Mittelalter trifft Mythen: Der historische Markt versetzte Besucher in die Vergangenheit. Foto: Fritsch

In Hesse-Stadt wird nach Pause von vier Jahren wieder groß gefeiert. Wir haben uns umgesehen. Mit Video

Calw - Das Stadtfest unter dem Motto "Calw im Wandel der Zeiten" ist vorbei. Doch wie viel "Wandel der Zeiten" war tatsächlich geboten? Wir haben uns umgesehen.

Im 11. Jahrhundert entstanden und im Zusammenhang mit der älteren Burg der Grafen von Calw erstmals urkundlich erwähnt, blickt die Hesse-Stadt auf eine lange Geschichte zurück. Grund genug, um zumindest einen Teil dieser Geschichte auch beim Stadtfest widerzuspiegeln. Doch wo wurde das wie umgesetzt? Eine Stichprobe.

Ich beginne meine Erkundungstour am Samstagnachmittag bei der Redaktion des Schwarzwälder Boten in der Lederstraße. Noch sind nicht allzu viele Menschen unterwegs – also genau richtig, um in aller Ruhe die verschiedenen Angebote zu begutachten.

Zwischen Bier- und Kronengasse entdecke ich rechter Hand den Stand der Calwer Bürgerstiftung. Hier wartet ein Rätsel auf die Besucher, bei dem sie beweisen können, wie viel sie über die große Kreisstadt wissen. Alte Fotos, bei denen erkannt werden muss, wo sie aufgenommen wurden, gehören ebenso dazu wie kurioses Wissen um die Vergangenheit. Wer kann zum Beispiel ahnen, wie viel im Jahr 1925 ein Hut in Calw gekostet hat? Hm. Gar nicht so leicht. Als gebürtiger Althengstetter wage ich erst gar nicht, mich zu beteiligen – obwohl es etwas zu gewinnen gibt. Zum Beispiel Gutscheine örtlicher Läden. "Aber hauptsächlich geht es um den Spaß", erklärt mir Erik Olefs, Mitglied im Stiftungskomitee. Die Lösung des Rätsels wird in den kommenden Tagen auf der Homepage der Bürgerstiftung zu finden sein.

Weiter geht es Richtung Marktplatz, vorbei an teils originell gestalteten Ständen, an denen es vor allem Essen und Getränke gibt. Ein echtes Stadt-Getränk erwartet mich dann schräg gegenüber der Marktplatz-Bühne: Das "Swing-Perle"-Festbier, ausgeschenkt vom Liederkranz Concordia Calw (LiCo) und von diesem während des Brauvorgangs auch – im Wortsinne – besungen. Und eigens für das Stadtfest vom Neubulacher "Rössle"-Wirt Ingo Mutterer gebraut. Doch wie ist es geworden? Roland Stöß vom LiCo bietet mir einen Probierschluck an – schmeckt lecker.

Nur ein paar Meter weiter finde ich im sardischen Restaurant La Caletta eine weitere kulinarische Besonderheit: Speisen aus Sardinien, wie sie vor Jahrzehnten von den vermutlich ersten Calwer Italienern bereits gegessen wurden. Wie "Franco’s Pizza" in der Salzgasse hat auch das La Caletta sich am Thema "Gastarbeiter der 1950er- und 1960-Jahre" orientiert. Und so finde ich hier unter anderem sardische Salsiccia, Oliven und einen Käse, ähnlich dem Mozzarella, der über dem Feuer hängend zum Schmelzen gebracht und aufs Brot gestrichen wird. Das sieht man auch nicht alle Tage.

Von der Mitte des 20. Jahrhunderts mache ich danach einen ziemlich großen Zeitsprung: direkt ins Mittelalter. Oder besser gesagt zum historischen Markt, der etwa auf Höhe der Stadtkirche beginnt. Neben einem altertümlich anmutenden Karussell begrüßt mich eine Taverne, etwas weiter oben bestaunen Kinder die Arbeiten eines Schmiedes, der sich jahrhundertealter Methoden bedient. Tierfelle, historische Gewänder, Met und allerlei mittelalterliche Speisen, vom "Hexenfladen" bis zum Spanferkelbraten gibt es hier zu kaufen.

Nach all der Völlerei, der ich bislang auf dem Fest hätte frönen können, will ich nun aber lieber etwas Sportliches unternehmen. Genau der richtige Ort ist dafür der Stand des TSV Calw. Sportgeräte der Vergangenheit und der Gegenwart finde ich hier – genauer gesagt einen alten Hometrainer aus den 1990er-Jahren und ein modernes Spinning Bike. Aber was ist der Unterschied? Clemens Alex, frisch gebackener sportlicher Leiter des TSV, erklärt es mir: Während der Hometrainer eine Art Leerlauf hat – bei dem das gedachte Rad des Fahrradtrainingsgeräts gewissermaßen weiterläuft, auch ohne in die Pedale zu treten – gibt es so etwas beim Spinning nicht.

Cleveres Fahrrad

Was ich beim Ausprobieren der Geräte und dank der schwülen Hitze auch sofort zu spüren bekomme: Es ist anstrengender. Dafür ist das Spinning Bike clever: Hier kann ich mein Fitnesslevel, mein Geschlecht und mein Gewicht angeben, und ein kleiner Monitor zeigt mir anhand von Farben, ob ich richtig oder zu hart trainiere. Grün ist gut; zeigt es Rot, sollte ich eher langsam machen.

Die heißen Temperaturen bringen mich aber ohnehin davon ab, hier an diesem Tag meine Grenzen auszutesten. Stattdessen wage ich noch – ganz im Sinne "Wandel der Zeiten" – einen kleinen Blick in die kommenden Jahre: Am Stand der Energie Calw GmbH (ENCW), wo Testfahrten im Elektroauto – möglicherweise dem Fortbewegungsmittel der Zukunft – angeboten werden. Testfahrten haben zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht so viele Besucher in Anspruch genommen, verrät mir dort Rifat Mahler vom Ostelsheimer Autohaus Lohre, einem Kooperationspartner der ENCW. Aber: "An der E-Mobilität besteht riesiges Interesse", erzählt er.

Auch ich verzichte an diesem Samstag übrigens auf eine Probefahrt. Denn meine Erkundungstour ist zu Ende – und schon ein kleiner Ausschnitt der vielfältigen Angebote der mehr als 50 Vereine, Geschäfte und Gastronomen, die sich am Fest beteiligt haben, hat mir gezeigt: Das Stadtfest hat einiges zu bieten. Hoffentlich lässt das nächste nicht wieder vier Jahre auf sich warten.