellt habe. Darauf fand der agile Mann eine klare Antwort: "Die Uno-Entwicklungsziele lösen die Probleme überhaupt nicht!"

Religionen und Staatsformen seien in einer Zeit entstanden, als die Welt noch nicht so bevölkert war. "In einer vollen Welt muss man vieles anders machen!" Das Buch "Die Grenzen des Wachstums", einen Studie des Club of Rome und 1972 erschienen, fand damals bereits weltweite Beachtung, Weizsäcker war Mitautor.

Ernst Ulrich von Weizsäcker ist Co-Präsident des Club of Rome, einer Vereinigung von internationalen Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik, Berater der Uno und war lange Jahre SPD-Bundestagsabgeordneter. Bürgermeister Ralf Ulbrich freute sich sehr darüber, dass "einer der besten Referenten nach Deißlingen gekommen ist". Im Rahmen der "Nachhaltigkeitsregion 5 G" waren auch Zuhörer aus den Aldingen, Frittlingen, Denkingen und Wellendingen gekommen.

"Man stellt zwar die richtigen Fragen, doch die Antworten sind falsch", meint Ulrich von Weizsäcker. Nationales Recht und die globalen Märkte passten überhaupt nicht zusammen. Die Finanzmärkte erpressten die Staaten, das Wachstumsdenken sei völlig überholt. "Papst Franziskus hat das als selbstmörderisch dargestellt", so der 76-jährige Naturwissenschaftler. Im nächsten Jahr, zum 50. Geburtstag des Club of Rome, erscheint ein neues Buch mit der alten Botschaft: "Wachstum hat eben Grenzen."

Auch mit Lösungsvorschlägen geizt der Wissenschaftler nicht. So müssten Geräte langlebiger werden, die einzelnen Teile wiederverwendbar und alles geleast, dann seien auch die Hersteller daran interessiert, Haltbares zu bauen. Und sparsam natürlich: "VW hat das Konzeptauto XL1, das fährt mit 0,9 Litern!" Allerdings würden damit lediglich die Manager zu Messen fahren. Manchmal.

Die EEG-Reform sei im Grunde gut, da erneuerbare Energie bezahlbar bleiben müsse. Doch die Bürgerenergiegenossenschaften hätten in seinen Augen davon ausgenommen werden müssen.

Der Referent fährt mit dem Bus nach Hause

Und er sprach über die "Erdbeerjoghurtlogistik": 8000 Kilometer Lastwagen-Fahrten quer durch Europa, bis der Joghurt auf dem Frühstückstisch steht, ist für von Weizsäcker subventionierter Wahnsinn pur. "Die Bahn indessen verkümmert!" Die bisherigen Erfolge in Energieeffizienz würden aufgefressen durch mehr Verbrauch. Der Referent fordert Genügsamkeit: "Das kann schick und sexy sein! Wir brauchen uns nicht zu überfressen."

Allerdings ist Ernst Ulrich von Weizsäcker ein Gegner von Verordnungswahnsinn: "Tausende Verordnungen und Moralpredigten bringen nichts. Das führt nur zu Rebellion im Volk." In einer Marktwirtschaft, sagte der Referent, müssten die Preise sprechen. Energie teurer machen? Ja, aber dann sozial verträglich gestalten. Ein Sozialtarif fürs Lebensnotwendige und für die Industrie die Möglichkeit, diese Kosten anderswo wieder gutzumachen, das habe man in Schweden ausprobiert, da sei keine Firma abgewandert. "Wenn Europa sich zur Nachhaltigkeit bekennt, dann sind wir Pioniere, und Pioniere gewinnen. Dann wachen auch die USA auf!"

Apropos USA: Wenn alle so einen großen ökologischen Fußabdruck, also Verbrauch an Energie und Rohstoffen, wie die Vereinigten Staaten hätten, "dann bräuchten wir fünf Erdplaneten!".

Die Finanzmärkte hätten viel zu viel Macht, und die Einbeziehung der Entwicklungs- und Schwellenländer in die Zukunftsplanung, wie von Kanzlerin Angela Merkel gefordert, sei unabdingbar. Doch da hätten die USA ein "brutales Nein" eingelegt. Dabei hätten gerade die mächtigen Industrieländer für die jetzige aufgeheizte Atmosphäre gesorgt. Ganz klar sprach sich von Weizsäcker gegen TTIP, das transatlantische Freihandelsabkommen, aus: "Ich hoffe, dass das kippt." Gerade auf den sonst so flexiblen Mittelstand würden damit große Probleme zukommen.

Großes Lob hingegen gab’s für die Nachhaltigkeitsregion: "Das ist großartig, das bringt die Leute zu den richtigen Themen zusammen." Abschließend stellte sich Weizsäcker den Fragen der Zuhörer, um dann schließlich mit dem Bus nach Freiburg zurückzufahren. Nachhaltig eben.