Der Rapper Cro am Bodensee Foto: dpa

Auf seinem zweiten Album befasst sich der Stuttgarter Rapper Cro mit der Vergänglichkeit. Die Fans des Manns mit der Pandamaske haben die Release am Samstag bejubelt.

Konstanz - Die Fanfaren des albumeröffnenden „I Can Feel It“ erklingen, der bühnenverbergende Vorhang fällt, die Schreie der künstlererwartenden Fans hallen über die Wellen des Bodensees – doch dann: plötzliche Stille. „Wo ist er?“, fragt DJ Psaiko.Dino und blickt in fragende Gesichter. Nur die drei großen, bunt angestrahlten Lettern „C“ und „R“ und „O“ verraten, wer hier eigentlich angehimmelt werden sollte. Cro selbst, der angekündigte Stuttgarter Rapper, glänzt durch Abwesenheit. Weit entfernt am blauen Firmament über dem Konstanzer Freibad Horn kreisen drei Fallschirmspringer. Jeder zieht einen roten Rauchschweif hinter sich her. Nach knappem Tuscheln der Menge fällt der Groschen: So betritt man also die Bühne, wenn man gerade Rekordbrecher Nummer eins ist.

Ein See, drei Länder, drei Konzerte. Mittags in der Schweiz, danach in Österreich, am Abend in Deutschland: „Das wird die beste Release-Party der Welt!“, hatte Cro im Vorfeld angekündigt. Unter dem Motto „Tag am See“, organisiert und gesponsert vom kritikbehafteten Kapitalistentraum Red Bull, sollte des Pandamaskenträgers zweites Album namens „Melodie“ einen würdigen Startschuss erfahren.

Und Konstanz steht kopf: Shuttlebusse rollen am Samstag zwischen Hotels, Bühne und After-Show-Party. Karossen mit Kennzeichen von weit her kämpfen um Parkoptionen. Sängerin Lary und das ebenfalls maskentragende Hip-Hop-Duo Genetikk unterhalten die 5000 Fans auf deutschem Boden, bis der Mann des Tages schließlich einfliegt.

Zu gleichen Teilen spielt der Künstler neue Songs und Hits seines Debütalbums „Raop“, das Platinstatus erreichte. Für die neue Single „Traum“ gibt es für den schlaksigsten aller Pandas bereits auf der Seebad-Bühne die Goldene Schallplatte. Kann „Melodie“ also an den Irrsinnserfolg anknüpfen?

Wie beim Vorgänger drehen sich auch die Texte der neuen Lieder ums Ablehnen des Erwachsenwerdens, Genießen des Moments und um Vorzüge beziehungsweise Gefahren, die Frauen so mit sich bringen. Neben dem saxofonhaltigen „Traum“ taugt das temporeiche „Jetzt“ als Feierhymne. Der Erfolg scheint Cro aber auch fürs Thema Vergänglichkeit sensibilisiert zu haben. Insofern passt die Pandamaske: Suchten ihn etwa die Sorgen der tapsigen, vom Aussterben bedrohten Tierart heim, deren Kopf mittlerweile Synonym für den Musiker geworden ist? Scheinbar sitzen die Ängste der Pandas unter seiner Maske: In „2006“, „Erinnerung“ und „Wir waren hier II“ blickt der gebürtige Aalener auf sein 24-jähriges Leben zurück. Mit diesen Tracks, ergänzt durch „Rennen“ und „Vielleicht“, besteht mehr als ein Drittel des Albums aus zum Entspannen einladenden Hängemattentiteln.

Von denen gibt er in Konstanz aber nur wenige zum Besten. Lieber rappt er Hits wie „Whatever“ oder „Hi Kids“ und hüpft dabei über die Bühne, als müsse er sich Wasser aus dem Ohr schütteln. Auch das schwächste Stück des neuen Albums, „Bad Chick“, präsentiert er. Hierin bedient er einmal mehr das Klischee des weiblichen Materialisten: Reimte er im Verkaufserfolg „Einmal um die Welt“ noch „Sie will in Geld baden, und sie will Pelz tragen“, so verspricht er in „Bad Chick“ ebenfalls die Konsumbefriedigung mittels Rapperreichtums: „Du sollst es haben, wenn dir dieses Haus gefällt.“ Warum kommt der Panda nicht vom Materialismus los?

In neue Gefilde wagt sich Cro mit dem ebenfalls enttäuschenden Song „Cop Love“, der den Beischlaf mit einer Polizistin thematisiert (alternativer Titelvorschlag für den Freund der Flachsraketen: „Copulation“). Diesen stimmt er allerdings nicht an – vielleicht ja, weil nicht wenige Fans auf diesem Spezialkonzert zu sehen waren, die ohne die Schultern ihrer Eltern nichts außer Rücken hätten erspähen können.

Sieht man von solchen Ausnahmen ab, und das tun die Pandafans ohnehin, gelingt Cro ein gebührendes zweites Album, das ja in Künstlerkreisen als das schwerste gilt. Dass er bei der Releaseparty ermattet wirkte, kann man aufgrund der beiden vorherigen Auftritte in den Nachbarländern verstehen und verzeihen. Zwar werden von den 14 Titeln auf „Melodie“ wohl weniger einschlagen als beim Vorgänger. Aber Cro und Crew sind clever genug, die richtigen auszuwählen und als Single auszukoppeln. Denn vor allem das zeigt das Event „Tag am See“: in Sachen Marketing ist der Panda mindestens so talentiert wie im Musizieren.