Anja Stumpf aus Deißlingen blickt zurück und erzählt vor allem von der Oma. Fotos: Smaoui Foto: Schwarzwälder-Bote

Früher hat sie vor allem im Garten der Oma in Deißlingen gespielt / Heute ist sie selbst Mutter von zwei Kindern

Von Dunja Smaoui

Deißlingen.  Gemeinderätin Anja Stumpf hat zwei Kinder, die sie auf Trab halten. In einer ruhigen Minute erinnert sie sich an ihre eigene Kindheit, die sie in Deißlingen verbracht hat. Diese sei wunderschön gewesen, doch habe sie auch ihre Wunden hinterlassen.

Anja Stumpf lebt in ihrem alten Elternhaus am Rande von Deißlingen. Im Wohnzimmer des hellen Hauses liegen Spielsachen ihrer beiden Söhne Leif und Kim. Die zwei halten sie immer auf Trab, sagt die Sozialpädagogin lachend. "Mein Großer ist  total trotzig." Sie schüttelt den Kopf. Er erinnere sie an sie selbst, als sie noch klein war.

Sie setzt sich an den großen Esstisch, mit dem Rücken zur Fensterfront, die den Garten zeigt. Die 36-Jährige lehnt sich zurück und geht gedanklich noch mal zurück – in die 80er Jahre, als sie als kleines Mädchen in Deißlingen viele schöne Momente erlebte.

"Wenn ich zurückblicke, dann sehe ich vor allem den riesigen Garten meiner Oma", erzählt sie  mit leuchtenden Augen. Sie habe viel Zeit dort, am Ortsrand von Deißlingen, verbracht. "Meine Eltern waren beide berufstätig. Deswegen war ich tagsüber immer bei der Oma." Anja Stumpf legt den Kopf zur Seite und lächelt. "Das war immer wunderschön." Sie schweigt, schwelgt in Erinnerungen. Im Hintergrund dudelt Musik.

"Rhabarber mochte ich nie, aber meine Oma hat immer Kompott davon  gemacht", erzählt sie lachend. Die Gemeinderätin aus Deißlingen kann sich nicht an Gespräche aus ihrer Kindheit erinnern. "Es sind vor allem Bilder, die hängengeblieben sind." Oft sei sie im "Neckartäle" unterwegs gewesen. "Dort gab es einen Esel, der hieß Benjamin. Den habe ich mit meiner Oma immer besucht." Mit der Hand streicht sie über den Tischläufer. "Das war schön."

Im Winter wie im Sommer habe sie außerdem viel Zeit  im Freien verbracht. Geschwister habe sie keine, aber mit ihrem Vater sei sie viel im Schnee gewesen. "Wir waren bei jedem Wetter draußen", erzählt sie. Auch an Räuber und Gendarm, Gummitwist oder Verstecken erinnert sie sich mit einem Lächeln gerne. Die Verbundenheit zur Natur, das habe sie in Deißlingen sehr zu schätzen gewusst. "Früher hatten wir keine Handys und keine Computer", sagt sie. "Das hat meine Kindheit auch geprägt."

Zu ihren Eltern und ihrer Oma habe sie immer ein enges Verhältnis gehabt. "Was mir auch total hängengeblieben ist, ist das uralte Fahrrad meiner Oma." Mit dem habe die Großmutter sie jeden Tag zum Kindergarten gefahren. "Ich saß immer auf dem Gepäckträger", sagt sie schmunzelnd. "Mit einem Kissen darunter. Das war früher irgendwie normal."

Die Zeit mit der Großmutter sei sehr wertvoll gewesen. "Wir haben wirklich viel Zeit miteinander verbracht.

War sie traurig, dass ihre Eltern weniger präsent waren? Anja Stumpf seufzt. "Eigentlich nicht." Sie lässt ihren Blick umherschweifen. "Klar, als Kind war es schon blöd, dass die Eltern viel gearbeitet haben. Aber es bleiben einem doch vorwiegend die schönen Erinnerungen, oder?" Sie lächelt und stützt ihren Kopf in die Hände. Stille.

Ihre Augen werden feucht. Sie wird nachdenklich. "Für die eigenen Kinder will man dann selbst auch immer das Beste", sagt sie mit erstickter Stimme. Für Anja Stumpf sei es so schön gewesen, eine enge Verbindung zur Oma gehabt zu haben. "Das möchte ich meinen Kindern eigentlich auch mitgeben." Aber das geht nicht. Anja Stumpf hat ihre Mutter wegen einer Krebserkrankung verloren. Das war vor zehn Jahren. Damals war sie 26.

"Es wäre schön, wenn meine Mama ihre Enkel kennengelernt hätte." Die Schwiegereltern seien eine große Stütze. Ihr Vater sei weggezogen, die eigene Mutter kommt nicht zurück. Sie vermisse sie sehr, sagt sie. "Es wäre schön, sie wäre da."

Im Alltag sei das Thema nicht so präsent, sagt sie. Aber ab und zu komme alles hoch. "Das finde ich an meinen Kindern so toll", sagt sie. "Die haben einfach noch kein Päckchen. Und sie fangen jeden Tag immer wieder bei null an."

Von ihren Eltern und der Oma habe sie viel Wertvolles mitbekommen. "Es waren nicht nur Worte", sagt sie, "sie haben es mir gezeigt." Vor allem die soziale Ader habe sich übertragen. Die Sozialarbeiterin arbeitet an der Aubert-Schule in Deißlingen, seit 2008 ist sie im Gemeinderat und setzt sich vor allem für ein familien- und seniorengerechtes Deißlingen ein.

An ihrer Seite steht Mann Torsten. Doch die Kinder ohne die eigenen Eltern als Unterstützung großzuziehen, sei nicht immer leicht. "Wenn es Streit gibt oder nichts richtig klappt, dann kommen schon manchmal Zweifel an einen selbst", erzählt sie. "Aber Kinder vergessen auch schnell." Ganz leicht komme ein "Ich hab’ dich lieb." Das sei wunderschön. Die Unbekümmertheit und Leichtigkeit ihrer Kinder stecke sie selbst an. "Manchmal ist es sehr schwer, es anzunehmen. Sich auch einfach mal der Langsamkeit hinzugeben", sagt Anja Stumpf. Doch ihre zwei Söhne bringe sie zurück, die Unbeschwertheit, "mit der alles viel besser klappt".