Andreas Kubesch, Bundestagskandidat der Grünen für den Wahlkreis Calw/Freudenstadt (links), mit der grünen Bundestagsabgeordneten Kerstin Andreae und Ministerpräsident Winfried Kretschmann beim Besuch der Destille Monkey 47 in Loßburg. Foto: Kubesch Foto: Schwarzwälder-Bote

Bundestagswahl: Andreas Kubesch (Grüne) ist sich für die Ochsentour nicht zu schade

Andreas Kubesch ist der Bundestagskandidat von Bündnis 90/Die Grünen für den Wahlkreis Calw/Freudenstadt. Ein Grüner wie er im Buche steht: studierter Förster, sozialisiert durch BUND und Nabu. Heute Energieunternehmer – mit Brennholzhandel und eigenen Solarkraftwerken.

Kreis Calw. Es ist noch ziemlich früh an diesem Samstag in der Nagolder Innenstadt. Es wird voll werden. Menschen auf dem Weg zum Wochenmarkt oder Brötchen holen. Alle großen, bei der Bundestagswahl antretenden Parteien werden heute rund um Markt- und Turmstraße ihre Info-Stände aufbauen. Andreas Kubesch ist der erste, der "ready" für den Wahlkampf ist: mit seinem Sandwich-Plakat um den Hals und Flyer in der Hand geht er noch vor allen anderen auf Stimmenfang.

"Das gehört halt zur Wahlkampf-Folklore", zuckt Kubesch mit den Schultern. Die Resonanz sei aber eher verhalten bei den Menschen. "Die meisten lassen sich ungern etwas in die Hand drücken." Der unangenehme Teil für den Wahlkämpfer. Aber wenn man das so macht, zieht Kubesch das auch so durch. Die Ochsentour. Wobei er seine Chancen, auch tatsächlich in den Berliner Reichstag einzuziehen, offenbar nicht wirklich hoch einschätzt. Die Konkurrenz ums Direktmandat sei für einen Grünen im Nordschwarzwald "aktuell schwierig". Und auf einen wirklich aussichtsreichen Listenplatz habe er "diesmal" beim Nominierungsparteitag seiner Partei "keine Kampfkandidatur" für sich starten wollen.

Es ist eher ein "Sehen und Lernen", wie Kubesch seinen Wahlkampf gestaltet. Auf seinem Flyer steht: "Als Förster bin ich es gewohnt, in sehr langen Zeiträumen zu denken." Daher scheint sein Blick nach Berlin ein eben solch "weiter Blick" zu sein. Langer Atem. Warten auf die Chance, wenn die Karten im Heimatwahlkreis neu gemischt werden. Und bis dahin sich die Sporen verdienen. Und mit seinen Themen Energie, Nachhaltigkeit, ein integriertes Europa, enkeltaugliche Wirtschaftspolitik und zukunftsfähige Landwirtschaft ein eigenes Profil in der Region erarbeiten.

Der 48-Jährige ist erst seit sechs Jahren Mitglied der Grünen. In dieser Zeit hat er regional aber eine beachtliche Karriere intern hingelegt, ist seit Frühjahr letzten Jahres Vorsitzender des Kreisverbandes Calw seiner Partei, jetzt bereits deren Bundestagskandidat. Und das sei passiert, weil er es so wolle. "Ich habe mich nicht bitten lassen. Ich bin aufgestanden und hingegangen und habe gesagt: Ich will." Er betrachte seine Kandidatur genauso ernsthaft wie seine Unternehmen, zu dem gemeinsam mit Ehefrau Karin Röhm-Kubesch auch ein Mineralien- und Schmuckgeschäft in Heimatort Neubulach gehört.

Eine Dame spricht Andreas Kubesch zwischen seinen Sandwich-Plakaten an. Ob er wohl ein Parteiprogramm für sie habe. "Das ist eine echte Premiere", wird Kubesch später erstaunt kommentieren – nach dem 250 Seiten starken Büchlein mit der Quintessenz aller aktuellen grünen politischen Ziele sei er noch nie gefragt worden. Aber er hat genug davon dabei, ist auf alles vorbereitet. "Das läuft ja heute besser als gedacht." Aber anfreunden mit dieser Art des Stimmenfangs, dem Straßenwahlkampf, wird sich Kubesch offensichtlich trotzdem nicht so schnell.

Szenenwechsel. Energiepolitik ist Kubeschs Kernthema. Als Baden-Württembergs grüner Umweltminister Franz Untersteller einen gemeinsamen Termin zur Unterstützung in Kubeschs Wahlkampf anbietet, organisiert dieser einen gemeinsamen Besuch bei "Weiler Wärme" in Pfalzgrafenweiler.

Die Genossenschaft dort hat aus ihrem Heimatort ein Bioenergiedorf gemacht, kümmert sich um Nahwärmeversorgung, regenerative Stromerzeugung und E-Mobilität. Mit riesiegem Erfolg. Fast 1000 Genossenschafts-Mitglieder gibt es, über 550 Gebäude sind ans eigene Nahwärmenetz angeschlossen. Und das alles aus überwiegend ehrenamtlicher Arbeit gewachsen.

Für Kubesch und Untersteller ein eindrucksvoller Modellfall, der sich doch auf andere Kommunen im Land und der Region übertragen lassen müsste. "Die Idee klonen", wie Kubesch es an diesem Nachmittag immer wieder nennt. Zum Beispiel in Neubulach, wo bereits Kubeschs eigene Solaranlagen stehen. Dezentrale Energieerzeugung, schlanke, flexible Nahwärmeleitungen. Leistungsspitzen durch vorhandene Gasthermen abfangen, erzeugte Stromüberschüsse für das Laden von E-Autos im Carsharing nutzen. Doch wie kann man, was in Pfalzgrafenweiler funktioniert und die Menschen begeistert, auch tatsächlich in andere Kommunen exportieren – als Idee, als Konzept, als Unternehmung?

Andreas Kubesch, der "Unternehmer", ist in seinem Element. So selbstdistanziert er durch seinen Straßenwahlkampf in Nagold tapste, hier brennt jetzt echte Leidenschaft. Untersteller hatte er als seinen "Lieblingsminister" begrüßt. Mit Fragen, Statements versucht er sich nun immer wieder in der Expertenrunde mit den Mitarbeitern von "Weiler Wärme" ins Gespräch zu bringen.

Was mit Minister Untersteller an der Seite aber nicht immer einfach ist – weil der es offensichtlich gewohnt ist, in solchen Runden der Wortführer zu sein. Und mit ähnlich großer Leidenschaft wie Partei-Kollege Kubesch seine Themen hier zu bedienen weiß.

Aber sein Dilemma, wird Kubesch später draußen nach der Verabschiedung des Ministers sagen, sei eigentlich ein ganz anderes: "Energiewende, Nachhaltigkeit – das interessiert irgendwie derzeit die Menschen so gar nicht." Dabei ließe sich auf diesen Feldern für die Zukunft des Landes wirklich etwas gestalten. Stattdessen – Flüchtlingsproblematik, Terror, Dieselgate. Die Angstthemen eben. Damit würden aktuell die Mehrheiten gemacht. Für Vernunftmensch Kubesch im Prinzip nicht nachvollziehbar. Weshalb er sich auch lieber auf seine Themen konzentriert. Eigentliche Motivation, sich richtig ernsthaft um ein Bundestagsmandat zu bewerben, sind für Andreas Kubesch die Arbeitsbedingungen, die den Abgeordneten in Berlin geboten würden. "Da bekommst du die Möglichkeit, wissenschaftliche Mitarbeiter für deine Themen in deinen Stab zu holen."

Wie realistisch es für ihn sei, dort auch wirklich einmal hinzukommen? Kubesch lächelt sehr tiefgründig: "Es gab nach der letzten Landtagswahl eine Phase, da schien einfach alles möglich für uns Grüne hier im Südwesten." Die Ernüchterung sei aber schnell wieder eingetreten. Kubesch lächelt noch immer. Wie gesagt, als Förster wisse er, dass Bäume und Träume lange bräuchten, bis sie aus solidem Grund in den Himmel wüchsen. "Und ich habe mit der Politik ja gerade erst angefangen."