Die Reisegruppe der "Freunde Kloster Hirsau" vor der ehemaligen cluniazensischen Prioratskirche Saint-Sulpice am Genfer See. Foto: Hartmann Foto: Schwarzwälder-Bote

"Freunde Kloster Hirsau" vertiefen Wissen bei Studienfahrt in die Westschweiz / Hinreißende Figuren und Fresken

Von Klaus-Peter Hartmann

Calw-Hirsau. Nähert man sich auf der Zeitschiene dem Kloster Hirsau und seiner Geschichte im Hochmittelalter, so wird man unweigerlich der Hirsauer Reform begegnen; einer Bewegung, die im deutschsprachigen Raum sowie darüber hinaus auf die Neugestaltung des Mönchs- und Klosterwesens einen maßgeblichen Einfluss ausübte.

Nahezu ein halbes Jahrhundert lang, von 1070 bis nach 1120, erfasste Hirsau als monastisches Reformzentrum in seiner Ausstrahlung das ganze Reich. Dabei brachte es sich aktiv als Vertreter päpstlicher Interessen in die kirchlichen und politischen Auseinandersetzungen (Investiturstreit) jener Zeit ein.

Unverzichtbar für die Hirsauer Reformbewegung sollte das Vorbild von Cluny werden als ein "lebendiger und unerschöpflicher Quell", so im Prolog der "Constitutiones Hirsaugienses". Nach seiner Gründung im Jahre 910 wandte sich die burgundische Benediktiner-Abtei Cluny in Reformwillen und -bewegung gegen die Verweltlichung der Kirche. Die Absage jeglicher Einmischung weltlicher und bischöflicher Gewalt in die internen Angelegenheiten des Klosters, freie Abtswahl, Befreiung von Abgaben und Immunität trugen als Reformelemente zur Blüte Clunys bei. In ihrer Hochzeit gehörten zur Abtei Cluny annähernd 1200 Klöster mit etwa 20 000 Mönchen.

Diesen Spuren der cluniazensischen Reform folgten die "Freunde Kloster Hirsau" auf einer Studienfahrt in die Westschweiz. Thematischer Inhalt dieser Exkursion waren die cluniazensischen Priorate, Spuren der Bau- und Reformgeschichte Clunys am Rande des Schweizer Juras sowie weitere herausragende Beispiele romanischer Baukunst.

Beginnend mit dem Basler Münster, seiner zu den ältesten Figurenportalen im deutschen Sprachraum gehörenden Galluspforte, dem romanischen Radfenster/Glücksrad und der romanischen Interieur-Plastiken war das nächste Ziel die ehemalige Cluniazenser-Abtei Payerne. Nicht nur ob ihrer Monumentalität, sondern auch der ikonografischen Details wegen zieht der Kirchen- und Klosterbau die Besucher in ihren Bann.

Weiterer Schwerpunkt der Reise waren die Kirchen und ehemaligen Klöster im näheren Umfeld des Genfer sowie des Neuenburger Sees: Grandson beeindruckt mit seiner hinreißenden Figurenplastik, Montcherand mit seinen aus dem 12. Jahrhundert stammenden Fresken, Romainmôtier, eines der wichtigsten Beispiele der Cluniazenserarchitektur, mit seiner baulichen Geschlossenheit. Hier erhielten die Spurensucher durch die Erläuterungen des Präsidenten der "Fédération Européenne Sites Clunisiens", Michel Gaudard, wertvolle Einblicke in die Historie und die bauliche Entwicklung des ehemaligen Priorats. Abschluss des regional umrissenen Besichtigungsprogramms bildeten die unmittelbar am Gestade des Genfer Sees liegende Kirche von Saint-Sulpice und schließlich die Kathedrale Notre-Dame in Lausanne mit ihrer beispiellosen Fensterrose aus dem Jahre 1235.

Ein lohnenswerter Abstecher in das Rhonetal führte nach Saint-Maurice zu einer der ältesten Abteien des Abendlandes (gegründet 515), wo Abt Joseph Roduit sowie Pater Thomas die Reisenden empfingen und durch die Abteikirche führten. Von hier aus, dem südlichsten Punkt der Studienreise, erreichte die Gruppe die Zähringer-Stadt Freiburg/Fribourg in ihrer eindrucksvollen Ober- und Unterstadtlage und der gotischen Kathedrale Sankt Nikolaus. Hier konnte eine geistige Brücke zu Bertold I. von Zähringen geschlagen werden, der 1078 in der Hirsauer Klosterkirche Sankt Aurelius bestattet wurde.

Abschluss der Reise war schließlich der Besuch der in begeisternd großartiger Landschaft gelegenen Kirchenruine von Rüeggisberg, bei deren Besichtigung – wie zwei Tage zuvor in Payerne – Abt Ulrich von Zell, cluniazensischer Freund von Abt Wilhelm von Hirsau, in den historischen Blick der Reisenden gestellt wurde.

Auch mit dieser 45. Fahrt der "Freunde Kloster Hirsau" konnte die Erkenntnis zur erneuernden, prägenden und formenden Kraft der Klosterreformen Clunys und Hirsaus im Mittelalter mit einem bedeutsamen Mosaikstein zum Gesamtbild vertieft werden.