Bringt die deutschen Tennisherren wieder auf Kurs: Daviscup-Kapitän Carsten Arriens Foto: dpa

Er ist gerade mal drei Wochen im Amt, und doch hat er eine Menge zu tun: Daviscup-Teamchef Carsten Arriens will mit seiner Equipe den Neuanfang machen – einer der dringend nötig ist.

Stuttgart - Er ist gerade mal drei Wochen im Amt, und doch hat er eine Menge zu tun: Daviscup-Teamchef Carsten Arriens will mit seiner Equipe den Neuanfang machen – einer der dringend nötig ist.


Herr Arriens, man weiß gar nicht, wie man Sie ansprechen soll. Herr Bundestrainer – oder reicht Daviscup-Kapitän?
Beide Begriffe sind richtig.

Dennoch unterscheidet sich Ihr Aufgabenfeld von dem Ihres Vorgängers Patrik Kühnen.
Formell nicht, inhaltlich schon. Zumal ich nicht nur für das Daviscup-Team zuständig bin, sondern auch für den Nachwuchsbereich, beginnend ab der U 18. Gemeinsam mit Michael Kohlmann plane und gestalte ich diesen Bereich in einer Doppelspitze.

Der Deutsche Tennis-Bund hat sich für Sie entschieden – und damit gegen die Ex-Profis Alexander Waske und Rainer Schüttler. Was waren aus Ihrer Sicht die Gründe?
Der zentrale Unterschied zwischen den Kandidaten und mir war wohl, dass ich seit zehn Jahren als Trainer im Spitzenbereich – auch im Nachwuchsbereich – tätig war, die anderen weniger. Das soll nicht wertend sein, ist aber eine Tatsache. Daneben hat mir der DTB vom ersten Tag an das Gefühl gegeben, dass man sich mit mir einigen will.

Einige Experten haben kritisiert, dass der DTB den großen Schnitt verpasst hat, sich stattdessen für den „lieben Herr Arriens“, einen Freund der Profis, entschieden hat.
Es spricht viel dafür, in bestimmten Lebenssituationen „lieb“ zu sein. Zum Beispiel zu meinen beiden Töchtern bin ich das oft. Im Kontext des Profisports ist das kein Begriff, mit dem ich mich beschreiben würde. Ich stehe für Freundlichkeit und Respekt im Umgang miteinander, aber auch für Klarheit und Unabhängigkeit.

Bisher wurde der Daviscup-Teamchef stets als Repräsentant wahrgenommen, nicht als Trainer, der Einfluss auf die Spieler nimmt. Wird sich das bei Ihnen ändern?
Ich sehe mich schon in erster Linie als Trainer, aber ich habe bei den Profis nur beschränkten Einfluss auf die bestehende Trainings- und Alltagsstruktur. Ich kann aber indirekt einwirken, indem ich Gespräche führe und meine Eindrücke weitergebe. Es ist wertvoll, aus einer distanzierteren Perspektive Spielern Rückmeldungen und Impulse für ihren Trainingsalltag zu geben. Denn oft entstehen Routinen, die im Trainingsalltag nicht mehr wahrgenommen werden und nicht effektiv sind. Diese zu durchbrechen kann in fortgeschrittenem Alter neue Leistungspotenziale freisetzen.

Sie sind seit drei Wochen im Amt – haben Sie sich schon auf Ihre als verwöhnt und aufmüpfig geltenden Spieler eingestellt?
Ich finde nicht, dass wir schwierige Typen im Team haben. Es waren eher Missverständnisse, die auftraten und die an meinen Vorgänger gekoppelt waren. Da er nicht mehr im Amt ist, fällt diese Problematik weg.

Allerdings hat sich das Team nicht nur mit Patrik Kühnen überworfen, auch untereinander scheinen sich Tommy Haas und Philipp Kohlschreiber nicht ganz grün zu sein.
Natürlich lag es nicht allein an meinem Vorgänger. Er war ja zehn Jahre im Amt und hat gute Arbeit geleistet. Doch Sie kennen es aus dem Berufsleben, irgendwann ist die Luft raus, und dann bringt ein kleines Missverständnis das Fass zum Überlaufen. Der Vorteil in der jetzigen Situation ist, dass alle auf Neuanfang eingestellt sind. Wir haben miteinander gesprochen und Regeln festgelegt.

Wie sehen die aus?
Ich verlange von den Spielern, dass sie jetzt den Mund aufmachen und sich nicht erst in einem halben Jahr äußern. Jetzt können wir noch alles intern klären, was sich ändern soll. Das braucht drei Dinge: Klarheit, Offenheit und Kommunikationsstrukturen. Jeder muss Verantwortung übernehmen, um ein Wir-Gefühl entstehen zu lassen. Es wird wichtig sein, dass wir uns auf den Turnieren regelmäßig treffen – und dazu zähle ich den erweiterten Kreis von acht bis zehn Profis. In Melbourne werden wir im Januar unser erstes Gespräch führen. Das sind zwar alles kleine Maßnahmen, doch damit fängt es an. Auch der Austausch mit den Trainern der Spieler, den es bisher wenig gab, gehört zu dieser Kommunikationskultur.

Und? Haben die Spieler diesen Neuanfang schon als einen solchen angenommen?
Ja, Florian Mayer und Philipp Kohlschreiber haben etwa Tommy Haas zu sich nach Oberhaching zum Training eingeladen. Das war ein ehrlich gemeintes Angebot, auch wenn Tommy verständlicherweise zur Saisonvorbereitung lieber in Los Angeles bleibt. Es zeigt aber, dass beide den Neuanfang ernst nehmen und mitgestalten wollen. Aber . . .

Ja bitte!
Es geht im Daviscup-Team nicht darum, dass alle die besten Freunde sein müssen und auch privat von morgens bis abends zusammen Zeit miteinander verbringen. Tennis ist nun einmal eine Einzelsportart, und die Profis sind die meiste Zeit des Jahres ihre eigenen Unternehmer, schauen nach sich selbst. Es geht mehr um Professionalität, gegenseitige Unterstützung und Respekt voreinander, der sich in ganz normalen zwischenmenschlichen Gesten ausdrückt. Mindestens für die Daviscup-Wochen – in denen ich verantwortlich bin – erwarte ich das und ist es Voraussetzung, um im Team dabei zu sein.

Für das Daviscup-Spiel Anfang Februar in Buenos Aires gegen Argentinien haben Sie angekündigt, auf die Arrivierten wie Kohlschreiber, Mayer, Philipp Petzschner und Haas zu setzen, nicht aber auf Cedrik-Marcel Stebe. Warum?
Er hat beim Relegationsspiel gegen Australien in Hamburg viel dazu beigetragen, dass wir noch in der Weltgruppe sind. Doch man muss auch auf die Weltrangliste schauen, und da steht er im Vergleich zu den anderen nicht so hoch. Er hat nach seinem großen Sieg gegen Lleyton Hewitt nur noch ein Match gespielt. Deshalb hat Cedrik-Marcel, wenn die vier mir für Buenos Aires zusagen, erst einmal eine Pause. Das kann und wird sich ändern. Er ist als junger Spieler mein Mann der Zukunft.

Von denen hat der Deutsche Tennis-Bund nicht gerade viele. Woran liegt das?
Ich habe schon vor acht, neun Jahren für den DTB mit den besten 15- und 18-Jährigen ihres Jahrgangs gearbeitet. Allerdings hat von den damals 40 Nachwuchsspielern nur einer den Sprung unter die ersten 200 der Welt geschafft. Cedrik-Marcel Stebe und Jan-Lennard Struff hatte damals keiner auf der Liste, die sind erst mit 18 gut geworden. Doch Ihre Frage ist der richtige Ansatz: Woran liegt es, dass die Junioren nicht in der Weltklasse ankommen? Konzentrieren wir uns auf die Falschen? Das müssen wir klären. Ich habe bisher auch noch keine Antwort.

Was vermuten Sie?
Ich hätte nur oberflächliche Gründe, die ich gar nicht nennen will. Aber zweifellos müssen wir die Struktur hinterfragen und mit den Verbandstrainern sowie Bundestrainer Peter Pfannkoch, der seit Jahren hervorragend arbeitet, reden. Wobei ich mir die Schwierigkeiten beim Übergang vom U-18- in den U-22-Bereich erklären kann. Da fehlt teilweise die finanzielle Unterstützung aus dem Elternhaus. Dabei brauchen die Spieler in dieser Entwicklungsphase einen guten Trainer und müssen sich Reisen ins Ausland leisten können, um Future- oder Challenger-Turniere zu bestreiten.

In diesem Punkt wollen Sie künftig den Nachwuchs stärken – auch finanziell.
Genau! Ganz selektiv. Wie bei Jan-Lennard Struff oder einigen anderen, die ständig alleine durch die Welt reisen. Wir werden diesen Spielern bald konkrete Unterstützungsangebote machen. Noch bin ich mit Michael Kohlmann dabei, Informationen zu sammeln und uns einen Überblick zu verschaffen. Unsere Angebote sollen Sinn machen. Das braucht Zeit. Aber die Entwicklung dieser Spieler liegt mir am Herzen. Wenn wir da nichts tun, dann kommen in den nächsten Jahren auch weniger Spieler oben an.