Bürgermeister Ralf Ulbrich berichtet in der Hauptversammlung über den Stand der Dinge / Viele Austritte

Deißlingen (shr). Man könne sagen, der Neckar hat sich von der Beinahe-Umweltkatastrophe wieder erholt. Bürgermeister Ralf Ulbrich gab den Mitgliedern des Angelsportvereins Deißlingen in der Hauptversammlung den momentanen Sachstand detailliert zur Kenntnis.

Die brennendsten Fragen stellte dabei der Vorsitzende Martin Unger: "Wer war es? Wie ist die aktuelle Wasserqualität des Neckars, sprich macht es Sinn mit den Besatzmaßnahmen wieder neu zu beginnen und können wir wieder mit einer finanziellen Unterstützung beim Neuanfang rechnen?"

Im Mai 2014 kam es erneut zu einem großen Fischsterben im Neckar. Für den Bürgermeister sei es schon Gewohnheit, den Anglern schlechte Nachrichten zu überbringen. "Ich würde lieber mal einfach nur hinsitzen und einen schönen Abend verbringen", so Ulbrich.

Der Rückblick: Die Einleiten von giftigem Organo-Sulfid aus einem metallverarbeitenden Betrieb in Schwenningen habe erneut das wasser vergiftet. Zwar hätten die Ermittler fünf Betriebe, die dieses Gift verwenden, ausgemacht, jedoch konnte nicht bewiesen werden, wer letztendlich der Übeltäter gewesen ist. Die hochgiftige Chemikalie, eine Schwefelverbindung, habe die Aufgabe, Schwermetalle aus dem Abwasser zu filtern. Doch sei das Schlimme, dass der Stoff für das Gewässer und die Kläranlage viel giftiger sei, als es jedes Schwermetall in höchster Konzentration je sein könnte. Man triebe im wahrsten Sinne des Wortes "den Teufel mit dem Beelzebub aus".

Es habe ihm, Ulbrich, schier den Boden unter Füßen weggezogen, als er zur Kenntnis habe nehmen müssen, dass die hochgiftige Substanz vom Gesetzgeber als nicht gefährlich eingestuft worden sei. Es gebe keinen Grenzwert für Organosulfide. Der Hersteller behaupte nämlich ganz legal, dass dieses Gift biologisch abbaubar sei. Bewiesen worden sei diese Behauptung indessen noch nie. Der Gesetzgeber habe auch noch nie einen Beweis eingefordert.

"Ich dachte, wir sind in einer Bananenrepublik als ich diese Tatsache zum ersten Mal gehört habe", sagte Ulbrich. Diese habe man an die politischen Vertreter weitergeben. Es sei ein Unding, dass so etwas im 21. Jahrhundert überhaupt möglich sei.

Biologisch abbaubar sei ein Stoff, wenn er innerhalb von fünf Tagen durch biologische Prozesse in der Kläranlage mindestens zu 90 Prozent abgebaut sei. Organsulfide seien, das sei durch das Regierungspräsidium nachgewiesen nach fünf Tagen nur zu 22Prozent abgebaut. Die nützlichen Bakterien in der Kläranlage würden durch das Gift "eingeschläfert" und stürben letztendlich.

Deshalb sei auch das große Fischsterben passiert, weil dadurch eine große Menge an Giftstoffen, allerdings nicht Organosulfide, sondern Ammoniak in das Fischwasser gelangen konnten. Die Kläranlage habe es fast nicht mehr geschafft, organische Stoffe aus dem Wasser herauszufiltern. Man sei knapp an einer großen Umweltkatastrophe vorbeigeschrammt, da die Kläranlage kurz vor dem "Kollaps" gestanden habe. Insgesamt seien 40 Liter des Giftes in den Neckar gelangt, wie die Behörden ermittelt hätten.

Die Konsequenz daraus sei, dass bei den Einläufen in den Neckar Vorrichtungen installiert wurden mit denen zweifelsfrei nachgewiesen werden könne, an welcher Stelle das Gift eingeleitet worden sei.

Allen in Frage kommenden Betrieben sei auch untersagt worden, künftig solche Chemikalien einzusetzen. Sollte doch ein Betrieb dennoch diese Mittel einsetzen, würden in Zukunft dessen Abwässer nicht mehr angenommen.

Die Wasserqualität sei geprüft und dabei festgestellt worden, dass der Neckar keine langfristigen Schäden davongetragen habe. Was das Finanzielle angehe, werde man den Verein nicht im Regen stehen lassen. Ulbrich: "Wir sind dankbar für ihr Engagement." Martin Unger teilte im Übrigen mit, dass durch das erneute Fischsterben zahlreiche Mitglieder aus dem Verein ausgetreten seien. Unger: "So ist es eben oft, erst in der Krise zeigt sich, auf wen Verlass ist und wer lieber vor den Problemen davon rennt."