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Die Welt ist klein geworden. Die Nachrichten bringen mir jeden Tag

Die Welt ist klein geworden. Die Nachrichten bringen mir jeden Tag die Situation von Menschen in den Kriegsgebieten ins Haus. Ich sehe die Bilder von Menschen, die in Syrien und im Irak auf der Flucht sind vor den Kriegern des sogenannten Islamischen Staats. Ich höre, es sind hunderttausende, die dort vor den barbarischen Milizen fliehen, die ihnen ihr Lebensrecht absprechen und sie aus Dörfern und Städten vertreiben. Jesiden und Christen werden angegriffen und müssen aus ihrer Heimat fliehen, nur weil sie in den Augen ihrer fanatischen Feinde den falschen Glauben haben.

Ich sehe Menschen, die weinen um getötete Angehörige. Menschen, die verletzt wurden an Leib und Seele. Ihr Leiden, denke ich, kann niemanden kalt lassen. Alle Bilder und Berichte, die uns in Deutschland erreichen, signalisieren: Helft uns! – Aber wie?

Die Bundesregierung plant, Waffen an die kurdischen Kämpfer im Norden des Irak zu liefern. Damit sollen sie besser gegen die IS-Terroristen kämpfen können. In diesen Tagen wird darüber heftig diskutiert. Soll wirklich der Grundsatz außer Kraft gesetzt werden, keine Waffen in Krisengebiete zu schicken? Mit dem Risiko, dass die Waffen in Zukunft noch mehr Unheil anrichten als ohnehin schon? Oder braucht es jetzt einfach diese Hilfe zum Schutz für Unschuldige?

Auch in den Kirchen werden diese Fragen ganz unterschiedlich beantwortet. Es gibt gegen Terror und Völkermord keine einfachen Antworten. Gewaltfreie, humanitäre Hilfe - oder Hilfe mit Waffen? Ich meine, wir Christen müssen aufpassen, dass wir keine theoretische Debatte führen, die nur davon ablenkt, wie hilflos wir in Wahrheit sind.

Was können wir konkret tun? Wie ernst ist es uns denn mit der Hilfsbereitschaft für die von den Terrormilizen verfolgten Menschen? Darüber denke ich nach, seitdem – genauso wie über die Waffenlieferungen – darüber gestritten wurde, ob Deutschland mehr Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien aufnehmen soll.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung hat das vehement gefordert. Der Innenminister lehnt zusätzliche Kontingente für Flüchtlinge aus dem Irak ab und fordert sogar, die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland insgesamt zu begrenzen.

Die Welt ist klein geworden. Und es kommen eben nicht nur Bilder und Nachrichten aus den Kriegsregionen zu uns. Täglich kommen auch Menschen, die vor diesen Kriegen fliehen. Wenn uns die Not der Gewaltopfer nicht unberührt lässt, sollte es unsere erste und selbstverständliche Aufgabe sein, sie hier willkommen zu heißen.

Diese Aufgabe wird von vielen Menschen angenommen. Gott sei Dank! Mit großem Engagement setzen sie sich ehrenamtlich oder beruflich für Flüchtlinge ein. Und viele Städte und Gemeinden strengen sich an, bessere Unterkünfte für Flüchtlinge zu schaffen und sie angemessen zu betreuen. Dazu brauchen sie dringend mehr Geld. Die Waffen, die in den Irak geschickt werden sollen, kosten auch Steuergeld. Dass für Waffen Geld da sein soll, es für die Flüchtlinge aber nicht reicht, das will mir nicht in den Kopf.

Wer ist denn mein Nächster? – wurde Jesus gefragt. Und er antwortete mit dem Beispiel eines einfachen Mannes, des barmherzigen Samariters. Der ließ sich von der Not eines anderen anrühren, der unter die Gewalttäter gefallen war, und kümmerte sich um ihn, mit Geld und mit Unterkunft. Obwohl er ihn nicht kannte und obwohl er zu einem anderen Volk gehörte.

Die Welt ist klein geworden. Und unsere Nächsten – die kommen manchmal von weit her.

Der ist mein Nächster, der meine Hilfe gerade jetzt braucht!

Erich Hartmann ist Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Calw