Kirchenhistoriker Hubert Wolf war zu Gast beim Dialog in Sankt Aurelius. Foto: keb Foto: Schwarzwälder-Bote

Kirchengeschichte: Hubert Wolf geht beim Dialog in Sankt Aurelius auf einige Widersprüche ein

Calw-Hirsau. Mehr als 100 Besucher füllten Sankt Aurelius, um den Kirchenhistoriker Hubert Wolf in Hirsau willkommen zu heißen. Der katholische Bildungsreferent Hans-Joachim Remmert hieß den gebürtigen Ostälbler mit den Worten willkommen, dass neue Ideen und Reformen in der katholischen Kirche auf allen Ebenen gerne mit dem Satz "Das war schon immer so" abgelehnt wurden – Tradition als Reformverhinderer.

In seinem Vortrag machte Wolf deutlich, dass die Tradition in der katholischen Kirche so vielfältig und manchmal auch widersprüchlich ist, dass eine Berufung darauf, dass es schon immer so war, eigentlich schwer fallen müsste. Ganz im Gegenteil sei die Reform ein Wesensmerkmal der Kirche, wie es auch das II. Vatikanische Konzil herausgestellt habe.

Re-form meine eigentlich eine "Rückformung zum guten und bewährten Alten durch Beseitigung aller inzwischen eingetretenen Missbildungen". Dabei müsse man sich aber bewusst sein, dass es weder eine "mustergültige Verwirklichung der Kirche" zu irgendeiner Phase gegeben habe, noch eine einheitliche Lehre und Tradition.

So habe Pius XI. 1864 die Gewissensfreiheit noch als "Wahnwitz" verdammt. Knapp 100 Jahre später habe das II. Vatikanische Konzil den Respekt gegenüber der "Würde des Gewissens und seiner freien Entscheidung" bekundet. Das stünde nicht in Kontinuität zueinander. Hier habe die katholische Kirche mit der Haltung von Pius XI. gebrochen.

Wissenschaftler erzählt sehr fesselnd

Auf fesselnde und spannende Weise erzählt der Wissenschaftler, wie im Laufe der Geschichte wichtige Traditionen der katholischen Kirche einfach vergessen wurden. So wurden Bischöfe in früheren Zeiten nicht einfach zentralistisch vom Papst bestimmt, sondern oftmals auch von den Gläubigen gewählt. So gab es im Mittelalter Äbtissinen, die mit Jurisdiktionsvollmacht wie ein Bischof ausgestattet waren. Sie waren für rund 70 Gemeinden zuständig, ernannten Pfarrer und hatten weitgehende Leitungsvollmachten.

Erst das II. Vatikanische Konzil habe die bischöfliche Jurisdiktionsvollmacht mit der Weihe verbunden. Im Mittelalter sei es durchaus üblich gewesen, dass zum Beispiel Kardinäle gar keine Priester waren. So konnte dieses Amt von Laien ausgefüllt werden.

Auch das Amt der Diakoninnen sei für die ersten Jahrhunderte der Christenheit gut bezeugt. Wolf geht davon aus, dass erwachsene Frauen nur von Diakoninnen getauft werden durften, da sie bei der Taufe nackt waren.

Es gebe leider zu wenig Zeugnisse darüber, wie weit die Vollmachten der Diakoninnen tatsächlich gingen, aber vieles spricht dafür, dass sie am Amt des Bischofs teilhatten und in seinem Auftrag auch Sakramente wie die Taufe spendeten.

Mit seiner verständlichen, zugleich unterhaltsamen und fachkompetenten Art schaffte es der Kirchengeschichtler der Universität Münster, dass die Zuhörer bis zum Schluss gebannt an seinen Lippen hingen. Dann entließ ihn Peter Schlang mit dem Dank des Forums Aurelius und dankte am Ende des Abends dem ausscheidenden Hermann Wulzinger für seine langjährige Mitarbeit im Forum Aurelius.